Hermann Paul - Deutsches Wörterbuch
Heim
gemeingermanisch, got. haims›Dorf‹ (verwandt griech. kóme ›Dorf‹), altengl. ham›Dorf, Haus‹, neuengl. home; ahd. / mhd. heim ›Wohnsitz, Haus‹. In Ortsnamen wie Hildesheim, Bergheim ist -heim (vgl. niederländ. -hem, engl. -ham) »über das gesamte deutsche Gebiet westlich der Elbe verbreitet« (A.Bach, Deutsche Namenkunde 2.2,327), besonders unter fränkischem Einfluß als Entsprechung zu lat. villa. Während die Adverbienheim ›nach Hause‹ und heime ›zu Hause‹ (erstarrter Akkusativ bzw. Dativ von Heim) seit dem Althochdeutschen in Gebrauch blieben, verschwand das Substantiv nach dem 16. Jahrhundert aus der Schriftsprache und wurde in der 2. Hälfte des 18. Jahrhunderts – wohl unter dem Einfluß von engl. home (vgl. ↑ "Elfe" und ↑ "Halle") – ⇓ "S148" literarisch wiederbelebt; üblich erst wieder seit dem 19. Jahrhundert. In heutiger Umgangssprache sind heim und "daheim" wesentlich ⇓ "S212" süddeutsch, norddeutsch dagegen nach Hause bzw. zu Hause (L066 Jürgen Eichhoff, Karte 29 u. 30) (↑ "Haus"). Manche Wortbildungen zu Heim/ heim sind schon althochdeutsch und haben eine eigene Bedeutungsentwicklung gehabt (s. unten). Heim ins Reich Parole des ⇓ "S145" Nationalsozialismus (seit 1938, sogenannte Sudetenkrise), die die Expansion des Deutschen Reiches propagierte (L014 Wolfgang Benz/ L014 Hermann Graml/ L014 Hermann Weiß 503). Vgl. weiter ⇑ "anheimeln", "einheimsen", "geheim".
Heimat (ahd. heimoti, mhd. heimüete) mit -at seit dem 15. Jahrhundert (↑ "Monat"), in der Zeit der Kleinstaaterei auch soviel wie ↑ "Vaterland", im 19./ 20. Jahrhundert ähnlich emotional und ideologisch beladen, im Krieg Gegensatz zu ↑ "Front"; ⇓ "S144" nach 1945 häufig Wendungen wie alte Heimat, neue Heimat; verlorene Heimat, zweite Heimat, Zusammensetzungen wie Heimatrecht, Heimatlose (Pl. ) (K.Böke u. a., Politische Leitvokabeln in der Adenauer-Ära, 1996,192ff. u.ö.); vgl. J.Bolten: Heimatim Aufwind, in: H.G.Pott (Hg.), Literatur in der Provinz, 1986; A.Bastian, Der Heimat-Begriff, 1995; Heimatkunst um 1896 als ⇓ "S192" Schlagwort gegen die Großstadtliteratur (L181 Otto Ladendorf), weiter Heimatdichter, Heimatforscher, Heimatliebe usw.; vgl. S.Lenz, Heimatmuseum (1978);
Heimatschuß ⇓ "S202" seit dem 1. Weltkrieg ›Verwundung, die eine Überführung in die Heimat notwendig macht‹, auch Heimatschüßle (M.Fritz, Schwäbische Soldatensprache im Weltkrieg. o. J., 43), auch Urlaubsschüßle (ebenda, 86);
heimatvertrieben ⇓ "S144" nach 1945 (gebucht L056 Duden 151961) mit Bezug auf die Flüchtlinge aus den Gebieten jenseits von Oder und Neiße, konnotativ aufgeladenes Adjektiv, auch Substantiv Plural Heimatvertriebene (gebucht 15 L056 Duden 1961), dazu die kurzlebige politische Partei der BRD: ⇓ "S094" BHE Block der Heimatvertriebenen und Entrechteten, ↑ "Vertriebene".
