Hermann Paul - Deutsches Wörterbuch
Kabinett
(1588/ 91; L081 FWb) < franz. cabinet und von daher in der Weiterentwicklung beeinflußt (L147 William Jervis Jones 164f.); vgl. auch engl. cabinet insbesondere zu (2).1.1inneres Privatgemach (eines Fürsten)‹, besonders ›Schlafzimmer‹, so noch im 19. Jahrhundert: Der K.[önig] rief mich… zu einer… Audienz in sein Cabinet oder vielmehr Schlafzimmer (1848 A015 Otto von Bismarck, Briefe I 119); Hier ist eine Stube mit Kabinett zu vermieten (1857 A210 Wilhelm Raabe, Sperlingsgasse 1,78); verdeutlicht Schlafkabinett (Platen; L059 DWb); gelegentlich bis hin zu ↑ "Toilette"(3). Vgl. ↑ "Wohnung".
1.2Raum zur Aufbewahrung einer wertvollen Sammlung‹; seit dem 17. Jahrhundert in zahlreichen Zusammensetzungen ⇓ "S048" (z. T. neben ↑ "Kammer"): Münzkabinett (1633; L060 2DWb1,487f.), Raritätenkabinett, Naturalienkabinett (1677 bzw. 1739; L081 FWb), Kunstkabinett (J. L.L078 Johann Leonhard Frisch 1741), Wachsfigurenkabinett (1836; L081 FWb), Kupferstichkabinett (1882 L067 Johann Samuel Ersch/ L067 Johann Gottfried Gruber II.32,18), Kuriositätenkabinett »Ansammlung von Merkwürdigkeiten« (S.Zweig; L337 WdG); auch ein erlesener ⇓ "S234" Wein bekam das Prädikat Kabinett (1860; L081 FWb), gekürzt aus Cabinetswein (1829 R.A233 Robert Schumann, Tagebücher I,47).
1.3(fürstliches) Beratungs- und Arbeitszimmer‹; ⇓ "S175" im 18. Jahrhundert entwickelt zu
2.1oberste, persönliche Regierung eines Fürsten‹; dazu Kabinettsordre (J. L.L078 Johann Leonhard Frisch 1741), Kabinettsjustiz (1784; L081 FWb; vgl. L124 HRG); dann
2.2Kollegium der engsten Berater, der Minister einer Regierung‹ (L003 Johann Christoph Adelung 1774: »Die heutigen Cabinets=Minister wurden ehedem nur Cabinets-Räthe genannt«). In Preußen gab es ein Militärkabinett, ein Zivilkabinett (1817 Friedrich Wilhelm III.: den bei Unserm Militair- und Civilkabinett angestellten vortragenden Personen; E.R.Huber, Dokumente zur deutschen Verfassungsgeschichte, 21961, I,67) und im Deutschen Reich ab 1889 zusätzlich ein Marinekabinett. (2.1) und (2.2) zusammengefaßt zu
3Regierung eines Landes‹: das Interesse des eigenen Landes an ein fremdes Cabinet zu verrathen (1851 L388 Wilhelm Heinrich Riehl, Bürgerliche Gesellschaft 286). – Heute: (2.2 und 3) ›Kollegium der Minister unter Vorsitz des Regierungschefs‹: Bundeskabinett, Landeskabinett; "Schattenkabinett" ›die von der Opposition für den Fall eines Regierungswechsels benannten Minister‹, wohl analog älterem Schattenkönig.
Kabinettstück im 18./ 19. Jahrhundert
1ein für ein Kabinett(1.2) geeignetes wertvolles Einzelstück‹: In manchem Granitgeschiebe fand ich Geschwister und Verwandte meiner Kabinettstücke (A075 Johann Wolfgang von Goethe, Italienische Reise 7.9.1786). Über ›Prachtstück, Musterstück‹ (eventuell im Zusammenhang mit der früher zur gesellschaftlichen Unterhaltung beliebten Zauberkunst) zu
2mit verblüffendem Geschick ausgeführte Handlung bzw. deren Ergebnis‹, besonders in Kunst und Sport; ist das noch Theater, wenn… jeder Schauspieler aus seiner Rolle ein ›Kabinettstückchen‹ macht? (1929 A266 Kurt Tucholsky, Gesammelte Werke 3,279).
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