Hermann Paul - Deutsches Wörterbuch
ja
wohl aus einem erschlossenen indogermanischen demonstrativen Pronominalstamm i-, got. ja, jai, ahd. / mhd. ja, verstärkt jara, jaria; zunächst1"S209" Sprechhandlungspartikel
1.1 satzwertig, zustimmende Antwort auf eine Entscheidungsfrage (schon ahd. ): Er antwortet aber vnd sprach / Herr / ja / Vnd gieng nicht hin (A180 Martin Luther, Matthäus 21,30); Thomas… Ist sie zu Hause? Jery. Ja! (A074 Johann Wolfgang von Goethe, 11,14 LH); nicht selten durch die Zustimmung präzisierende Zusätze verstärkt: si sprach, ja, es ist also (Geiler von Kaisersberg; L059 DWb); Jhesus spricht zu ir… Gleubestu das? Sie spricht zu jm / Herr / ja / Jch gleube / das du bist Christus (A180 Martin Luther, Johannes 11,25ff.); Thomas… Ist das euer Haus? Bately. Ja, da wohn' ich mit meinem Vater (A074 Johann Wolfgang von Goethe, 11,16 LH); zur Bekräftigung auch reduplizierend (L200 Josua Maaler 1561) oder in dreifacher Wiederholung: Ja, ja! er hat schon Recht, der Patriarch! (A177 Gotthold Ephraim Lessing, Nathan 4,1); »Jaja!« rief der Chor der Herren, und wieder »Ja, ja, ja!« der vereinigte Chor der Herren und Damen (E.T.A.A127 Ernst Theodor Amadeus Hoffmann, Das steinerne Herz 10,38); »Du verstehst doch, was ich meine«, sagte Friedl eindringlich. »Ja, ja«, sagte ich (A004 Ingeborg Bachmann, Unter Mördern und Irren 172); oft in Verbindung mit adversativen ↑ "aber" oder ↑ "doch": »Ja aber -« schnarrte der Hauptmann betroffen; »Ja aber -« sagte die Tante unzufrieden; »Ja aber -« dachten der Apotheker und ich (A.A226 Arno Schmidt, Trommler 125); Ich hort gester von Deiner Frawen / Du wert am Leib ein wenig schwach Lucius … Ja / doch hat es gelassen nach (A218 Hans Sachs, Fastnachtsspiele 11); auch zum Akzeptieren einer Aufforderung oder eines Befehls: Moritz. Kommen Sie, Susanne. Gehen wir.Susanne. Ja (B.A252 Botho Strauß, Trilogie 19); dazu das insbesondere beim Militär gebräuchliche jawohl, mhd. jo wol < ja und zustimmend-bekräftigendem ↑ "wohl": Ja wol / geh zu dem Pfarrer mit (A218 Hans Sachs, Fastnachtsspiele 55); Jawohl, Herr Leutnant! (O.E.A108 Otto Erich Hartleben, Ausgewählte Werke III,210); Jawohl, jawohl! Sehr gut, das ist wichtig (Th.A183 Thomas Mann, Zauberberg 365); substantivisch: Deinem kläglichen Nein-danke werden wir ein schallendes Ja-woll entgegensetzen (B.A249 Botho Strauß, Kalldewey 106f.); aber auch mit anderen Adverbien: ja furwar, das muste man… lassen gut sein (Luther; L059 DWb); Ja freylich bin ich die beste (A095 Andreas Gryphius, Horribilicribrifax 7,55); nur zögernd zustimmend oder mit kritischer Reserve naja (↑ "na"), nun ja (↑ "nun"); aus plötzlicher Erinnerung zustimmend ach ja(↑ "ach"); ungeduldig zustimmend ja doch: Er faßte ihre Hande, Blick in Blick: »Lucinde, sind Sie mein?«Sie versetzte: »nun ja doch,«, (A074 Johann Wolfgang von Goethe, 21,162 LH); dazu ja sagen: ich hab dich zu lieb, als dasz ich zu deinem unglücke ja sagen sollte(Lessing; L059 DWb) sowie zu allem ja (und amen) sagenin alles einwilligen‹, ↑ "amen" und das Verb ↑ "bejahen";
1.2 satzintern oder -einleitend, als nachträgliche Bekräftigung des Gesagten: Ich könnte mit dir zanken… ja das könnt ich (Lessing; L059 DWb) oder als Vorabzustimmung zum nachfolgenden Satz: Ja der HERR sprach zu mir / Zeuch hin auff in dis Land / vnd verderbe es (A180 Martin Luther, Jesaja 36,10); Schon, allerliebst! Ja so laß ich mir's gefallen (A074 Johann Wolfgang von Goethe, 11,282 LH); mit dem Satz vorangestellter und später durch ein Pronominaladverb wieder aufgenommener adverbialer Bestimmung mit dem Sinn steigernder Bekräftigung: Vor die eignen Füße dicht, / ja, da sah der Bursche nicht (H.A300 Heinrich Hoffmann, Struwwelpeter);
1.3 satzintern oder zwischen Haupt- und Nebensatz, als Bekräftigung oder Präzisierung in steigernder Reihung (schon bei Luther): häfen, von auszen bemalet mit lächerlichen, gecklichen, ja oft erschrecklichen höw- und graszteufeln (Fischart; L059 DWb); die Neigung, ja die Leidenschaft des jungen Mannes (A074 Johann Wolfgang von Goethe, 17,169 LH); Die reine Mathematik ist nicht grob, verglichen mit der angewandten, ja sie ist vielmehr zarter und zuverlassiger (A074 Johann Wolfgang von Goethe, 54,276 LH). Möglicherweise haben sich die rückmeldenden, gliedernden und abtönenden Varianten von janicht aus dem zustimmenden entwickelt, sondern aus oder in Analogie zu Verwendungen von ↑ "ei", ↑ "i" (ie, y) ↑ 3"je";
