Hermann Paul - Deutsches Wörterbuch
Himmel
ahd. himil, mhd. himel, altfries. himul. Der Wortstamm endet in anderen germanischen Sprachen auf -n: got. himins, altisländ. himinn, engl. heaven, altsächs. heban, mittelniederdt. und neuniederdt. hevenHimmel‹. Wurzelverwandt entweder mit ↑ "Hemd" (ahd. hemidi), dann ursprünglich: ›das Bedeckende‹, oder mit ↑ "Hammer" (vgl. altisländ. hamarr ›Klippe, Stein‹), dann ›steinernes [Gewölbe]‹; zunächst1das von der naiven Vorstellung als wirklich gefaßte Gewölbe über uns‹; nach der Art, wie er erscheint blauer, grauer, heller, heiterer, trüber, reiner, bedeckter, bewölkter Himmel, [als] die Flak anfing zu schießen; sehen konnte man nichts, der Himmel war nur blendendes flutendes Licht (A107 Felix Hartlaub, Von unten 118), Morgenhimmel, Mittagshimmel, Abendhimmel, Nachthimmel, personifiziert: der Himmel lacht/ weintdie Sonne scheint/ es regnet‹; Himmel und Erde nach uralter Vorstellung ›Gesamtheit der Welt‹, formelhaft verbunden; Sonne, Mond und Sterne stehen nach ursprünglicher Ansicht am Himmel; sie werden als Himmelslichter, Himmelskörper bezeichnet, vgl. auch gestirnter Himmel, Sternenhimmel; wir befinden uns unter dem Himmel; unter (Gottes) freiem Himmelohne Überdachung‹; zum Himmel, gen Himmel oft nur ›nach oben‹; für eine unbegrenzte Ferne so weit der Himmel reicht (blau ist); mit Bezug auf die große Entfernung des Himmels himmelhoch: himmelhoch jauchzend, / zum Tode betrübt (A075 Johann Wolfgang von Goethe, Egmont 3,2), himmelweit, übertragen himmelweit verschieden, himmelweiter Unterschied; danach ⇓ "S228" verstärkend Himmelangst; jmdn. bis in den Himmel erhebenüber alles gewöhnliche Maß hinaus preisen‹ (s. unten verhimmeln). Sprichwörtlich (vgl. L019 Wilhelm Borchardt 223): der Himmel hängt ihm voller Geigen, er lügt das Blaue vom Himmel herunter, er ist wie vom Himmel gefallen(neben dem üblicheren aus den Wolken); Plural nach der altjüdischen, altgriechischen und danach mittelalterlichen Vorstellung mehrerer Himmel die Himmel erzählen die Ehre Gottes(Psalm 19,2); entzückt bis in den dritten Himmel (2.Korinther 12,2), danach wie sie [die Empfindungen] ihn eine Zeit lang in den dritten Himmel erhuben (A075 Johann Wolfgang von Goethe, Lehrjahre 23,264,13), ebenso
im siebten Himmel (der Liebe) sein (vgl. L059 DWb); auch sonst literarisch oft im Plural: Die Himmel, hat es sich herausgestellt, sind leer. Darüber ist ein fröhliches Gelächter entstanden (B.A025 Bertolt Brecht, Galilei 3,1234); dagegen neuer nach der verschiedenen Beschaffenheit der atmosphärischen Luft
2Himmelsstrich, Klima‹: unter einem andern, bessern Himmel;