Heimchen ›Hausgrille‹, ahd. heimo und muhheimo, letzteres umgestellt heimamuch um 1400 (L360 ZDW5,10), L037 Petrus Dasypodius 1536,474 Heymenmuch, L317 Teuthonista 1477 heymken, mittelniederdt. heinmeke (L360 ZDW14,156); die Wortform also wohl aus dem Niederländischen/ Niederdeutschen; L003 Johann Christoph Adelung 1775 Heime, auch »häufiger« Heimchen; übertragen umgangssprachlich Heimchen am Herd ›Hausfrau‹.
heimführen (die Braut) L200 Josua Maaler 1561;
heimgehen übertragen ›sterben‹ (Goethe; L059 DWb), älter heimfahren: wenn wir heimgehen aus diesem Elende(Kirchenlied Luthers), ↑ "sterben".
heimisch schon althochdeutsch, verdeutlicht ↑ "einheimisch", ferner ↑ "einheimsen". jmdm.
heimleuchten wörtlich 1591 (L164 Friedrich Kluge), übertragen ›heimprügeln‹ J. L.L078 Johann Leonhard Frisch 1741, heute umgangssprachlich soviel wie
heimzahlen ›(Übles) mit Üblem vergelten‹, das die übertragene Bedeutung im 19. Jahrhundert erhielt (L264 Daniel Sanders).
heimlich (ahd. )
1 (veraltet) ›zum Hause gehörig‹, daher ›vertraut‹, so noch A075 Johann Wolfgang von Goethe, Werther 19,16,23 so vertraulich, so heimlich hab' ich nicht leicht ein Plätzchen gefunden; heimliche Thiere ›Haustiere‹ (L004 Johann Christoph Adelung); in diesem Sinne heute heimelig, anheimelnd (↑ "anheimeln"), Gegensatz ↑ "unheimlich"; seit dem 12. Jahrhundert entsprechend lat. secretus
2 ›(vor Fremden) verborgen, geheim‹ (heimlich gemach frühnhd. ›Abort‹ 1515 Eulenspiegel, L320 Trübner; heimliche Liebe L308 Kaspar Stieler); vor dem heimlichen Gericht (H.v.A160 Heinrich von Kleist, Käthchen 1,2). Anders als mit "geheim" wird mit heimlich (nicht prädikativ) vielfach die Vorstellung des Unerlaubten, Ungehörigen verbunden, vgl. Heimlichtuerei, auch
klammheimlich (um 1900; L177 Heinz Küpper), umgangssprachlich Scherzbildung aus lat. clam›heimlich‹ und heimlich; zu (2) Heimlichkeit, verheimlichen ›verschweigen‹ (Wieland).
Heimstätte (L264 Daniel Sanders) ›wo jmd. bzw. etwas heimisch ist‹, schon L264 Daniel Sanders übertragen: Heimstätte römischer Gesittung; die universität, eine heimstätte wahrer bildung (L059 DWb1877), dafür auch
Heimstatt (L264 Daniel Sanders), »gehoben« (L098 2GWb).
heimsuchen mhd. heime suochen
1 (veraltet) ›daheim (auf)suchen, besuchen‹, rechtssprachlich seit dem 14. Jahrhundert für ⇓ "S181" gerichtliches (wie Haussuchung) oder gewalttätiges Aufsuchen (wie Hausfriedensbruch);
2 bei Luther sehr oft für Gottes Eingreifen, gnädig oder strafend, in das menschliche Geschick; als Objekt kann auch das Vergehen stehen: der da heimsucht der veter missethat an den kindern (Luther; L059 DWb). Dieser religiös geprägte Gebrauch noch heute, wobei hinter den Krankheiten usw., von denen man heimgesucht wird, Gottes Wirken gedacht ist; zu (2)
Heimsuchung, im alten Sinne (1) noch Mariä Heimsuchung, katholischer Festtag.
Heimtücke, Sachs heimliche bzw. heimische (↑ "hämisch") dück; Heimtücke (Klopstock, L004 Johann Christoph Adelung); älter
heimtückisch ›hinterhältig, bösartig‹ 1575 Fischart heimdückisch (L345 Friedrich Karl Ludwig Weigand/ L345 Herman Hirt), bei Lessing in Anlehnung an "hämisch" wiederholt hämtückisch (L059 DWb).
