Hermann Paul - Deutsches Wörterbuch
hoch
ahd hoh, mhd. hoch, flektiert hoher. »Mittelhochdeutsches h im Silbenanlaut ist Hauchlaut wie neuhochdeutsches h (hoch, na-he), im Silbenauslaut und in den Verbindungen hsund ht bezeichnet es den Reibelaut, neuhochdeutsch ch« (H.de Boor / R.Wisniewski, Mittelhochdeutsche Grammatik 91984, §14,6). Während der dadurch entstandene Wechsel in den meisten Fällen durch Ausgleichung beseitigt ist, hat er sich bei hoch erhalten (hoher, höher, der höchste), vgl. dazu "nahe" – "nächst", "nach", ferner ⇑ "rauh", "sehen", "geschehen"; gemeingermanisch (got. hauhs, engl. high) und wohl verwandt mit ↑ "Hügel". Es bezieht sich auf die Ausdehnung von einer bestimmten Fläche aus, wie sie der Sprecher im Sinn hat, nach oben, und ist insofern ⇓ "S012" Gegensatz zu ↑ "tief", das sich auf die entsprechende Ausdehnung nach unten bezieht. Wichtig ist ein gewöhnlich nicht beachteter Unterschied: Ein Gegenstand wird als hoch bezeichnet1 in bezug auf seine Erstreckung von der Bodenfläche bis auf die oberste Spitze (hoher Berg, Turm usw.);
2 in bezug auf die Entfernung nach oben: der hohe Himmel; hieran schließt sich meistens der adverbiale Gebrauch an: die Sonne steht hoch, er ist hoch gestiegen. – Das Adjektiv gehört zu denjenigen, die einerseits ein relatives Maß auf einer Skala bezeichnen, andererseits etwas Absolutes, wenigstens für die subjektive Einschätzung bzw. die normale Erwartung (vgl. "alt" usw.). In letzterem Fall ist der Gegensatz ↑ "niedrig". Die Maßbestimmung steht im Akkusativ, in der älteren Sprache auch im Genitiv, noch bei Wieland einer Hand hoch. In bezug auf Menschen ist ↑ "groß" üblich, nicht hoch; Reste sind hohe Gestalt, hochgewachsen. In bestimmten Wendungen bezieht sich hochauf die Entfernung von dem Beschauer in horizontaler Linie, weil damit der Schein einer Erhebung verknüpft ist: das hohe mere (1470; L162 Friedrich Kluge, Seemannssprache), entsprechend lat. mare altum, heute die hohe See (1720; ebenda) entsprechend engl. the high sea; Sie kommen zu zwölf Mann hoch(A075 Johann Wolfgang von Goethe, Italienische Reise 32,254,4). Mannigfach ist die Übertragung auf unräumliche Verhältnisse. Das Verhältnis der Töne zueinander wird nach der Analogie eines Raumverhältnisses gefaßt; daher die Ausdrücke hoch/ tief steigen, fallen, sinken, heben, senken. Eine entsprechende Analogie auch bei Wert, Preis, Rang: hochachten, hochschätzen, eine hohe Meinung, einen hohen Begriff von jmdm. haben, jmdm. etwas hoch anrechnen, eine Ware hoch im Preis halten, hoher Adel, hohes Amt, der Hohepriester, die Hohe Schule, das Hohe Haus, hoher Feiertag, höhere Mathematik. Häufige Anwendung in der Kanzleisprache: höhererseits, an höchster Stelle u.dgl. (s. unten). Hierher auch hoch und teuer schwören (Luther auf die Hoheit des zum Zeugen Angerufenen). In moralischem und ästhetischem Sinn berührt sich hochmit "erhaben", "edel": hoher Geist, Sinn, Stil, hohes Gemüt, hohe Tat. Für die Erkenntnis ist etwas zu hoch (Hiob 42,3). Auf die Gemütsstimmung bezogen stand hochfrüher ähnlich wie "gehoben": hocherfreut, "Hochmut"; dagegen tieftraurig usw. Am abstraktesten ist der Sinn von hoch, wenn