Hermann Paul - Deutsches Wörterbuch
jeder
bis Anfang des 18. Jahrhunderts auch noch ieder (L284 Justus Georg Schottelius nur jeder), ⇓ "S242" entstanden aus mhd. ieweder, das ›jeder von beiden‹ bedeutet. Zugrunde liegen ie in der Bedeutung ›immer‹ (↑ 1"je") und weder (›wer von den beiden‹ ↑ "weder") in der Funktion als Indefinitpronomen.1irgendeiner von den beiden, welchen man sich auch denken mag‹. Die Beschränkung auf zwei ist schon spätmittelhochdeutsch geschwunden zugunsten der weiteren Bedeutung
2jeder einzelne einer (beliebigen) Gesamtheit‹. Ferner ist das zum Stamm gehörige -er als Endung aufgefaßt worden (wie in guter) und so die jetzige Flexion entstanden; frühneuhochdeutsch noch Formen wie jedern, jederm usw. Das Wort wird substantivisch und adjektivisch gebraucht, häufig auch mit vorgesetztem ein, so daß es dann flektiert wird wie auch sonst ein Adjektiv nach ein. Der Plural verträgt sich nicht mit dem Sinn des Wortes und ist auch gegen den jetzigen Sprachgebrauch, er kommt aber doch vor durch Einfluß von ↑ "all", so in Verbindung mit diesem: alle und jede Richter (Lessing); aller und jeder Künste (Goethe); vor allen und jeden (Thümmel); auch für sich: jede Sorgen, jede guten Augenblicke u. a. bei (A075 Johann Wolfgang von Goethe, Brief vom 14.2.99); jede zehn Schritte (Heine) statt des üblichen jeden zehnten Schritt oder alle zehn Schritte. Vgl. H.L236 Hermann Paul, Dt.Grammatik Teil 4, §134. H.Kolb, in: Sprachwissenschaft 8,48ff. (für Entstehung aus mhd. ie derjeweils/ immer der‹). Zu einem Wort verschmolzen (14. Jahrhundert) ist
jedermann; der Verlust der inneren Flexion war durch die älteren Formen begünstigt (Dativ jedermann aus jederm Mann). Personifiziert Herr Jedermann in Sprichwörtern (L333 Karl Friedrich Wilhelm Wander 2,1012f.). Jedermann als Figur des religiösen Dramas noch bei A130 Hugo von Hofmannsthal, Jedermann; jedermanns Liebling (1985; L010 AWb) nach engl. everybody's darling. Durch Verschmelzung entstanden die Adverbien
jedesmal (mit Ableitung jedesmalig bei L308 Kaspar Stieler 1691),
jederzeit (16. Jahrhundert; L345 Friedrich Karl Ludwig Weigand/ L345 Herman Hirt),
jedenfalls (um 1700; W.L244 Wolfgang Pfeifer), wohl in Analogie zu älterem ↑ "allenfalls"; zunächst
1 Adverb »in jedem Falle« (L033 Joachim Heinrich Campe), ›immer‹: und der Gang eines wichtigen literarischen Unternehmens wäre jedenfalls belehrend (Goethe, [Berliner Ausgabe] 16,129); Man sieht nicht mit zween Augen All's / Mit achten aber jedenfalls (Glaßbrenner; L264 Daniel Sanders); in diesem Sinne auch in der nachdrücklichen Bejahung: kommst du? jedenfalls (L059 DWb). Was darauf hinweist, daß etwas in jedem Fall geschieht, d. h. unabhängig von der genauen Beschaffenheit der tatsächlich eintretenden Einzelereignisse, mag später als resümierender Ausdruck logischer Konsequenz betrachtet worden sein, daher (wohl um 1900) der Gebrauch als
2 Abtönungspartikel, in verschiedenen adverbialen Satzpositionen, ›Sprecher zeigt an, daß er das von ihm selbst Gesagte für folgerichtig hält, aber zugleich die Existenz abweichender Handlungen, Meinungen oder Wertungen anerkennt‹: Jedenfalls ist es zynisch, was Sie da sagen (1924 Th.A183 Thomas Mann, Zauberberg 414); Von mir jedenfalls wird niemand etwas erfahren (D.A236 Dietrich Schwanitz, Campus 228); noch ambivalent bei A060 Theodor Fontane: Und jedenfalls hast du's bald überstanden (Effi Briest 39). Heute veraltet
jedweder, mhd. ietweder, älter iegweder; die Bedeutung ähnlich entwickelt wie bei jeder: zunächst ›jeder von beiden‹, dann ›jeder(2)‹.
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