Heimweh erscheint zuerst 1569 bei dem ⇓ "S195" Schweizer Ludwig Pfyffer, 1592 bei Samuel Haber in seiner gründlichen Antwort auf den unwahrhaftigen Gegenbericht etlicher Schweizer Theologen, 1663 bei L284 Justus Georg Schottelius (636) und dann zusammen mit seiner neugriechisch-lateinischen Lehnübersetzung (↑ "Nostalgie") 1688 in der Baseler medizinischen Dissertation de Nostalgia oder Heimwehe von Joh. Hofer (der gewöhnlich als Verfasser angegebene Joh. Jak. Harder ist der Doktorvater). Es ist ursprünglich schweizerisch und für Schiller noch medizinischer Fachausdruck, den er im Tell vermeidet (2,1 Und dieses Herdenreihens Melodie… Mit Schmerzenssehnsucht wird sie dich ergreifen), aber in seiner medizinischen Abhandlung »Über den Zusammenhang der tierischen Natur des Menschen mit seiner geistigen« §13 gebraucht. Zur Tellstelle A075 Johann Wolfgang von Goethe, Brief vom 13.1.04 der Schweizer fühlt (nicht) das Heimwehe. Gebucht bei L305 Christoph Ernst Steinbach 1734, wie heute 1774 J.M.R.A174 Jakob Michael Reinhold Lenz, Hofmeister 2,3. Engl. home-sickness (1760) ist Lehnübersetzung von Heimweh. Literatur: F.Kluge, Heimweh, in: L360 ZDW2,234ff.; E.Borst, Heimweh, in: L360 ZDW11,27ff.; F.Ernst, Vom Heimweh, 1949.
Heimat (ahd. heimoti, mhd. heimüete) mit -at seit dem 15. Jahrhundert (↑ "Monat"), in der Zeit der Kleinstaaterei auch soviel wie ↑ "Vaterland", im 19./ 20. Jahrhundert ähnlich emotional und ideologisch beladen, im Krieg Gegensatz zu ↑ "Front"; ⇓ "S144" nach 1945 häufig Wendungen wie alte Heimat, neue Heimat; verlorene Heimat, zweite Heimat, Zusammensetzungen wie Heimatrecht, Heimatlose (Pl. ) (K.Böke u. a., Politische Leitvokabeln in der Adenauer-Ära, 1996,192ff. u.ö.); vgl. J.Bolten: Heimatim Aufwind, in: H.G.Pott (Hg.), Literatur in der Provinz, 1986; A.Bastian, Der Heimat-Begriff, 1995; Heimatkunst um 1896 als ⇓ "S192" Schlagwort gegen die Großstadtliteratur (L181 Otto Ladendorf), weiter Heimatdichter, Heimatforscher, Heimatliebe usw.; vgl. S.Lenz, Heimatmuseum (1978);
Heimatschuß ⇓ "S202" seit dem 1. Weltkrieg ›Verwundung, die eine Überführung in die Heimat notwendig macht‹, auch Heimatschüßle (M.Fritz, Schwäbische Soldatensprache im Weltkrieg. o. J., 43), auch Urlaubsschüßle (ebenda, 86);
heimatvertrieben ⇓ "S144" nach 1945 (gebucht L056 Duden 151961) mit Bezug auf die Flüchtlinge aus den Gebieten jenseits von Oder und Neiße, konnotativ aufgeladenes Adjektiv, auch Substantiv Plural Heimatvertriebene (gebucht 15 L056 Duden 1961), dazu die kurzlebige politische Partei der BRD: ⇓ "S094" BHE Block der Heimatvertriebenen und Entrechteten, ↑ "Vertriebene".
Heimchen ›Hausgrille‹, ahd. heimo und muhheimo, letzteres umgestellt heimamuch um 1400 (L360 ZDW5,10), L037 Petrus Dasypodius 1536,474 Heymenmuch, L317 Teuthonista 1477 heymken, mittelniederdt. heinmeke (L360 ZDW14,156); die Wortform also wohl aus dem Niederländischen/ Niederdeutschen; L003 Johann Christoph Adelung 1775 Heime, auch »häufiger« Heimchen; übertragen umgangssprachlich Heimchen am Herd ›Hausfrau‹.
heimführen (die Braut) L200 Josua Maaler 1561;
heimgehen übertragen ›sterben‹ (Goethe; L059 DWb), älter heimfahren: wenn wir heimgehen aus diesem Elende(Kirchenlied Luthers), ↑ "sterben".
heimisch schon althochdeutsch, verdeutlicht ↑ "einheimisch", ferner ↑ "einheimsen". jmdm.
heimleuchten wörtlich 1591 (L164 Friedrich Kluge), übertragen ›heimprügeln‹ J. L.L078 Johann Leonhard Frisch 1741, heute umgangssprachlich soviel wie
heimzahlen ›(Übles) mit Üblem vergelten‹, das die übertragene Bedeutung im 19. Jahrhundert erhielt (L264 Daniel Sanders).
