Hermann Paul - Deutsches Wörterbuch
in
1 gemeingermanisches Wort (got./ altengl./ ahd. in) indogermanischen Alters, vgl. griech. en, lat. in; Präposition mit Dativ und Akkusativ, vgl. "an". Gegensatz ⇑ "aus", "außerhalb". Über die Zusammenziehung im siehe "der"(2) und H.L236 Hermann Paul, Dt.Grammatik 3,176f.1 Im ursprünglich räumlichen Sinn wird ingebraucht mit Bezug auf zwei oder drei Dimensionen oder auch nur eine, vgl. im Wasser, in der Luft, im Haus, im Faßin dem Kreis, im Land, in Preußen, im Garten, im Gesichtein Punkt in der Linie, ein Knoten im Faden. Es werden mit in nicht nur Gegenstände angeknüpft, die den jeweiligen Raum ganz ausfüllen, sondern auch solche, die ihn nur abgrenzend umschließen, vgl. in den Mauern, Kleidern, Armen, Händen, Fesseln. Die Umschließung braucht dabei nicht allseitig zu sein, vgl. er hat ein Schwert in der Hand, sie trägt eine Rose im Haar, er war in Schuhen. Eine schon übertragene Vorstellung liegt zugrunde, wenn man sagt im Auge haben, behalten, in die Augen fallen u.dgl., da nur ein Abbild des Gegenstandes in die Augen kommt. Räumlich aufgefaßt sind auch in der Predigt (in Fällen wie in der Predigt sein, in die Predigt gehen), in der Messe, in der Vorlesung, im Konzert, in der Vorstellung (eines Dramas), in der Probe u.dgl., nach dem Muster von in der Kirche, in der Schule, im Theater usw., welche Parallelisierung umgekehrt die Wirkung gehabt hat, daß man z. B. sagt die Kirche, die Schule, das Theater fängt an, ist aus; vgl. dazu auch auf dem Ball u.dgl. Bei in einem Buch ist wohl ursprünglich an die Innenseiten des Buches gedacht, wir denken jetzt aber an den zeitlich hintereinander aufgenommenen Inhalt des Buches, sagen daher auch in dem Kapitel, in der Abhandlung, in dem Gedicht, und diese Verbindungen treten in Parallele mit solchen wie in dem Vortrag (sagte er); in der Predigt; im Konzert (wird auch Bach gespielt), in denen es sich nicht mehr um ein räumliches, sondern um ein zeitliches Verhältnis handelt. Vor Städtenamen hat inmit Dativ das früher allein übliche ↑ "zu" abgelöst; in mit Akkusativ bei Attribuierung: in das alte Köln, sonst "nach"; desgleichen vor Ländernamen mit Artikel: in die Schweiz, in die Türkei, aber nach Frankreich, Deutschland; dagegen kann man wieder sagen in das geliebte (sein geliebtes) England. Diese Verwendung von nach ist offenbar dadurch veranlaßt, daß sonst der Gegensatz von Ruhelage und Richtung wegen der mangelnden Flexion nicht hervortreten würde. Die ältere Sprache verwendet bei Ländernamen noch in, vgl. daß wir in Welschland schiffen sollten (Luther); sich in Frankreich zu begeben(Grimmelshausen); da ich oft zu euch in Schwaben kam (Babo). Unüblich geworden ist in der Insel (öfter bei Wieland), jetzt auf. Der Dativ steht auch neben Verben der Bewegung, wenn sich die Bewegung innerhalb des angegebenen Raumes vollzieht: er geht im Zimmer hin und her. Besonderer Art sind Fälle, bei denen es sich um das Verbleiben innerhalb einer Linie, ein Verfolgen derselben handelt, vgl. im Kreis herumlaufen (Kreisbezeichnet dabei die Kreislinie); entsprechend im Bogen, im Zickzack. Eigentümlich sind Wendungen wie das Haus hat 20 Fuß in der Breite. Entsprechend ist akkusativisch ins Geviert.
2 Auf die Zeit übertragen (oft im Sinne von ↑ "während", vgl. L066 Jürgen Eichhoff, Karte 3–39): in dieser Zeit, Stunde, Woche; in diesem Monat, Jahr usw.; in der Nacht (dagegen am Tage, am Mittage, doch bei Goethe auch noch im Mittage), im Mittelalter, in der Vergangenheit, in Zukunft, im Anfang; auch mit Akkusativ bis in die Nacht (die andere Woche) hinein, auch in den Tag hinein; er geht in das dreißigste Jahr; er tritt in das Mannesalter. Man verwendet inspeziell zur Angabe eines Zeitraums, innerhalb dessen vom Zeitpunkt des Sprechens aus etwas eintreten soll, vgl. es wird in der nächsten Woche(in wenigen Tagen) besorgt. Weiterhin hat in einer Stunde (in zwei Tagen u.dgl.) den Sinn ›nach Ablauf einer Stunde‹ angenommen; es wird dabei vorausgesetzt, daß der ganze Zeitraum wirklich verläuft, der nach dem ursprünglichen Sinn der Angabe maximal verlaufen dürfte. Hier sind dann wieder Verbindungen wie im Augenblick, im Nu anzuschließen.