2"S185" Rückmeldepartikel, in der gesprochenen Sprache (insbesondere beim Telefonieren) ›Hörer hat verstanden und hört weiter zu‹: Kunde Ich möchte gern ein Auto bei Ihnen kaufen. Verkäufer ja Kunde Und da wollte ich mal fragenVerkäufer ja Kunde welche Modelle sie anbieten könnenVerkäufer ja Kunde und wie die Preise derzeit sind; synonym ↑ "hm"; mit Frageintonation kann rückmeldendes jaauch rückfragend sein: Daja. Kommt! kommt! Ich weiß ein Fenster, / Aus dem wir sie bemerken können. Recha. Ja? (A177 Gotthold Ephraim Lessing, Nathan 2,4); (oft als Antwort auf eine Anrede) als Erlaubnis zum Erzählen einer Geschichte, wo es in Konkurrenz zu ↑ "nein" steht: Richard. Felix? Felix Ja… Richard Oh, darf ich Ihnen jetzt erzählen (B.A252 Botho Strauß, Trilogie 25); ebenfalls in der gesprochenen Sprache als
3"S079" Gliederungspartikel;
3.1Gesprächsbereitschaftssignal, insbesondere beim Telefonieren: Die Frau steht auf, geht zum Telefon, nimmt den Hörer ab Ja? (B.A249 Botho Strauß, Kalldewey 34);
3.2 die Äußerung einleitend: Wo ist meine Braut? Ja ich weiß nicht, welche sie meinen (Gellert; L004 Johann Christoph Adelung); Ja, was wollte ich doch sagen (L004 Johann Christoph Adelung); Ja, großer Gott, wo war diese Ferienzeit geblieben! Verronnen, verflogen, enteilt (Th.A183 Thomas Mann, Zauberberg 229); dazu auch das anscheinend paradoxe ja nein/ nee: ja nein, daraus wird nichts (L059 DWb);
3.3 satzintern, bestätigungheischend: Die Frau sagt: »Wenn du solange in der Lehrter gesessen hast, ja, unter diesem Zwangsdruck, dann kommste raus ja, in deine Wohnung, weißte ja nicht mehr, wo das Telefon steht« (B.A254 Botho Strauß, Paare 147);
3.4 den Gesprächsbeitrag intern-gliedernd: Ich?… ja… Was soll ich groß sagen? (B.A252 Botho Strauß, Trilogie 78);
3.5 satzausleitend, bestätigungheischend, oft mit Übergabe des Rederechts: Haben sie sein Mädchen gekannt, ja? (B.A252 Botho Strauß, Trilogie 21);
3.6 rückfragend: Tempelherr… Ich bin zum Saladin / Gerufen. Patriarch. Ja?Nun soNun freylichDann– (A177 Gotthold Ephraim Lessing, Nathan 4,2); dazu ja soach so‹ (↑ "ach"); Ja so, / Nur euer Er heißt er(A177 Gotthold Ephraim Lessing, Nathan 1,4); der gute, überlistete Joachim, dem nun freilich ein Licht aufging… »Ja so«, sagte er leise (Th.A183 Thomas Mann, Zauberberg 361f.). Abtönendes jaist wohl nicht schon für das Gotische und Althochdeutsche anzunehmen, sondern wahrscheinlich erst in frühneuhochdeutscher Zeit aus der Vermischung von ahd. / mhd. satzeinleitend-bekräftigendem ja mit dem temporalen ↑ 1"je" entstanden (vgl. auch L004 Johann Christoph Adelung), dafür sprechen zumindest Belege wie die folgenden: Ich glaub je auch du werst jn haben(A218 Hans Sachs, Fastnachtsspiele 49); Hab wir je weder gelt noch pfandt(ebenda 50); Es ist ye einer über den Anderen gefallen(L200 Josua Maaler 1561). Was je schon, d. h. immer schon der Fall war, mag später als bekannt oder offensichtlich betrachtet worden sein, daher der Gebrauch als
4"S002" Abtönungspartikel in Ausrufen und Aussagesätzen (schon bei Luther), unbetont, ›Sprecher kennzeichnet den ausgedrückten Inhalt als offensichtlich bzw. ihm und dem Hörer bekannt‹: Da seyd Ihr ja. Ich hab' Euch lange schon / Gesucht (A177 Gotthold Ephraim Lessing, Nathan 4,1); itzt hat er ja Genua erobert (A222 Friedrich Schiller, Fiesko 5,16); »Ich rauche ja nie«, antwortete Joachim. »Warum sollt' ich denn gerade hier rauchen?« (Th.A183 Thomas Mann, Zauberberg 70); Wenn ich komme, so bin ich da, und Onkel Tienappel sagt: ›Da bist du ja auch wieder! (ebenda 261); Das ist ja nicht auszudenken! (A004 Ingeborg Bachmann, Wildermuth 250); Ich gehe ja schon (A004 Ingeborg Bachmann, Undine 260); Jugendliche sind ja leichtgläubig(1991 U.A314 Uwe Timm, Kopfjäger 292).