heimlich (ahd. )
1 (veraltet) ›zum Hause gehörig‹, daher ›vertraut‹, so noch A075 Johann Wolfgang von Goethe, Werther 19,16,23 so vertraulich, so heimlich hab' ich nicht leicht ein Plätzchen gefunden; heimliche Thiere ›Haustiere‹ (L004 Johann Christoph Adelung); in diesem Sinne heute heimelig, anheimelnd (↑ "anheimeln"), Gegensatz ↑ "unheimlich"; seit dem 12. Jahrhundert entsprechend lat. secretus
2 ›(vor Fremden) verborgen, geheim‹ (heimlich gemach frühnhd. ›Abort‹ 1515 Eulenspiegel, L320 Trübner; heimliche Liebe L308 Kaspar Stieler); vor dem heimlichen Gericht (H.v.A160 Heinrich von Kleist, Käthchen 1,2). Anders als mit "geheim" wird mit heimlich (nicht prädikativ) vielfach die Vorstellung des Unerlaubten, Ungehörigen verbunden, vgl. Heimlichtuerei, auch
klammheimlich (um 1900; L177 Heinz Küpper), umgangssprachlich Scherzbildung aus lat. clam›heimlich‹ und heimlich; zu (2) Heimlichkeit, verheimlichen ›verschweigen‹ (Wieland).
Heimstätte (L264 Daniel Sanders) ›wo jmd. bzw. etwas heimisch ist‹, schon L264 Daniel Sanders übertragen: Heimstätte römischer Gesittung; die universität, eine heimstätte wahrer bildung (L059 DWb1877), dafür auch
Heimstatt (L264 Daniel Sanders), »gehoben« (L098 2GWb).
heimsuchen mhd. heime suochen
1 (veraltet) ›daheim (auf)suchen, besuchen‹, rechtssprachlich seit dem 14. Jahrhundert für ⇓ "S181" gerichtliches (wie Haussuchung) oder gewalttätiges Aufsuchen (wie Hausfriedensbruch);
2 bei Luther sehr oft für Gottes Eingreifen, gnädig oder strafend, in das menschliche Geschick; als Objekt kann auch das Vergehen stehen: der da heimsucht der veter missethat an den kindern (Luther; L059 DWb). Dieser religiös geprägte Gebrauch noch heute, wobei hinter den Krankheiten usw., von denen man heimgesucht wird, Gottes Wirken gedacht ist; zu (2)
Heimsuchung, im alten Sinne (1) noch Mariä Heimsuchung, katholischer Festtag.
Heimtücke, Sachs heimliche bzw. heimische (↑ "hämisch") dück; Heimtücke (Klopstock, L004 Johann Christoph Adelung); älter
heimtückisch ›hinterhältig, bösartig‹ 1575 Fischart heimdückisch (L345 Friedrich Karl Ludwig Weigand/ L345 Herman Hirt), bei Lessing in Anlehnung an "hämisch" wiederholt hämtückisch (L059 DWb).
Heimweh erscheint zuerst 1569 bei dem ⇓ "S195" Schweizer Ludwig Pfyffer, 1592 bei Samuel Haber in seiner gründlichen Antwort auf den unwahrhaftigen Gegenbericht etlicher Schweizer Theologen, 1663 bei L284 Justus Georg Schottelius (636) und dann zusammen mit seiner neugriechisch-lateinischen Lehnübersetzung (↑ "Nostalgie") 1688 in der Baseler medizinischen Dissertation de Nostalgia oder Heimwehe von Joh. Hofer (der gewöhnlich als Verfasser angegebene Joh. Jak. Harder ist der Doktorvater). Es ist ursprünglich schweizerisch und für Schiller noch medizinischer Fachausdruck, den er im Tell vermeidet (2,1 Und dieses Herdenreihens Melodie… Mit Schmerzenssehnsucht wird sie dich ergreifen), aber in seiner medizinischen Abhandlung »Über den Zusammenhang der tierischen Natur des Menschen mit seiner geistigen« §13 gebraucht. Zur Tellstelle A075 Johann Wolfgang von Goethe, Brief vom 13.1.04 der Schweizer fühlt (nicht) das Heimwehe. Gebucht bei L305 Christoph Ernst Steinbach 1734, wie heute 1774 J.M.R.A174 Jakob Michael Reinhold Lenz, Hofmeister 2,3. Engl. home-sickness (1760) ist Lehnübersetzung von Heimweh. Literatur: F.Kluge, Heimweh, in: L360 ZDW2,234ff.; E.Borst, Heimweh, in: L360 ZDW11,27ff.; F.Ernst, Vom Heimweh, 1949.