3 Von Zuständen sagt man nach der Analogie von Raumverhältnissen, daß sich etwas in ihnen befinde, vgl. in diesem Zustande, in schwieriger Lage, in guten Verhältnissen, in verwandtschaftlichen Beziehungen, in dem Fall, im Begriff, imstande, in Bereitschaft, in Blüte, in Verfall, in Bewegung, im Gang, im Trab, im Flug, in wilder Flucht, in Ordnung, im Fieber, im Schlaf, im Traum, im Wachen, im Krieg, im Frieden, im Amt, in Ehren, in Ansehen, in Not, in Gefahr, im Recht, in Güte, in Sorge, in Hoffnung, im Zweifel, im Glauben, in der Absicht, in der Überzeugung, im Vertrauen, im Vorübergehen, im Fallen, in der Tat, in Wahrheit, im Ernst, im Scherz. Diese Ausdrücke werden teils mit ziemlicher Freiheit verwendet, teils sind sie auf bestimmte Verbindungen oder Konstruktionsweisen beschränkt. Vielfach, aber nicht durchgängig steht akkusativischer Ausdruck dem dativischen zur Seite, z. B. imstande seininstand setzen; im Gang seinin Gang bringen, in Gang kommen; im Verfall begriffen seinin Verfall geraten.
4 Auch sonst findet Übertragung der Raumanschauung auf Unräumliches vielfach statt. Nicht hierher gehören die Fälle, in denen eine Verbindung, die an und für sich ein räumliches Verhältnis bezeichnet, inzwischen als Ganzes bildlich verstanden wird, z. B. im Schilde führen, im Wege stehen, in die Hand nehmen, in der Hand haben, in den Staub ziehen, im Grunde genommen. Dagegen gehören schon hierher einen Gedanken im Kopf haben, etwas im Busen, im Herzen fühlen, einem (sich) etwas in den Kopf setzen, einem ins Herz sehen, wobei also etwas Unräumliches in Beziehung zu etwas Räumlichem gesetzt ist; vollends in der Seele, im Geist, im Gemüt, im Sinn, in der Vorstellung, in der Phantasie, im Gedächtnisusw., entsprechend akkusativisch, z. B. ins Gedächtnis rufen, in Zweifel ziehen, hierher auch in acht nehmen. Vgl. ferner dieser Begriff ist in jenem enthalten; in seinem Benehmen ist (finde ich, sehe ich) nichts Anstößiges; darin zeigt sich sein Unverstand; in seinem Zustand ist keine Veränderung eingetreten; dieser Sinn liegt nicht in den Worten; etwas in Worte fassen (kleiden); in Worten ausdrücken; auch in fester Abhängigkeit vom Verb: sich in etwas fügen, schicken, ergeben; in etwas einwilligen, einstimmen.
5 Noch mehr verdunkelt scheint die Raumvorstellung in anderen Fällen: 100 Mark in Gold; in Gold zahlen; in Öl, Wasserfarben malen; es ist in einer fremden Sprache geschrieben; er redet in Gleichnissen, in Bildern, in einer anderen Sprache; ins Deutsche übersetzen; das Glück besteht nicht in Reichtümern; er teilte das Geld in vier Teile (mit anderer Anschauung sie teilten sich in das Geld); in Stücke hauen, schneiden; in Staub zerfallen; dazu ↑ "entzwei"; ich habe in ihm einen Vater gefunden(verloren); ein Verleger hat sich in dem Buchhändler Cotta gefunden (Schiller); ich sehe (verehre) in ihm einen Wohltäter; alle Freunde sind mir nach und nach, besonders zuletzt in Angelika und Hackert abgestorben(Goethe, Briefe); er erschien in eigener Person; uns in fremde Kaufleute zu verkleiden(Wieland); in einen Schiffer verkleidet (Goethe); im Auftrag meines Vaters, im Namen des Königs, in meinem Interesse; in diesem Sinne, Verstand, in dieser Hinsicht; in solcher Anzahl, Menge, in dem Maße, Grade; er brach in Tränen aus; in etwas übergehen; sich in etwas verwandeln; in etwas Bescheid wissen, recht haben, (sich) irren, unterrichten, unterweisen, (sich) üben; bewandert, groß, bedeutend, erfahren, gewandt, geschickt, sorgfältig, nachlässig, einem überlegen in etwas; Unterricht, Fortschritte in etwas usw.;
6 Verbindungen mit dem substantivierten Neutrum des Adjektivs: im stillen, im klaren (reinen) sein; ins klare (reine) kommen, bringen; im ganzen, im großen und ganzen, im allgemeinen, im besonderen, alles in allem, in einem fort; nicht im geringsten, mindesten; insgesamt, insgemein, insgeheim, ↑ "insbesondere".