es die Stärke eines Zustandes bezeichnet. Es kann sich dabei noch etwas von den früher erwähnten Bedeutungen einmischen, aber auch ohne solche Beimischung wird hoch gebraucht: hoher Wert, Preis; hohe Summe, Zahl; hohe Freude; hohes Alter, höchste Not, selbst höchste Erniedrigung (Schiller); besonders üblich hoher Grad. Hierher auch es ist hohe Zeit; Es ist die allerhöchste Eisenbahn (1847; L320 Trübner). Demgemäß erscheint das Adverb in verstärkendem Sinn, meist allerdings mit entsprechender Beimischung; David freuete sich auch hoch (Luther); wiewohl über diese nicht so gar hoch zu klagen ist (Luther); strafst du mich so hoch? (J.M.R.Lenz). Allgemein üblich ist es neben vielen Adjektiven und Partizipien: hochempfindlich, hochwillkommen, weiter s. unten. Noch allgemeiner üblich als einfache Verstärkung ist der Superlativ höchst neben Adjektiven; seltener steht er neben Verben: der Zeit, die ein solches Erscheinen höchst begünstigte (Goethe). Ähnlich steht aufs höchste. Im 18. Jahrhundert erscheint aufs höchste und zum höchsten zuweilen im Sinn von "höchstens" (s. unten): ihre übrigen Regeln können aufs höchste nichts als ein schulmäßiges Gewäsche hervorbringen (Lessing); was sagen wir? zum höchsten unser Leben (Goethe). Den Zusammensetzungen mit hochliegt teils das Adjektiv, teils das Adverb zugrunde. Beispiele für das Adjektiv: Hochgebirge, Hochalpen, Hochebene, Hochland, Hochflut, "Hochburg" (s. unten), Hochaltar, "Hochofen" (getrennt bei Schiller in hoher Öfen Glut), Hochwald, Hochwild (auch Hochgewilde Schiller); mit übertragener Bedeutung: Hochamt, Hochgericht, "Hochschule" (s. unten), Hochmeister, "Hochverrat" (s. unten), Hochsommer, Hochgefühl, "Hochmut" (s. unten), Hochsinn, Hochgesang, Hochgenuß, "Hochdruck" (s. unten). Dagegen ist eine Bildung wie hochbeinig als Ableitung aus hohe Beine zu fassen (hierzu westmitteldt. HochbeinerSpinne mit langen Beinen‹ bzw. ›Mücke mit sehr langen Beinen‹; vgl. Weberknecht (↑ "Knecht", ↑ "Schneider"); ähnlich hochstämmig, hochherzig, "hochnäsig" (s. unten) u. a. Adverbiales hochpflegt mit dem Adjektiv (und Partizip) meist zusammengeschrieben zu werden; hochfliegend, "hochfahrend" (s. unten), "hochtrabend" (s. unten), hochheilig; so insbesondere, wenn es nur allgemein ⇓ "S228" verstärkenden Sinn hat: hochnötig, hochwichtig, hochweise, hochbedeutend, hochbegabt, hochverdient, hochbeglückt, hochgelehrt. Besonderer Art sind die zahlreichen Zusammensetzungen in den Titulaturen der alten Kanzleisprache: hochachtbar, hochansehnlich, hochlöblich, hoch(edel)geboren, hoch(ehr)würdig, hochmögend, hochselig, hochderselbe, Hochwürden; auch ⇓ "S215" höchstderselbe, höchstdero usw. (vgl. L004 Johann Christoph Adelung). Dazu ⇑ "Anhöhe", "Höhe", "Hoheit".
Hoch
1Hochruf, Lebehoch‹, substantiviert aus (er/ sie lebe) hoch!: diesen sei ein hoch gebracht (Goethe; L059 DWb);
2 (L056 Duden 91915) meteorologisch ›Hochdruckgebiet‹, Plural Hochs (A040 Alfred Döblin, Alexanderplatz 437).
Hochachtung (1531; L345 Friedrich Karl Ludwig Weigand/ L345 Herman Hirt) mit Lehnübersetzung ins Dänische und Schwedische: højagtelse, högaktning;
hochachtungsvoll L033 Joachim Heinrich Campe 1808.
