Hermann Paul - Deutsches Wörterbuch
jung
gemeingermanisches Wort indogermanischen Alters (engl. young, got. juggs; weiter lat. iuvencus ›Jüngling‹), ahd. / mhd. junc. Verwandt mit ⇑ "Jugend", "Junker".1gering an (Lebens)alter relativ zu einer Norm‹, schon ahd. auch von Tieren (ahd. jungiNeutr. ›Junges‹) und Pflanzen, oft in formelhaftem ⇓ "S012" Gegensatz zu ↑ "alt", z. B. frühnhd. jung gewohnt, alt gethan (L333 Karl Friedrich Wilhelm Wander Nr. 25); jung und altalle‹; scherzhaft 80 Jahre jung; früh vielfach übertragen Ewig jung ist nur die Phantasie (A222 Friedrich Schiller, An die Freunde; NA 2.1,226). Die Bedeutung
2neu, frisch‹ wie in der junge Tag, das junge Jahr, die jungen Triebe, jung verheiratet erscheint erst neuhochdeutsch verbreitet, wohl unterstützt vom Adverb ahd. (zi) jungistendlich, zuletzt‹ (lat. novissimo), nhd. jüngstvor kurzem‹, sowie von den biblischen Ausdrücken
Jüngster Tag (ahd. , Psalm 29,6), Jüngstes Gericht (Offenbarung 20,5), die den Begriff des zeitlich Letzten enthalten; vgl. jüngste Beredung (L284 Justus Georg Schottelius 1663); ähnlich der Komparativ (jüngeren Datums, jüngere Steinzeit), der aber auch ›nicht mehr eigentlich jung‹ bedeuten kann: eine jüngere Dame.
3 Auf ›fortschrittlich, modern‹ liegt der Akzent in der Prägung Junges Deutschland (1834 ⇓ "S032" L.Wienbarg) für die literarische Bewegung ⇓ "S061" (nach franz. Vorbild, vgl. L360 ZDW13,93), heute junge Mode u.dgl., vgl. auch
junggrammatisch im Sinne von ⇓ "S208"sprachwissenschaftlich fortschrittlich (i. S. einer strengen Methode)‹ junggrammatische richtung (H.Osthoff und K.Brugmann, Morphologische Untersuchungen 1878, Vorwort), dazu
Junggrammatiker"S154" (1878; vgl. H.Henne, in: R.Harsch-Niemeyer (Hg.), Beiträge zur Methodengeschichte der neueren Philologien 1995, 28f.);
Jungfrau ahd. jungfrouwa, zunächst
1junge (unverheiratete) Adlige‹ (↑ "Junker"). Mittelhochdeutsch werden als juncvrouwen besonders die adligen Damen bezeichnet, die einer Fürstin zur Aufwartung dienen (später Kammerjungfer). Durch den Bezug auf die Gottesmutter im religiösen Sprachgebrauch der mittelhochdeutschen ⇓ "S142" Mystik tritt die Bedeutung
2sexuell unberührte Frau‹ (5.Mose 22,14: fand ich sie nicht Jungfrau) hervor. Jungfrau(2) ersetzt älteres ↑ "Magd"(1).
3Frühneuhochdeutsch auch für Bürgerliche und bis ins 19. Jahrhundert wie ↑ "Fräulein".
4 Bezeichnung für eines der zwölf ⇓ "S222" Tierkreiszeichen, bei Konrad von Megenberg in der deutschen Übersetzung einer lateinischen Strophe Daz sehste zaichen haizzet deu juncfraue, darumb, daz deu sunne ist danne unperhaft (›unfruchtbar‹) (Die deutsche Sphaera, L374 ATB 90, 23); ↑ "Tierkreiszeichen"; vgl. L140 HWDA. Seit dem 14. Jahrhundert daneben die im zweiten Teil gekürzte Form
Jungfer analog entwickelt, seit dem 19. Jahrhundert stärker negativ und heute fast nur noch in alte Jungfer (1730; L320 Trübner).
Jungfernrede (1807; L083 Peter F. Ganz) ›erste Rede, besonders im Parlament‹, ⇓ "S124" Lehnübersetzung < engl. maiden speech; entsprechend Jungfernfahrt (eines Schiffes).
Junggeselle (1378 jungegeselle; L320 Trübner)
1junger Handwerksbursche‹ (Gegensatz Altgeselle), seit dem 16. Jahrhundert
2.1junger unverheirateter Mann‹ und weiter
2.2unverheirateter Mann‹ (alter Junggesell L308 Kaspar Stieler 1691), ↑ "Hagestolz".
Junge Mask. , ahd. jungo, aus dem Adjektiv substantiviert; Gegenstück zu ↑ "Mädchen"; in der Umgangssprache ⇓ "S159" norddeutsch gegenüber süddeutsch ↑ "Bube", vgl. L171 Paul Kretschmer 244f. und L066 Jürgen Eichhoff, Karte 1; schriftsprachlich neben veraltendem ↑ "Knabe", dazu ⇓ "S145" Hitlerjunge, Mitglied der Hitlerjugend, gegründet 1926. ⇓ "S173" Der vom Niederdeutschen ausgehende s-Plural Jungens auch z. B. bei Wieland, Schiller, Goethe (L059 DWb), kürzer z. B. blaue JungsMatrosen‹; Junge für Erwachsene auch in umgangssprachlich schwerer JungeVerbrecher‹. In Ausrufen bekräftigend, auch verdoppelt: Das war ein Leben! Junge Junge! (Schallück; L337 WdG). Bis ins 19. Jahrhundert auch speziell ›Lehrling in Gewerbe, Handel‹, daher grüner Junge (›unerfahrener‹), dummer Junge (im 18./ 19. Jahrhundert höchste Beleidigung unter ⇓ "S211" Studenten, vgl. G.Objartel, in: Gespräche zwischen Alltag und Literatur, hg. von D.Cherubim u. a. 1984,104ff.), inzwischen abgeschwächt, vgl. Dummejungenstreich. Mit neutralem Genus ›neugeborenes, noch nicht voll entwickeltes Tier‹ (A180 Martin Luther, 5 Mose 22,6; L059 DWb) ich fand ein geschlüpftes Junges (K.Lorenz, Über tierisches und menschliches Verhalten; L099 3GWb), redensartlich das ist ja zum Junge kriegen »das ist ja zum Verzweifeln« (L337 WdG).
Jünger ahd. jungiro, substantivierter Komparativ von jung, daher ursprünglich schwach, in die starke Flexion übergetreten nach dem Muster der Maskulina auf -er ("Schüler" usw.); bezeichnete ursprünglich den Untergebenen (vgl. mittellat. iunior ›der Jüngere‹ als Gegensatz zu senior›der Ältere‹, daraus in den romanischen Sprachen die Bezeichnung für ›Herr‹), dann speziell auf ⇓ "S036" die Jünger Jesu bezogen, dies dann die dominierende Bedeutung, in neuerer Zeit auch auf ähnliche Verhältnisse von Schüler- und Anhängerschaft übertragen; ⇑ "Junior", "Senior".
Jüngling schon germanische Bildung, ahd. jungeling, im Alter zwischen ↑ "Knabe" und ↑ "Mann", in der Lutherbibel öfter ›jugendlicher Diener‹ (L059 DWb), bereits im 19. Jahrhundert »nur der gehobenen oder doch gewählten rede eigen« (L059 DWb1877), heute umgangssprachlich eher negativ, vgl. Tangojüngling.
jungen ahd. / mhd. ›verjüngen, erneuern‹, dann von Tieren ›Junge werfen‹ intransitiv; ↑ "verjüngen".
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