Hermann Paul - Deutsches Wörterbuch
Kind
in der Bedeutung ›Mensch vor der Geschlechtsreife‹ nur deutsch, ahd. kind (vgl. altnord. kind ›Geschlecht, Stamm‹, engl. kind›Art‹), Partizipialbildung zu einem Stamm, der z. B. auch in lat. gens/ genus ›Stamm/ Abkunft, Geschlecht‹, deutsch ↑ "König" vorliegt. Plural ursprünglich und noch jetzt in einigen Mundarten ohne -er, vgl. drei arme Kind (A075 Johann Wolfgang von Goethe,Johanna Sebus 6); allgemein in den Formeln Weib und Kind,"S007" Kind und Kindeskind, die aber jetzt als singularisch empfunden werden. Als schmeichelnde Bezeichnung bleibt es auch noch erwachsenen Mädchen, wird im Plural auch als vertrauliche ⇓ "S011" Anrede gebraucht. Bildliche Anwendung stammt vielfach aus der Bibel: Kind Gottes, der Welt, des Lichts, der Finsternis, des Todes. ⇓ "S074" Geflügelte Worte: das Kind im Manne (›Spieltrieb‹) nach Nietzsche, Zarathustra; Die Revolution… frißt ihre eigenen Kinder (A030 Georg Büchner, Danton 1,5); Jahrhundert des Kindes nach dem Titel des Buchs der Schwedin E.Key (1900), deutsch 1902 (vgl. L027 Büchmann). Zum Volksglauben (Kinderherkunft, Kinderschreck usw.) vgl. L140 HWDA. In Zusammensetzungen werden die Formen Kind-, Kind(e)s-, Kinder- gebraucht, die letzte eigentlich Genitiv Plural, ohne aber als solche noch empfunden zu werden. Der Gebrauch hat sich im einzelnen nach Zufall geregelt; die norddeutsche Sprache bevorzugt mehrfach Kinder-, wo die süddeutsche Kinds- vorzieht, z. B. Kindermädchen, Kindsmagd, in fester Wendung: von Kindesbeinen an (L308 Kaspar Stieler 1691). das Kind mit dem Bade ausschüttenmit dem Schlechten zugleich das Gute verwerfen‹ (L105 Georg Henisch 1616).
Kindheit (ahd. ), auch übertragen in der Kindheit des menschengeschlechts (Lessing; L059 DWb);
kindisch,
kindlich"S235" Der Unterschied beider Wörter besteht ursprünglich (ahd. ) darin, daß ersteres nur in bezug auf das Altersverhältnis gebraucht wird, letzteres auch in bezug auf das Verhältnis des Kindes zu den Eltern. Ein ⇓ "S166" negativer Nebensinn hat sich für kindisch erst allmählich entwickelt, neutral gebrauchen es noch Lessing (aus jeder kindischen Miene strahlte die Morgenröte eines Verstandes), A075 Johann Wolfgang von Goethe, (Hermann und Dorothea 2,131: denn kindisch war mein gemüt noch) und Schiller in seinen Jugendwerken, während er später allerdings zwischen kindlicher und kindischer Einfalt unterscheidet.
Kindergarten als Erziehungsanstalt für kleine Kinder von dem Begründer der Einrichtung ⇓ "S032" F.Fröbel 1840 so genannt, indem er die erzieherische Tätigkeit mit der des Gärtners verglich, vgl. L181 Otto Ladendorf.
Kindersprache (L308 Kaspar Stieler 1691), heute in der ⇓ "S208" Spracherwerbsforschung.
Kinderstube auch, ⇓ "S027" übertragen ›Erziehung‹ erst Ende des 19. Jahrhunderts: Eine schlechte Kinderstube wird durch kein Begräbnis erster Klasse wett gemacht Motto des Romans ›Stilpe‹ von O.J.Bierbaum (1897).
Kindfrau
1 (17. Jahrhundert) wie KinderfrauHebamme‹;
2 heute (1959; L299 Sprachdienst 31,187ff.) Pendant zu engl. nymphet (Lolita-Typ).
Kindskopf (1776; L345 Friedrich Karl Ludwig Weigand/ L345 Herman Hirt) ›Dummkopf‹.
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