3"S024" als ›Sitz der Gottheit‹ stellvertretend für diese der Segen, die Langmuth, der Zorn des Himmels; der Himmel sei uns gnädig, bewahre mich, sei mein Zeuge, weiß es, mag es wissen, dem Himmel sei Dank; beim Himmel, um Himmels willen; (o) (gütiger) Himmel! die Tat schreit zum Himmel; vgl. auch Himmelsgabe u.dgl., Himmelskönigin (Maria), HimmelsbrautNonne‹; weiter ›Aufenthalt der Seligen‹, dieser auch Himmelreich (biblisch, s. unten), dazu führt eine Himmelstür oder Himmelspforte, wozu Petrus den Himmelsschlüssel hat, wonach wieder eine Blume benannt ist (1517; L320 Trübner); daher leben (ein Leben) wie im Himmel, er hat den Himmel auf Erden, er glaubt sich im Himmel, gen Himmel fahrensterben‹ (↑ "sterben") nach Christi Himmelfahrt: Vnd es geschah da er sie segenet / schied er von jnen / vnd fuhr auff gen Himmel (A180 Martin Luther, Lukas 24,51), dazu Himmelfahrtskommando (s. unten), vgl. auch Zusammensetzungen wie Himmelslust, Himmelswonne, Himmelszelt (17. Jahrhundert; L059 DWbnach Psalm 104,2) und adjektivisch literarisch wie himmelfroh (G.A.Bürger, Goethe), himmelselig (G.A.Bürger), himmelschön (Goethe, Schiller), himmelvoll (Klopstock, Schiller); ⇓ "S007" mit dem Gegensatz ↑ "Hölle" formelhaft verbunden, Himmel und Hölle (›alles Mögliche‹) in Bewegung setzen. Übertragen Betthimmel (Himmelbett), Thronhimmel ("Baldachin").
Himmelfahrt ahd. himilfart, mhd. himelvart; ⇓ "S110"Auffahrt Christi gen Himmel‹, neun Tage vor Pfingsten; auf den Tag bezogen: auf himmelfahrt wollen wir verreisen (L059 DWb); dazu
Himmelfahrtskommando"S202" seit dem 1. Weltkrieg (L347 Helmut Wocke)
1"S136"militärisches Unternehmen, das äußerst risikoreich ist‹, auch übertragen Jede Talk-Show ist ein kleines Himmelfahrtskommando (L098 2GWb); zudem
2 handelndes Kollektiv schiitische Himmelfahrtskommandos (ebenda).
Himmelfahrtsnase (L337 WdG) umgangssprachlich ›Stupsnase‹;
Himmelreich ahd. himilrihhi, mhd. himelriche »Sitz Gottes und der Seligen« (L109 Moriz Heyne) Thut busse / das Himelreich ist nahe herbey kommen (A180 Martin Luther, Matthäus 3,2), übertragen des menschen wille ist sein himmelreich (Goethe; L059 DWb).
himmelschreiend 1691 ⇓ "S036" (vgl. 1.Mose 4,10) zu Himmel(3), »heute meist in Verbindung mit Unrecht, Ungerechtigkeit u.ä.« (L320 Trübner).
himmeln (17. Jahrhundert) zunächst
1sterben‹, bei A075 Johann Wolfgang von Goethe dagegen im eigentlichen Sinn Fische sie wimmeln da / Vögel sie himmeln da (Pandora 182); im 18. Jahrhundert übertragen
2schwärmerisch blicken‹ von den nach oben gerichteten Augen, dazu ↑ "anhimmeln"; verhimmeln (Anfang des 18. Jahrhunderts), zunächst ›verschönern‹: welche mein Leben verhimmelt(Wieland), nach 1900 umgangssprachlich ›anhimmeln‹;
himmlisch ahd. himilisc, ungewöhnlich mit Bezug auf die sinnliche Erscheinung des Himmels: die himmlischen Wolken (Goethe), der Wind, das himmlische Kind im Volksmärchen; zu Himmel(3): der himmlische Vater, die himmlischen Heerscharen, das himmlische Jerusalem, die himmlische Seligkeit, im Ausruf du himmlische Güte usw., Gegensatz ↑ "irdisch"; die himmlischen Mächte substantivisch die Himmlischen; danach himmlische Gestalt, Stimme, Empfindung, himmlisches Angesicht, Entzücken, himmlisch schön (Jean Paul) usw.; besonders in der Jugendsprache des 19. Jahrhunderts ⇓ "S229" hyperbolisierend gebraucht und abgeblaßt.
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