Hermann Paul - Deutsches Wörterbuch
hinter
ahd. hintar, mhd. hinder, gemeingermanisch (verwandt ↑ "hindern"), alte Komparativbildung, ↑ "hinten".1 Als Adverb, abgesehen von "dahinter", hierhinter, wohinter (⇑ "da", "hier", "wo"), nur noch gebraucht (vor dem Verb, gewöhnlich mit demselben zusammengeschrieben)
1.1 landschaftlich neben Verben der Bewegung, um die Richtung nach dem hinteren Teil einer bestimmten Räumlichkeit auszudrücken: geh (komm) hinter in die Küchesagt man zu jmdm. , der sich in einem vorderen Raum des Hauses befindet;
1.2 landschaftlich, um die Richtung durch die Mundhöhle nach hinten und dann abwärts zu bezeichnen: (wofür standardsprachlich meist hinunter) hintertrinken, hinteressen, hinterschlingen, hinterwürgen, "hinterbringen"; auch es ist hinter, will nicht hinter.Sonst wird es durch nach hinten und namentlich durch "zurück", "rückwärts" ersetzt. Vgl. auch hinterwärts, "hinterher", "hinterdrein".
2.1 Als Präposition regiert hinterden Dativ, wenn ein räumliches Verhältnis zwischen zwei Gegenständen bezeichnet wird, wobei sie sich entweder beide in Ruhe befinden können oder auch beide in Bewegung, wenn nur durch die Bewegung das Verhältnis nicht geändert wird: hinter jmdm. gehen usw.; in diesem Fall häufig Verbindung mit ↑ "her", auch mit ↑ "drein". Der Dativ steht aber auch, wenn die Stellung erst erzeugt wird, falls dies durch eine Bewegung desjenigen Gegenstandes geschieht, der nach vorne kommt, während der andere in Ruhe bleibt oder es dem anderen an Schnelligkeit nicht gleichtut: ich bleibe hinter ihr zurück, ich lasse ihn hinter mir (zurück).
2.2 Der Akkusativ steht, wenn ein Gegenstand durch eine an ihm vorgehende Bewegung hinter einen anderen gebracht wird, während er sich vorher vor oder neben ihm befunden hat, auch, wenn er sich vielleicht schon vorher hinter ihm befunden hat, aber in einem Abstand, daß man beide in keine Beziehung zueinander gebracht hat: er trat dicht hinter ihn.
2.3 Mannigfache Übertragung auf unräumliche Verhältnisse. Das Sterben wird als eine Bewegung nach vorwärts (Reise) aufgefaßt, daher sagt man von dem Verstorbenen: er hat Kinder, Freunde, Güter hinter sich gelassen (hinterlassen ↑ "lassen"). Rang- und Wertverhältnisse werden durch hinterausgedrückt: er steht an Geschicklichkeit hinter seinem Bruder zurück. Der vor jmdm. Stehende dient diesem als Schutz, muß für ihn handeln, daher sich hinter jmdm. halten (vgl. auch Hintersasse); vgl. "hinterlegen". Andererseits dient der hinten Stehende als Rückhalt für den Fall der Not: er hat eine starke Partei hinter sich. Das Vordere verdeckt das Hintere; es kann zu diesem Zweck absichtlich vorgeschoben sein, daher Wendungen wie hinter seiner Freundlichkeit steckt eine böse Absicht; es ist der äußere Schein, hinter dem der eigentliche Wert verborgen liegt, daher es ist, steckt nicht viel hinter ihm, es ist nichts dahinter, etwas wohinter suchen. Anders
⊚⊚ hinter dem Rücken jmds. so, daß er/ sie es nicht gewahr wird‹; dafür früher auch bloß hinter jmdn. , hinter etwas kommenerfahren, wie es mit einer Sache steht‹, eigentlich ›dazu gelangen, sie von hinten anzusehen, wo sie nicht durch das davor Befindliche verdeckt wird‹; hinter etwas her seinsich eifrig um etwas bemühen‹.
3 Mit hintersind verbale feste Zusammensetzungen gebildet, von denen die jetzt noch üblichen fast nur abgeleiteten Sinn haben, s. u.; wenige substantivische Zusammensetzungen: "Hinterhalt", Hinterlist (↑ "List"), Hintergedanke; vgl.(4).
4 Aus hinterhat sich ein flektiertes Adjektiv entwickelt (niemals prädikativ) mit komparativischem Sinn, wozu ein ⇓ "S215" Superlativ der hinterste, dem in adverbialem Sinn zuhinterst entspricht. Das Adjektiv ist mit einigen Substantiven zu Zusammensetzungen verschmolzen, nach deren Analogie dann neue gebildet sind, vgl. a) Hinterteil, Hinterstück, Hinterseite, "Hinterbein", Hinterfuß, Hinterkeule, Hinterhaus, Hinterstube, Hintertür, Hinterpforte, Hintermann; b) Hinterhaupt, Hinterkopf, Hinterleib, "Hintergrund"; in Gruppe a bezeichnet hinter einen hinten befindlichen Gegenstand im Gegensatz zu einem entsprechenden vorn, in Gruppe b den hinteren Teil eines Gegenstandes. Diese Zusammensetzungen sind von den unter (3) erwähnten verschieden, doch fehlt heute ein deutliches Bewußtsein des Unterschiedes. Eine Bildung wie Hinterlader (↑ 1"laden") läßt sich in keiner der beiden Gruppen unterbringen. Substantiviert
Hintern Mask. , mhd. hinder, ahd. hintariGesäß‹ ↑ "Arsch", das -n stammt aus den flektierten Formen.
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