5 Wohl aus bekräftigendem jaebenfalls als Abtönungspartikel
5.1 in Aufforderungen (schon bei Luther), betont: O Hertzes Kind / habt mirs ja nicht vor ubel!(A095 Andreas Gryphius, Horribilicribrifax 7,67); schreibe ja! (Lessing; L059 DWb); ich befahl ihr… , ja leise zu sprechen (A.A226 Arno Schmidt, Trommler 87); auch bei der Wiedergabe von Aufforderungen oder Wünschen in indirekter Rede: vielmehr soll man, je bittrer der Kelch ist, eine desto sußere Miene machen, damit ja der gelassene Zuschauer nicht durch irgend eine Grimasse beleidigt werde (A074 Johann Wolfgang von Goethe, 48,10 LH); die Drogenabhängigen lügen alle, das weiß er, sie lügen alle die gleichen Lügen und geben sich therapiewillig, nur um ja noch eine Bewährung herauszukriegen (B.A254 Botho Strauß, Paare 143f.);
5.2 in Aussagesätzen, auch hier betont, ›im Gegensatz zu dem, was man vielleicht denken könnte‹, im Sinne von ↑ "doch": Ich habe im ersten Fall kein Spiel, im zweiten Fall aber ja ein Spiel vor mir (F.Waismann, Wittgenstein und der Wiener Kreis, hg. v. McGuinness [1967] 132); in Bedingungssätzen auch im Sinne von ↑ "überhaupt": was beweiset nun diese aufschneiderei hier für unsern verfasser? wenn sie ja etwas beweiset, so beweiset sie gerade das gegenteil (Lessing; L059 DWb); E.Hentschel, Funktion und Geschichte deutscher Partikeln. Ja, doch, halt und eben. 1986.
JaNeutr. , zu ja(1.1), schon mhd. (Walther von der Vogelweide): darauf ihm denn Wilhelm mit einem sehr lebhaften Ja antwortete (A074 Johann Wolfgang von Goethe, 18,287f. LH); Wenn er [Riesser] um Auskunft befragt wurde, so begann er immer mit einem leichten Ja! und setzte noch ein Ja! hinzu (H.Laube, Das erste deutsche Parlament [1909] 3,33);
Jabruder Mask. , ⇓ "S150" mittelniederdt. jabroder (1447; L345 Friedrich Karl Ludwig Weigand/ L345 Herman Hirt), »gesinnungsloser Zustimmer« (L345 Friedrich Karl Ludwig Weigand/ L345 Herman Hirt); ähnlich
Jaherr Mask. , mhd. jaherre »einer, der zu allem ja, herre sagt« (L345 Friedrich Karl Ludwig Weigand/ L345 Herman Hirt), noch im 18. Jahrhundert üblich: alle diese Schmarotzer, alle diese süßlichen Jaherrn (A075 Johann Wolfgang von Goethe, 45,17); dafür heute
Jasager Mask. , (vgl. B.A024 Bertolt Brecht: Der Jasager und Der Neinsager, 1929/ 30): Überleben wird der unendlich langsam »Ja!«-Sagende (B.A254 Botho Strauß, Paare 133);
Jawort Neutr. , ursprünglich allgemein ›bindende Zusage‹, schon bei Luther, mittelniederdt. (1301) jawort(L345 Friedrich Karl Ludwig Weigand/ L345 Herman Hirt); heute nur noch sich / einander das Jawort gebenbei der Trauungszeremonie der Eheschließung mit ja zustimmen‹.
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