Hermann Paul - Deutsches Wörterbuch
Herz
germanisch, ahd. herza, mhd. herze, noch bei Heine Herze und in der Zusammensetzung Herzeleid (mhd. ), Genitiv frühneuhochdeutsch Herzens, älter Herzen, daher Zusammensetzungen wie Herzensbrecher, Herzensgrund, Herzenslust etc.;1im Brustkorb befindliches, den Blutkreislauf regelndes Organ‹, dessen Verletzung tödlich sein kann: wann daz herze wirt geseret (vgl. L190 Lexer), umschreibend
⊚⊚ ein Kind unter dem Herzen tragen (vgl. 2.Makkabäer 7,28) ›schwanger sein‹, beteuernd so lange mir das Herz im Leibe schlägt (L004 Johann Christoph Adelung) ›so lange ich lebe‹, von freudiger Erregung das Herz ihr höher schlug (Wieland; L264 Daniel Sanders), klopfend Herz vor Furcht und Angst(J.E.Schlegel; L004 Johann Christoph Adelung); auch im Sinne von »brust« (L037 Petrus Dasypodius), daher
Hand aufs Herz (18. Jahrhundert; L059 DWbs. v. Hand) als Aufforderung, ehrlich zu sein;
2 von jeher Sitz der Empfindungen und des Mutes, in zahlreichen Wendungen (mit den Präpositionen an, auf, in, mit, nach, über, um, von), vgl. L019 Wilhelm Borchardt 221f., z. B.
⊚⊚ etw. geht zu Herzen, bei L200 Josua Maaler noch für eine angenehme Empfindung, dann ›den Willen beeinflussen‹ (L004 Johann Christoph Adelung), sich ein Herz fassen (L200 Josua Maaler) ›sich mutig zu etwas entschließen‹, etwas nicht übers Herz bringen (Luther; L059 DWb) ›Empfindungen nicht überwinden können‹, Er hat kein Herz (L308 Kaspar Stieler) gleichbedeutend mit steinern Herz (ebenda): Das steinerne Herz 1956 von A.A228 Arno Schmidt, als mein Herz… kleiner, fester, härter wurde, ein schmerzender Stein, dem ich nichts mehr abpressen konnte(Ch.A284 Christa Wolf, Kassandra 27), sprichwörtlich wes das Herz voll ist, des geht der Mund über (vgl. Matthäus 12,34) ›wer voller Empfindungen ist, muß sie aussprechen‹, das Herz auf der Zunge tragenehrlich sein‹ (Luther, vgl. Prediger 21,29), umgangssprachlich einem rutscht das Herz in die Hose(17. Jahrhundert; L059 DWb), ein Herz und eine Seele mit jmdm. sein (A180 Martin Luther, Apostelgeschichte 4,32), die Sprache des Herzens »der Empfindungen« (L004 Johann Christoph Adelung), mit dem Herzen etwas tun »mit Übereinstimmung der Gedanken und Begierden« (ebenda), das Herz blutet »von einem hohen Grade der Wehmut, des Kummers« (ebenda), sein Herz an etwas/ jmdn. hängen»seine Begierden… auf dieselben richten« (ebenda), etwas auf dem Herzen haben »ein geheimes Anliegen« (ebenda), das Herz auf dem rechten Fleck haben vom Tapferen und warm Empfindenden (vgl. L059 DWb), jmdn. ins Herz schließen (L059 DWb) ›Zuneigung empfinden‹; personifiziert z. B. da lacht das Herz im Leibe(Grimmelshausen; L059 DWb), was das Herz begehrt (17. Jahrhundert; L059 DWb), in der Anrede mein Herz, Herzchen »Ausdruck der vertraulichen Zärtlichkeit« (L004 Johann Christoph Adelung), umgangssprachlich Herze (L320 Trübner), als Grundwort in sprechenden Namen: Eisenherz, Löwenherz (L308 Kaspar Stieler); ↑ "beherzigen" ("beherzt"); seit dem Frühneuhochdeutschen
3 das ›Innerste und Beste‹ (1534; L345 Friedrich Karl Ludwig Weigand/ L345 Herman Hirt): die beste Stadt aus Frankreichs Herzen (A222 Friedrich Schiller, Jungfrau 1,5), für die innersten, zartesten Blätter einer Pflanze: brich du einer Pflanze das Herz aus(Goethe), daher Herzblatt, übertragen für eine »zärtlich geliebte Person« (L004 Johann Christoph Adelung), ↑ "Blatt";
etwas auf Herz und Nieren (›gründlich‹) prüfen (A180 Martin Luther, vgl. Psalm 7,10);
4 Spielkarte nach franz. cœur, seit 1578 (L345 Friedrich Karl Ludwig Weigand/ L345 Herman Hirt).
Herzblut (mhd. ) übertragen »das Köstlichste« (L033 Joachim Heinrich Campe);
Herzbruder »ein geliebter Bruder«, »ein Herzensfreund« (L033 Joachim Heinrich Campe), in der Anrede synonym mit Bruderherz »eine Person, die man Bruder nennt« (ebenda), ebenso Herzensschwester/ Schwesterherz;
Herzschlag
1 Schlag des Herzens;
2plötzlicher Herzstillstand‹ (18. Jahrhundert L004 Johann Christoph Adelung, L033 Joachim Heinrich Campe).
Herzenslust (L308 Kaspar Stieler), formelhaft
nach Herzenslust (L059 DWb) ›wie man möchte‹;
herzhaft (mhd. )
1.1beherzt, mutig‹ (↑ "Mut") auch von Personen bis ins 19. Jahrhundert,
1.2 abgeschwächt ›kräftig, vehementauf den kranken fusz weniger herzhaft auftreten (Lessing; L059 DWb); herzhaft lachen;
2"S216" um 1800 übertragen auf eine kräftige (»sauer« L033 Joachim Heinrich Campe) Geschmacksempfindung;
herzen (1470; L345 Friedrich Karl Ludwig Weigand/ L345 Herman Hirt) (veraltet) ›ans Herz drücken‹, ›liebkosen‹, herzen und küssen (Luther; vgl. L059 DWb);
herzig (frühnhd.; L345 Friedrich Karl Ludwig Weigand/ L345 Herman Hirt), ursprünglich ⇓ "S212" süddeutsch, von Goethe nach Norddeutschland verbreitet: es konnte kaum ein herziger Närrchen sein (A075 Johann Wolfgang von Goethe, Faust I,2994), dazu gutherzig (L308 Kaspar Stieler), halbherzig »getheilten, schwankenden herzens« (L059 DWb), "offenherzig" (L284 Justus Georg Schottelius) »Gedanken und Empfindungen andern ohne Zurückhaltung entdeckend« (L004 Johann Christoph Adelung), »scherzhaft übertragen« (L264 Daniel Sanders) auf Einblicke gestattende Kleidung;
herzlich (mhd. ) ›von Herzen kommend‹ (bei Goethe auch ›herzbewegend‹), attributiv bei Glückwünschen – herzliche Glückwünsche (L264 Daniel Sanders) – und Schlußformeln in Briefen: herzliche Grüße (1919 S.Ettl, Anleitungen zu schriftlicher Kommunikation, 1984,143), besonders adverbial ›sehr‹: ein herzlich guter Mann (A075 Johann Wolfgang von Goethe, Faust I,3416), herzlich gern (mhd. ; vgl. L059 DWb), im Sinne von ›inständigjmdn. herzlich bitten, ironisch verstärkend neben Wörtern mit negativem Sinn herzlich sauer (Luther), dumm, schlecht, wenig.
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