7 Zu ungenauen Zahlbestimmungen wurde früher in ähnlich verwendet wie "gegen" und "an", wie letzteres mit Artikel, vgl. Judas brachte ihrer in die dreißig tausend um (Luther).
8 Zuweilen wird inmit Adverbien verbunden: "insofern", insoweit, "inwiefern", "inwieweit". Anders im Nu, im voraus, wo Substantivierung durch den Artikel eingetreten ist.
9 Im Mittelhochdeutschen wurde inunmittelbar vor starktoniger Silbe zu en abgeschwächt und erhielt sich so in gewissen Verbindungen, die dann z. T. das e und durch Assimilation an den folgenden Konsonanten auch das n verloren haben. So steckt in, ohne daß ein Bewußtsein dafür vorhanden ist, in folgenden Wörtern: "empor", "entgegen", "entzwei", "mitten", "neben", "traun", "weg", "zwischen".
10 Als Adverb fungiert in nicht, sondern statt dessen, wenn es sich um eine Richtung handelt, mhd. in = nhd. ein (dafür allerdings mitteldt.-niederdt. in), das dann auch in "darein", hierein, worein die Stelle der Präposition vertritt. Für die Ruhelage steht ahd. / mhd. inne, das sich in nhd. "darin", hierin, worin fortsetzt (früher noch hierinn usw. geschrieben), bei denen nun infolge der Verkürzung Zusammenfall mit in eingetreten ist.
11 Nominale Zusammensetzungen mit in sind in geringer Zahl aus dem Mittelhochdeutschen erhalten: "inbrünstig", "Inschrift", "Insasse"; jünger sind "Inhalt", "inständig", Inland, Inbegriff, Inlaut, "Inzucht". In einigen Zusammensetzungen (z. B. "Eingeweide") ist älteres in durch ↑ 2"ein" ersetzt.
12 Verbale untrennbare Zusammensetzungen mit inexistierten im Althochdeutschen. Diese sind z. T. in die Zusammensetzungen mit ↑ {{link}}ent{{/link}}-eingegangen. – Vergleiche noch ⇑ {{link}}inner{{/link}}, "erinnern", "innig", "Innung". Unverkürztes
innehat sich erhalten in mitteninne (vgl. auf einem zwischen ihnen inne stehenden Altare Lessing); ferner in enger Verbindung mit bestimmten Verben: innewohnen (mit Dativ); innehabenin Besitz, in seiner Gewalt haben‹, früher auch von dem geistigen Besitz eines Wissens, einer Fertigkeit, vgl. mit Verkürzung was Brauch ist in dem Gotteshaus, er hat alles inn' (Schiller); innehalten früher transitiv u. a. ›enthalten‹ (vgl. "Inhalt"), ›bei sich behalten, zurückhalten womit‹, vgl. wer Korn inne hält, dem fluchen die Leute (Luther); heute intransitiv ›mit einer Tätigkeit kurz aufhören‹; innewerdengewahr werden‹, ursprünglich mit Genitiv, vgl. der des Bösen nicht inne wird (Luther); heute meist mit Akkusativ oder Objektsatz. Verkürzungen aus altem innesind Inhaber, "inwendig". Im übrigen ist mhd. inne teils abgelöst durch "drin", verkürzt aus "darin", in welchem der Sinn von "da" verblaßt ist, teils durch das auch schon im Mittelhochdeutschen danebenstehende
innen (Gegensatz ↑ "außen"), wozu als Richtungsbezeichnungen nach, von innen dienen. Dieses innen stand mitunter auch in den angeführten Fällen, für die als normal inne bzw. verkürzt in gilt. Vgl. weil du hohe Gebirge innen hast(Luther); er hielt innen (G.A.Bürger); nicht selten früher innen werden (in den neueren Bibelausgaben beseitigt); vgl. noch mein Herz wallt in der Brust, wann ich sie innen werde (Haller); wie Xenophons Arasp wird er zwei Seelen innen (Wieland). Die Formen hierinnen, darinnen, worinnen sind in der älteren Sprache nicht selten und wurden altertümelnd bis in die neuere Zeit gebraucht; so auch in Trennstellung: zum Lande, da niemand innen wohnet (Luther). Vgl. noch ↑ "binnen".
Innenwelt Jean Paul, L033 Joachim Heinrich Campe;
Innenleben noch nicht L264 Daniel Sanders und L059 DWb1877.
2 nach engl. inim Sinne von ›modisch, aktuell‹, v. a. in der Verbindung in sein: man ißt bei Oats, denn das ist in (1967; L010 AWb), Gegensatz out.
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