Hermann Paul - Deutsches Wörterbuch
Hygiene
im 18. Jahrhundert nach franz. hygiène, < griech. hygieiná ›gesunde Lebensweise‹ zu hygieinós ›heilsam, der Gesundheit dienlich‹, zunächst Mylius 1754: ich habe zur Fahne der Hygiene geschworen (L081 FWb), auch als technischer Begriff 1784 in der Onomatologica med.=pract. II 1190 (L081 FWb), bei L031 Joachim Heinrich Campe Erg. »Gesundheitslehre«, daneben Hygiastik (L148 Jakob Heinrich Kaltschmidt 1834); fachsprachlich bezogen auf die1.1 ⇓ "S132" ›Wissenschaft (medizinisch), die sich mit dem Erhalt und der Förderung der Gesundheit befaßt‹; dann auch
1.2 ›Gesamtheit der öffentlichen und privaten Maßnahmen zum Erhalt der Gesundheit und zur Bekämpfung und Vorbeugung von Krankheiten in vielfältigen Bereichen‹, auch erweitert: Vor Tische darf aber keine unangenehme Erörterung stattfinden, das wäre gegen alle Regeln der Hygiene(Ebner-Eschenbach, Bozena; A038 Dig.Bib.);
2 ›Sauberkeit, Sauberhaltung, Reinlichkeit‹, literarisch verfremdet im sexuellen Zusammenhang: ein Dreiviertelstündchen lang Hygiene mit Mädchen (A083 Günter Grass, Blechtrommel. 80). – Im ⇓ "S145" Nationalsozialismus in der Tradition eines im 19. Jahrhundert einsetzenden Hygiene-Diskurses (vgl. P.Sarasin, Subjekte, Diskurse, Körper, in: Kulturgeschichte heute, hg. W.Hardtwig und H.-U.Wehler, Göttingen 1996, 131–164). Euphemismus für medizinische Verbrechen: Der »Block 10 des KZ Auschwitz, in dem die Menschenversuche gemacht wurden«, firmierte als Hygiene-Institut SS und Polizei Auschwitz (vgl. L021 Karl-Heinz Brackmann/ L021 Renate Birkenhauer 100), dazu die Zusammensetzung Rassenhygiene (↑ "Rasse") »Maßnahmen zur optimalen Erhaltung und Verbesserung der ›rassischen Eigenart und Erbgesundheit eines Volkes‹« (L056 Duden 111934; L281 Cornelia Schmitz-Berning), zuerst 1895 als Titel bei A.Ploetz, Grundlinien einer Rassenhygiene (ebenda). In der Zusammensetzung Sozialhygiene (›Bemühungen um eine von allen sozial störenden Elementen freien Gesellschaft‹) ⇓ "S207" Unwort des Jahres 1996, weitere Zusammensetzungen: Hygieneartikel, Hygienevorschrift, Körperhygiene;
hygienisch
1 ›die Hygiene betreffend‹;
2 ›sauber, keimfrei, rein‹ Der kleine Operationsraum… sah aus wie eine hygienische Metzgerei(Remarque; L098 2GWb).
im 18. Jahrhundert nach franz. hygiène, < griech. hygieiná ›gesunde Lebensweise‹ zu hygieinós ›heilsam, der Gesundheit dienlich‹, zunächst Mylius 1754: ich habe zur Fahne der Hygiene geschworen (L081 FWb), auch als technischer Begriff 1784 in der Onomatologica med.=pract. II 1190 (L081 FWb), bei L031 Joachim Heinrich Campe Erg. »Gesundheitslehre«, daneben Hygiastik (L148 Jakob Heinrich Kaltschmidt 1834); fachsprachlich bezogen auf die1.1 ⇓ "S132" ›Wissenschaft (medizinisch), die sich mit dem Erhalt und der Förderung der Gesundheit befaßt‹; dann auch
1.2 ›Gesamtheit der öffentlichen und privaten Maßnahmen zum Erhalt der Gesundheit und zur Bekämpfung und Vorbeugung von Krankheiten in vielfältigen Bereichen‹, auch erweitert: Vor Tische darf aber keine unangenehme Erörterung stattfinden, das wäre gegen alle Regeln der Hygiene(Ebner-Eschenbach, Bozena; A038 Dig.Bib.);
2 ›Sauberkeit, Sauberhaltung, Reinlichkeit‹, literarisch verfremdet im sexuellen Zusammenhang: ein Dreiviertelstündchen lang Hygiene mit Mädchen (A083 Günter Grass, Blechtrommel. 80). – Im ⇓ "S145" Nationalsozialismus in der Tradition eines im 19. Jahrhundert einsetzenden Hygiene-Diskurses (vgl. P.Sarasin, Subjekte, Diskurse, Körper, in: Kulturgeschichte heute, hg. W.Hardtwig und H.-U.Wehler, Göttingen 1996, 131–164). Euphemismus für medizinische Verbrechen: Der »Block 10 des KZ Auschwitz, in dem die Menschenversuche gemacht wurden«, firmierte als Hygiene-Institut SS und Polizei Auschwitz (vgl. L021 Karl-Heinz Brackmann/ L021 Renate Birkenhauer 100), dazu die Zusammensetzung Rassenhygiene (↑ "Rasse") »Maßnahmen zur optimalen Erhaltung und Verbesserung der ›rassischen Eigenart und Erbgesundheit eines Volkes‹« (L056 Duden 111934; L281 Cornelia Schmitz-Berning), zuerst 1895 als Titel bei A.Ploetz, Grundlinien einer Rassenhygiene (ebenda). In der Zusammensetzung Sozialhygiene (›Bemühungen um eine von allen sozial störenden Elementen freien Gesellschaft‹) ⇓ "S207" Unwort des Jahres 1996, weitere Zusammensetzungen: Hygieneartikel, Hygienevorschrift, Körperhygiene;
hygienisch
1 ›die Hygiene betreffend‹;
2 ›sauber, keimfrei, rein‹ Der kleine Operationsraum… sah aus wie eine hygienische Metzgerei(Remarque; L098 2GWb).