Hochburg (16.Jh; L059 DWb), übertragen auf politische Verhältnisse ›Zentrum‹, im Königreich Sachsender Hochburg der Sozialdemokratie(H.Blum, Persönliche Erinnerungen, 21900,174), auch in wirtschaftlicher oder geistiger Hinsicht (vgl. L337 WdG, L097 GWb).
hochdeutsch
1oberdeutsch, süddeutsch‹ 1488 in hochteutschen Landen (L345 Friedrich Karl Ludwig Weigand/ L345 Herman Hirt); ⇓ "S208" dann auch bezogen auf die Sprache:
2oberdeutsche bzw. süddeutsche Dialekte‹ 1523 Luthers und unser hochdeutsch (L059 DWb);
3vorbildliche überregionale geschriebene und gesprochene Sprache‹, hoch also als ›herausgehoben‹: Damit wir aber reine reden mögen, sollen wir vns befleissen deme welches wir Hochdeutsch nennen besten vermögens nach zue kommen (A203 Martin Opitz, Poeterey VI.Cap.), vgl. J.Bödiker 1690 (Grundsätze der teutschen Sprache, 1729,274): Ich teile die Teutsche Sprache… 1. in die Nieder-Teutsche. 2. Ober-Teutsche / und 3. Hoch-Teutsche. L308 Kaspar Stieler 1691, J. L.L078 Johann Leonhard Frisch 1741,458: Hoch-Teutsch, wie die Gelehrten teutsch reden und schreiben. Seit Ende des 18. Jahrhunderts, vor allem seit L004 Johann Christoph Adelung (Was ist Hochdeutsch? 1792 Magazin für die deutsche Sprache), allgemein übliche Bedeutung. – Auch substantivisch das Hochdeutsch, ↑ "niederdeutsch".
althochdeutsch"S208" im Anschluß an Bedeutung (3) von hochdeutsch Periodisierungsbegriff der deutschen Sprach- und Literaturgeschichte, zur althochdeutschen [periode] rechnen wir ihre [der sprache] frühsten denkmäler… vom siebenten bis zum eilften jahrhundert (1854 J.Grimm, L059 DWb1, XVIII; zuerst 1819 ⇓ "S032" J.L095 Jacob Grimm, Deutsche Grammatik); vgl. altsächsisch.
mittelhochdeutsch"S208" die mittelhochdeutsche sprache ist fortsetzung der althochdeutschen (1822 ⇓ "S032" J.L095 Jacob Grimm, Deutsche Grammatik, 1.Th. 330; zuerst 1819) bis etwa zur Mitte des 14. Jahrhunderts, vgl. mittelniederdeutsch.
frühneuhochdeutsch"S208" von ⇓ "S032" A.Koberstein, Grundriß der Geschichte der deutschen Nationalliteratur 1827 geprägt, von W.Scherer, Zur Geschichte der deutschen Sprache 1868 aufgegriffen, zitiert nach 21878,13: Die Uebergangs- oder frühneuhochdeutsche Zeit… Abkürzung frühneuhochdeutsch; von neuerer Forschung so bestimmt: als zeitlicher Rahmen für das Frühneuhochdeutsche soll die Spanne zwischen der Mitte des 14. und dem Beginn des 17. Jahrhunderts gelten (1986 O.Reichmann, L072 Frühnhd.Wb., Bd. 1,36).
neuhochdeutsch"S208" wie althochdeutsch (s. oben) von ⇓ "S032" J.L095 Jacob Grimm, Deutsche Grammatik 1819 für die an das Mittelhochdeutsche (s. oben) anschließende Sprachperiode geprägt, seit W.Scherer nach der frühneuhochdeutschen (s. oben) Zeit einsetzende Periode, die in die Gegenwart führt.
Hochdruck im 19. Jahrhundert ⇓ "S220" technisch
1 »der druck, den eine dampfmachine ausübt« (L059 DWb) sowie in der bildenden Kunst
2Relief‹, Anfang des 20. Jahrhunderts
3 meteorologisch »Druck höher als der Normaldruck«, dazu Hochdruckgebiet (A040 Alfred Döblin, Alexanderplatz 362), kurz "Hoch"(2), s. oben;
hochfahren ↑ "fahren";
hochfahrend Adjektiv »stolz, gebieterisch« (L033 Joachim Heinrich Campe): ein Herz, hochfahrendes Geistes(Voß; ebenda), heute v. a. in der Verbindung hochfahrendes Wesen (L337 WdG), ↑ "hoffärtig";
Hochhaus L056 Duden 101929.
