Hermann Paul - Deutsches Wörterbuch
immer
ahd. iomer, mhd. iemer. ⇓ "S242" Zusammensetzung aus ahd. io (↑ 1"je") und mer (↑ "mehr"). Eine Beschränkung der Bedeutung ›jederzeit‹ tritt dadurch ein, daß die Form des Verbs oder auch der sonstige Zusammenhang auf Zukunft oder Vergangenheit weist; eine weitere Beschränkung kann durch eine zusätzliche temporale Angabe erfolgen: ich beobachtete ihn gestern immer; ich werde immer bei ihm bleiben, solange er mich nicht fortschickt; seit gestern bin ich immer in Angst; vgl. "noch". Das Wort meint entweder etwas sich Wiederholendes oder etwas Andauerndes (hierfür im Südwestdeutschen auch ↑ 2"als"): er besucht mich immer, wenn er in die Stadt kommt – er ist immer um ihn. Im ersten Fall ist es synonym mit ↑ "jedesmal". Vor Komparativen drückt es die Fortdauer der Steigerung aus: es wurde immer dunkler (und dunkler). Es stand in Aussagesätzen, um auszudrücken, daß so viel, wie behauptet wurde, wenigstens zugegeben werden kann, wie heute immerhin (s. unten), vgl. bis zum Dammweg ist's immer ein Stündchen (Goethe); ferner in Aufforderungssätzen, um auszudrücken, daß man nichts dagegen hat, wenn etwas geschieht: bereite ihn immer vorläufig darauf (Lessing); heute gewöhnlich mit "nur" verbunden: laß sie nur immer toben. Mit Bezug auf eine bloß angenommene Zeit, also wie jetziges 1"je", erscheint immer noch frühneuhochdeutsch. Daraus entspringen mit Verblassung des zeitlichen Sinnes Verwendungsweisen, die in die neuere Zeit hineinreichen. Die eine, wenigstens im 18. Jahrhundert noch üblich, in Fragesätzen: wann willst du doch immer mehr gereinigt werden?(Luther); wie wäre es immer gekommen, daß so viele Streitigkeiten entstanden wären? (Lessing); was hat Gerstenberg immer getan?(Klopstock); sage schnell, wie ging es immer zu (Goethe); selbst wie haben sie immer und ewig die Zeilen übersetzen können?(Lessing). Die andere, auch heute üblich, in verallgemeinerten Relativsätzen, zum schärferen Ausdruck der Verallgemeinerung, häufig mit "auch" verbunden: wer es auch immer sein mag; entsprechend in Sätzen mit wo, wann, wie usw. Vgl. weiter ↑ "nimmer". Mit einigen Adjektiven und Partizipien wird immerzusammengeschrieben, vgl. immerwährend, immergrün, substantivierte PflanzenbezeichnungImmergrün (L308 Kaspar Stieler). Es verschmilzt mit anderen Adverbien:
immerfort ursprünglich ›immer weiter‹, ↑ "fort";
immerdar (↑ "dar"), von einfachem immer nicht wesentlich verschieden, häufig bei Luther, jetzt veraltet; ähnlich, aber allgemein üblich
immerzu, verschieden von immer zu ›nur drauf los, vorwärts‹;
immerhin
1 Adverb ›von jetzt an immerfort‹, in zeitlichem Sinn bei A180 Martin Luther: Wer Böse ist / der sey imer hin böse / vnd wer vnrein ist / der sey jmer hin unrein (Offenbarung 22,11); ebenso noch A074 Johann Wolfgang von Goethe Immerhin und immerfort (3,234 LH); auch in Imperativsätzen im Sinne von ›auf!‹, ›vorwärts!‹: immer hin zum dritten male! (Logau; L059 DWb); die Information über das, was immer so ist, wie es ist, mag später konzessiv als eingeschränkte Zustimmung verstanden worden sein, daraus
2.1 Adverb ›meinetwegen‹, so bei L308 Kaspar Stieler (»per me licet«), ›zwar‹: nenne die tugend immerhin schwärmerei; diese schwärmerei macht mich glücklich (Wieland; L059 DWb); Immerhin mögen also die Bestrebungen der warmsten Einbildungskraft sich zum wirklichen Anschauen dieser unerreichbaren Gegenstände zu erheben, vergeblich sein: so sind doch diese Gegenstände selbst wirklich(Wieland; L264 Daniel Sanders);
2.2 Adverb ›jedenfalls, alles in allem‹: Die Unternehmer waren Kaufleute, wenn auch von edlen… Absichten beseelt, immerhin Männer, welche das Theater nur vom Zusehen kannten (Devrient; L264 Daniel Sanders). Was zunächst eingeschränkte Zustimmung ausdrückte, mag später als zustimmende Einschränkung oder Zugeständnis verstanden worden sein, daher der Gebrauch als ⇓ "S002" Abtönungspartikel
3.1 ›Sprecher gibt zu verstehen, daß eine geringere Erwartung übererfüllt wurde‹, ›besser als gar nichts‹, ›kein Geringerer als‹: Wo ein Todter (immerhin sein bester Freund) gelegen (Hebel; L264 Daniel Sanders); ich bin immerhin in leidlichen Ehren 45 Jahre alt geworden (A.A226 Arno Schmidt, Trommler 131); in Aufforderungen
3.2 ›Sprecher zeigt an, daß einer Handlung des Hörers aus seiner Sicht nichts entgegensteht‹: schlaf immerhin die erste zeit des lebens! (Gotter; L059 DWb); Kommt also nur immerhin zum Stuhl, denn das Gericht muß gehegt werden, auch ohne dieses Schwert (Immermann; L264 Daniel Sanders); vgl. die abtönenden Bedeutungen von ⇑ "nur", "ruhig"; daraus
4 ⇓ "S209" Sprechhandlungspartikel, satzisoliert, ›Sprecher stimmt zu und zeigt an, daß ein mögliches schlechteres Ergebnis übertroffen wurde‹, wohl aus Antwortsätzen mit satzinternem immerhin im Sinne von (3.1): Valer. Und werden ausgezischt, wie die schlechten Komödienschreiber. Lelio. Immerhin! (A177 Gotthold Ephraim Lessing, Misogyn 1,4), dazu auch das ursprünglich wohl ⇓ "S211" studentensprachliche immerhinque (aus immerhin und enklitischem lat. -que ›und‹), vgl. L012 Otto Behaghel, Syntax 3,189.
