Hermann Paul - Deutsches Wörterbuch
Holocaust
Mask. und Neutr. (selten), L032 Joachim Heinrich Campe Erg. 1813 »Brandopfer«, < engl. holocaustInferno, Zerstörung, biblisch Brandopfer‹ < lat. holocaustum < griech. holokaútoma (zu griech. holos ›ganz, völlig‹ und griech. kaíein ›verbrennen, verwüsten‹), zu ⇓ "S086" hebr. ôlâ kalîl ›was ganz in Rauch aufsteigt‹,1Brandopfer‹, bei den Israeliten sowohl das »morgendliche Brandopfer« (2 Könige 16,15) als auch ein Menschenopfer (1 Mose 22,2), bei den Griechen v. a. das Opfer für die Toten: Grieche. Und die Opfer, die bei diesem Dienste gebracht werden, sind Holokauste: niemand kann sie genießen (1798 A.W.Schlegel, Der Wettstreit der Sprachen. In: Sämtliche Werke. Hrsg. v. E.Böcking 7,1971,231); daneben übertragen gebraucht: Sie verbrennen, wie ein Holokaust, die öden Bücher (Meißner; L266 Daniel Sanders FWb.). Von der Bezeichnung als einer Opferrolle kommt es im 16. Jahrhundert in der Wendung nova holocausta des Mailänder Juristen Andrea Alicati zu einer Akzentuierung auf den Aspekt der Verfolgung und Vernichtung mittels Feuers zur Bezeichnung der Hexenverfolgung in Italien (vgl. W.Behringer (Hg.), Hexen und Hexenprozesse 1995,190) und wird schließlich im 20. Jahrhundert um den Aspekt der planmäßigen Ausrottung ganzer ethnischer Gruppen, Rassen und Völker ⇓ "S025" erweitert und bezeichnet
2"S147" den ›Völkermord, im besonderen an den Juden, während der NS-Zeit‹, dafür auch der hebräische Ausdruck schoah›Sturm, Verwüstung, Vernichtung‹ für die »Katastrophe der Juden in Polen« (Titel; 1940 Jerusalem), »seit 1942 setzt sich dann in Palästina der Begriff ›shoa‹ durch, zumal seit er im November 1942 in einer offiziellen Erklärung der Jewish Agency verwendet wurde« (vgl. Enzyklopädie des Holocaust, hrsg. v. I.Gutman [u. a.], 1,21995, XVII). Bereits 1942 wird auch Holocaust in der amerikanischen Presse gebraucht: Holocaust (… ) Nothing else in Hitler's record is comparable to his treatment of the Jews (1942 News Chronicle 5 Dez. 2/ 2; L230 2OED), seitdem Verbreitung des Begriffs in Berichten, Essays und Romanen, so 1957 im ›Yad Vashem Bulletin‹ und 1959 im 3. Band der ›Yad Vashem Studies‹ (vgl. Enzyklopädie des Holocaust, hrsg. v. I.Gutman [u. a.], 1,21995, XVIII), von E.Wiesel rückblickend als eigene Entlehnung bezeichnet: Das Wort Holocaust habe ich, ohne zu ahnen, was daraus werden würde, in den frühen sechziger Jahren zum ersten Mal für die Vernichtung der europäischen Juden gebraucht(Die Zeit, 14. April 1995, Nr. 16). Im Deutschen verbreitet nach der Ausstrahlung der vierteiligen amerikanischen Fernsehserie Holocaust (Januar 1979) über die Judenverfolgung im Nationalsozialismus (daher auch Wort des Jahres 1979; vgl. L299 Sprachdienst 1980,17); ebenso in Zusammensetzungen z. B. Holocaust-Denkmal (Die Zeit 1997, Nr. 4), Holocaust-Argument: Das Holocaust-Argument hat das Faschismus-Argument ersetzt. (L384 Merkur 53,1999,123); dazu vgl. Fetisch Holocaust. Die Judenvernichtung verdrängt und vermarktet (von R.C.Schneider 1997); erweitert zu
3von Menschen verursachte Katastrophen, die den eigenen Lebensraum zerstören‹, häufig in den festen Wendungen atomarer Holocaust, auch nuklearer Holocaust, wohl < engl. nuclear holocaust (L010 AWb); Der Frieden… muß deshalb auf stärkeren Fundamenten ruhen als auf dem Prinzip Hoffnung oder der Furcht vor dem atomaren Holocaust (Die Zeit, 3.8.1979, 9; L010 AWb); analog dazu Wortbildungen wie Embryocaust und Babycaust bei der Diskussion des §218 (L315 Georg Stötzel/ L315 Martin Wengeler 576).
Sie können einen Link zu dem Wort setzen

Ansicht: Holocaust