Hermann Paul - Deutsches Wörterbuch
heißen
ahd. heizzan, mhd. heizen, germanisch; ursprüngliche Bedeutung wohl, so noch im Gotischen, ›mit Namen rufen‹. Daraus urgermanische Entwicklung zweier verschiedener Verwendungsweisen, eine dritte, gleichfalls urgermanisch, in ↑ "verheißen";1 synonym mit ↑ "nennen"; entweder mit Eigennamen neben dem Objekt: er hieß ihn Karl, biblisch des Namen sollstu Ismael heißen, oder mit Gattungsbegriffen, im Akkusativ: niemand kann Jesum einen Herrn heißen, daneben auch der Nominativ: Was heißt ihr mich aber Herr, Herr (Luther), mit Adjektiv Was heißest du mich gut?(Luther), man hieß ihn willkommen; ohne prädikative Bestimmung, wenn sich eine solche aus einer mit nachangeknüpften Bestimmung ergibt: man hieß ihn nach seinem Vater; im Sinne von ›anerkennen, daß etwas eine bestimmte Bezeichnung verdient‹: das heiße ich pünktlich sein; hierher "gutheißen"; dagegen im Unterschied zu "nennen" im Sinne von ›sein‹, im Urgermanischen passivisch, aber schon im Althochdeutschen ist diese Funktion von dem Aktiv mit übernommen, biblisch wie heißt sein Name?, Er hätte gerne gewußt, wie die… Pflanzen hießennicht, wie sie genannt wurden… denn er hatte… bemerkt, daß man manche Dinge richtig und manche falsch rief(A.A228 Arno Schmidt, Schwarze Spiegel 1.1,257), H.Lübbe, Sein und heißen in: W.Bergsdorf (Hg.), Wörter als Waffen. Sprache als Mittel der Politik. 1979; nicht allgemein üblich mit prädikativem Adjektiv: der schuldig hieß in jedem Munde (Grillparzer), transitive Verwendung entsprechend ›eine Bezeichnung verdienen‹, so häufig mit einem Infinitiv als Prädikat: das hieße die ganze Sache verderben (Goethe), auch mit Partizip heißt das nicht fix gearbeitet?(Wieland), das heißt als ein Mann von Ehre gesprochen(Schiller), dazu auch das will viel (wenig, etwas) heißen; verwandt damit was heißt das (soll das heißen)?, zur näheren Erläuterung das heißt, abgekürzt d. h., häufig knüpft es eine Einschränkung, eine Berichtigung an: ich komme morgen zu dir, d. h. wenn ich nicht selber Besuch bekomme; seit Ausgang des 17. Jahrhunderts es heißtes wird gesagt‹: Ich habe ja nicht gewußt, daß er keiner [kein Jude] ist, immer hat's geheißen, er sei einer (M.A064 Max Frisch, Andorra, 503), mit Aufforderungen: es heißt zu Pferde und zu Tische! Beides eine schöne Einladung (A075 Johann Wolfgang von Goethe, Triumph der Empfindsamkeit 1;17,14,24); gewöhnlich wird ein Infinitiv in aufforderndem Sinn angeknüpft: da heißt es schnell zugreifen.
2 heißen mit Objektsakkusativ und Infinitiv ›auffordern, befehlen‹ (ursprünglich wohl ›jmdn. anrufen, jmdn. zu etwas zu veranlassen‹). Von dem Infinitiv kann wieder ein Objekt abhängen: er hieß ihn den Korb nach Hause tragen, statt des Infinitivs ein Pronomen: ich habe dich's nicht geheißen, was ich ihn geheißen habe; zur Vermeidung des doppelten Akkusativs im 18. Jahrhundert in diesem Fall, und wenn noch ein Akkusativ von dem Infinitiv abhängig ist, auch Dativ statt Akkusativ der Person: wann hieß ich dir die Schrift an Burleigh geben? (Schiller) (↑ "lassen"); Infinitiv auch ohne einen von heißen abhängigen Akkusativ, wenn sich aus der Situation ergibt, an wen der Befehl gerichtet ist: er hieß anspannen; meist mit einem von dem Infinitiv abhängigen Akkusativ: er hieß Holz zusammentragen; statt des bloßen Infinitivs gebraucht A075 Johann Wolfgang von Goethe nicht selten den Infinitiv mit zu: das Vergangene heißt mit Vertrauen vorwärts zu schauen (1,107,6); frühneuhochdeutsch wird wie mittelhochdeutsch zuweilen ein Satz von heißen abhängig gemacht: Jesaia hieß, man sollte ein Pflaster von Feigen nehmen (Luther). ↑ "Geheiß".
Sie können einen Link zu dem Wort setzen

Ansicht: heißen