immerfort ursprünglich ›immer weiter‹, ↑ "fort";
immerdar (↑ "dar"), von einfachem immer nicht wesentlich verschieden, häufig bei Luther, jetzt veraltet; ähnlich, aber allgemein üblich
immerzu, verschieden von immer zu ›nur drauf los, vorwärts‹;
immerhin
1 Adverb ›von jetzt an immerfort‹, in zeitlichem Sinn bei A180 Martin Luther: Wer Böse ist / der sey imer hin böse / vnd wer vnrein ist / der sey jmer hin unrein (Offenbarung 22,11); ebenso noch A074 Johann Wolfgang von Goethe Immerhin und immerfort (3,234 LH); auch in Imperativsätzen im Sinne von ›auf!‹, ›vorwärts!‹: immer hin zum dritten male! (Logau; L059 DWb); die Information über das, was immer so ist, wie es ist, mag später konzessiv als eingeschränkte Zustimmung verstanden worden sein, daraus
2.1 Adverb ›meinetwegen‹, so bei L308 Kaspar Stieler (»per me licet«), ›zwar‹: nenne die tugend immerhin schwärmerei; diese schwärmerei macht mich glücklich (Wieland; L059 DWb); Immerhin mögen also die Bestrebungen der warmsten Einbildungskraft sich zum wirklichen Anschauen dieser unerreichbaren Gegenstände zu erheben, vergeblich sein: so sind doch diese Gegenstände selbst wirklich(Wieland; L264 Daniel Sanders);
2.2 Adverb ›jedenfalls, alles in allem‹: Die Unternehmer waren Kaufleute, wenn auch von edlen… Absichten beseelt, immerhin Männer, welche das Theater nur vom Zusehen kannten (Devrient; L264 Daniel Sanders). Was zunächst eingeschränkte Zustimmung ausdrückte, mag später als zustimmende Einschränkung oder Zugeständnis verstanden worden sein, daher der Gebrauch als ⇓ "S002" Abtönungspartikel
3.1 ›Sprecher gibt zu verstehen, daß eine geringere Erwartung übererfüllt wurde‹, ›besser als gar nichts‹, ›kein Geringerer als‹: Wo ein Todter (immerhin sein bester Freund) gelegen (Hebel; L264 Daniel Sanders); ich bin immerhin in leidlichen Ehren 45 Jahre alt geworden (A.A226 Arno Schmidt, Trommler 131); in Aufforderungen
3.2 ›Sprecher zeigt an, daß einer Handlung des Hörers aus seiner Sicht nichts entgegensteht‹: schlaf immerhin die erste zeit des lebens! (Gotter; L059 DWb); Kommt also nur immerhin zum Stuhl, denn das Gericht muß gehegt werden, auch ohne dieses Schwert (Immermann; L264 Daniel Sanders); vgl. die abtönenden Bedeutungen von ⇑ "nur", "ruhig"; daraus
4 ⇓ "S209" Sprechhandlungspartikel, satzisoliert, ›Sprecher stimmt zu und zeigt an, daß ein mögliches schlechteres Ergebnis übertroffen wurde‹, wohl aus Antwortsätzen mit satzinternem immerhin im Sinne von (3.1): Valer. Und werden ausgezischt, wie die schlechten Komödienschreiber. Lelio. Immerhin! (A177 Gotthold Ephraim Lessing, Misogyn 1,4), dazu auch das ursprünglich wohl ⇓ "S211" studentensprachliche immerhinque (aus immerhin und enklitischem lat. -que ›und‹), vgl. L012 Otto Behaghel, Syntax 3,189.