Hochmut hatte früher auch die allgemeinere Bedeutung ›gehobene Stimmung‹ ohne Tadel, so mittelhochdeutsch hoher muot (z. B. Wolfram von Eschenbach, Parzival 737,15), der von hochmuot(lat. superbia) geschieden wird. Vgl. dazu bei Uhland hohen Mutes und hochgemut bei Herder, Tieck, Uhland, aus dem Mittelhochdeutschen wieder aufgenommen; vgl. auch das höhet mir den Mut Uhland (vgl. H.Naumann, Der hohe Mut und das freie Gemüte, 1934).
hochkant (1871; L059 DWb) ›auf die/ der Schmalseite‹… die Kamera hochkant vor dem Gesicht(B.A311 Botho Strauß, Niemand anderes 157)
jmdn. hochkant (auch: hochkantig) hinauswerfengrob nach draußen befördern‹.
hochnäsigdie Nase hochtragend, stolz‹ um 1850 (L264 Daniel Sanders).
Hochschulefrühnhd. hochschul, L031 Joachim Heinrich Campe Erg.1801 für "Universität".
Hochsprache"S208" L264 Daniel Sanders 1885, 496 (mit Verweis auf Aussprachewörterbücher), terminologisch 1922 von Th.Siebs: Die deutsche Bühnenaussprache kann… als deutsche Hochsprache bezeichnet werden (Deutsche Aussprache, 191969,3);
1mustergültige deutsche Aussprachenorm‹, darüber hinaus auf gesprochene Sprache insgesamt bezogen:
2 »höchste Einheitsform der Sprechsprache« Th.Frings, in: Jahrbuch der Deutschen Sprache 1944,74; das Pendant der geschriebenen Sprache: ↑ "Schriftsprache"; deshalb oft die Formel: Hoch- und Schriftsprache; ↑ "Standardsprache".
Hochstapler (1727 Hochstabler; L161 Friedrich Kluge, Rotwelsch 196) ⇓ "S182" seit ca. 1850 ›Betrüger, der sich für mehr ausgibt, als er ist‹, früher ›vornehm (hoch) tuender Bettler‹. Der zweite Bestandteil ist wohl anzuschließen an stabullKrüppel‹ (ca. 1490; L161 Friedrich Kluge, Rotwelsch 19) und stappelngehen‹, ↑ "Stapfe"; später Anlehnung an "stapeln" (↑ "Stapel"). Dazu im 20. Jahrhundert als Gegensatz Tiefstapler (L320 Trübner).
hochtrabend, ursprünglich wirklich von der Gangart eines Pferdes gebraucht, frühneuhochdeutsch ⇓ "S027" übertragen ›prahlerisch‹.
Hochverrat 1703, ⇓ "S125" nach engl. high treason (L083 Peter F. Ganz 96).
Hochzeit mhd. hoch(ge)zit. Die Verkürzung vor der Konsonantenhäufung hat auch das Gefühl für den Ursprung des Wortes verdunkelt. Es bedeutete früher ›Fest‹ im allgemeinen (noch bis ins 17. Jahrhundert) und wurde erst allmählich auf das Fest der Vermählung (mit kurzem o) ⇓ "S029" beschränkt (von Luther nur für dieses gebraucht). Dazu Hochzeiter landschaftlich ›Bräutigam‹ und HochzeiterinBraut‹ (1578; L345 Friedrich Karl Ludwig Weigand/ L345 Herman Hirt).
Hochzeitsreise (L264 Daniel Sanders 1860) »eines neu vermählten Paars« (ebenda) nach der Hochzeit; nicht im L059 DWb1877, relativ junge Zusammensetzung und demnach junger Brauch.
höchlich als Adverb neben Verben (der Gemütsbewegung) nur in allgemein verstärkender Funktion, veraltend höchlich mißfiel (Hesse; L337 WdG); ungewöhnlich höchlich verletzt (Goethe).
höchstens gebildet wie "erstens", "mindestens", "wenigstens", frühestens, meistens, spätestens usw.; ursprünglich ›im höchsten Grade‹: ich danke höchstens (Wieland); für die unermüdete Sorgfalt höchstens verpflichtet (A075 Johann Wolfgang von Goethe, Brief vom 15.10.30), in der neueren Sprache nur in hypothetischem Sinn ›das Höchste, was möglich ist, vorausgesetzt‹.
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