Hermann Paul - Deutsches Wörterbuch
Intelligenz
1 im 16./ 17. Jahrhundert gewöhnlich ›geheimes Einverständnis‹ (1521 Emser; L081 FWb), auch in französischer Form intelligence (L147 William Jervis Jones), so inzwischen veraltet;2 »Verstandt/ erkandtnus« S.L261 Simon Rot 1571 entsprechend lat. intelligentia: Der erste Akt der Intelligenz ist ein Gedanke, nicht ein Begriff ohne Beziehung (K.F.Becker, Organism der Sprache, 21841,231); im 18./ 19. Jahrhundert auch ›vernunftbegabtes Wesen‹ mit Plural der Mensch… sich durch den Gebrauch seiner Freiheit zu den reinen Intelligenzen sich erhebt (Schiller; L151 Josef Kehrein);
3"S175"soziale Schicht geistig Schaffender‹ wohl unter Einfluß von franz. intelligence seit der 48er Revolution: Die Intelligenz und die Arbeit haben das große Heldenwerk der Berliner Revolution geführt (1848 Anonymus; L069 Europäische Schlüsselwörter 2,30); in dieser Richtung hat sich besonders russ. intelligéncija in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts entwickelt (vgl. L138 HWbPh), daraus engl. intelligentsia (negativ wertend), das gelegentlich wiederum im Deutschen erscheint (z. B. FAZ 13.5.1960). Ausgehend von einem Forschungsgebiet seit Mitte des 20. Jahrhunderts heute in ⇓ "S043" EDV und Technik übertragen ⇓ "S134" künstliche Intelligenz (H.J.Hölzgen, Information, Computer und künstliche Intelligenz, 1967) ›Fähigkeit von elektronischen Geräten, insbesondere Computern, selbständig weitergehende Arbeiten zu verrichten, die eigentlich menschliche Intelligenz erfordern‹, nach engl. artificial intelligence (L010 AWb); häufig auch als Kurzform KI(nach engl. Kurzform AI) gebraucht. Die Auslegung der Bedeutung von Intelligenz (mit Bezug auf die Übersetzung aus dem Englischen) ist umstritten (H.H.Schulze, Computer Enzyklopädie, 1989): Der Eindeutschung entspricht die englische Vorgabe nur ungenau, da im englischen Sprachgebrauch intelligence auch im Sinne von ›Mitteilung, Auskunft‹ verwendet wird (vgl. P.L219 Peter Müller 91985). Um die Gretchenfrage, ob die Künstliche Intelligenz tatsächlich künstliche Intelligenz erzeugt oder erzeugen wird, drücken sich die Experten und ihre Systeme zumeist (L299 Sprachdienst 29, 1985, 102). ↑ "Computer".
Intelligenzblatt (1758; L081 FWb) ⇓ "S124" »ist eine Lehnübersetzung des engl. intelligencer, das seit 1641 als Zeitungsname üblich war« (L083 Peter F. Ganz); dies beruht auf der Sonderentwicklung von engl. intelligence zu der Bedeutung ›Nachricht, Neuigkeit‹ (militärisch Central Intelligence Agency, kurz CIA), vgl. auch IntelligenzcomptoirAmt für Auskünfte verschiedener Art‹ (L033 Joachim Heinrich Campe).
intelligent L031 Joachim Heinrich Campe Erg. 1801 »verständig und einsichtsvoll« < franz. intelligent; Virginia braucht wirklich bald eine Aussteuer, sie ist nicht intelligent (B.A025 Bertolt Brecht, Galilei 43); landschaftlich und umgangssprachlich viele Synonyme (vgl. L066 Jürgen Eichhoff, Karte 3–35; "helle" (↑ "hell"), ⇑ "klug", "schlau", "gescheit", "begabt", "clever", "gut", "pfiffig", "drauf", "beschlagen", "weg". Seit dem späten 20. Jahrhundert unter englischem Einfluß im Sinne der künstlichen Intelligenz (s. oben) auch übertragen auf elektronische Geräte und besonders auf Computer (L024 Brockhaus-Wahrig 1981): Genügten den Werbetextern früher die Adjektive elektronisch und computergesteuert, so muß heute alles intelligent sein L299 Sprachdienst 19 (1985), 103; dazu auch ⇓ "S207" intelligentes Waffensystem (Unwort des Jahres 1991).
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