Hermann Paul - Deutsches Wörterbuch
Haupt
ahd. houbit, mhd. houbet, gemeingermanisch, got. haubiþ, engl. head; urverwandt wohl lat. caput. Mitteldeutsch lautete das Wort mit Umlaut Heupt(Heubt), welche Form auch Luther anfangs gebraucht; sie ist im 17. Jahrhundert aus der Schriftsprache geschwunden bis auf zu Häupten (s. unten), eine Form, die auch dadurch noch abweicht, daß sich in ihr die ältere einfachere Pluralbildung erhalten hat, während sonst die jüngere mit -er durchgedrungen ist.1 Haupt"S218" ist in seiner Anwendung inzwischen sehr durch ↑ "Kopf" eingeschränkt, doch im Süden nicht ganz so wie im Norden. ⇓ "S028" Noch in feierlicher, ⇓ "S015" archaisierender Rede. Formelhaft aufs Haupt schlagenbesiegen‹ (veraltet); zu Häupten, wobei der auffallende Plural wohl durch das Muster von zu Füßenveranlaßt ist, auch zu seinen/ ihren Häupten; ungewöhnlich zu Haupten (Goethe), zu Haupt (Uhland); bei Luther auch von deinen Häupten; danach Goethe sie zieht einen Dolch von Häupten. Es war üblich, Menschen und Tiere nach Häuptern zu zählen (vgl. Kopfzahl, so noch er zählt die Häupter seiner Lieben (A222 Friedrich Schiller, Glocke). Graues/ gekröntes/ bemoostes Haupt stehen stellvertretend für die ganze Person. Nach der Ähnlichkeit wird es ⇓ "S212" süddeutsch gebraucht in Kohlhaupt, Krauthaupt wie -kopf. Seit dem Frühneuhochdeutschen
2jmd. an der Spitze, Anführer, VorsteherHaupt der Familie/ der Stadt/ des Landes; "Oberhaupt"; lebendiger ist das Bild noch, wenn Hauptund Glieder nebeneinander gestellt werden: Reformation des Reiches/ der Kirche an Haupt und Gliedern. Luther gebraucht Haupt auch im Sinne von ›Hauptort‹. In Zusammensetzungen bezeichnet Haupt- das Bedeutendste in seiner Art (Gegensatz ↑ {{link}}Neben{{/link}}-): Hauptsache (s. unten), Hauptstadt (der DDR), Hauptaltar, Hauptbuch, Hauptwache, Hauptwort (s. unten) usw.; zuweilen umgangssprachlich nur etwas besonders Hervorragendes, auch mit ironischer Färbung: ein Hauptspaß/ Hauptkerl. Dazu ⇑ "überhaupt", "behaupten". G.Augst, Haupt und Kopf. Eine Wortgeschichte bis 1550, Diss. Mainz 1970.
Häuptling (L284 Justus Georg Schottelius 1663, 371 Haubtling[Familien-]Oberhaupt‹) ist in seiner Bedeutung spezialisiert, indem es seit Coopers Indianererzählungen (um 1825) nur noch für das Oberhaupt eines wilden oder halbwilden Stammes gebraucht wird.
Hauptmann ist ursprünglich überhaupt der Oberste, der Leiter einer Gemeinschaft; so noch Luther. Später ⇓ "S029" verengt zur Bezeichnung bestimmter Ämter. Im ⇓ "S136" militärischen Sinn bezeichnete es früher auch den Oberbefehlshaber, genauer Feldhauptmann, daneben aber auch den Anführer einer Abteilung, daraus die heutige Bedeutung. Anstelle des früheren ↑ "Kapitän" wird es 1842 im preußischen Heer eingeführt (L360 ZDW 1,76). Auch für Zivilbeamte wird es verwendet, so z. B. Amtshauptmann, Berghauptmann, Bezirkshauptmann, Bürgerhauptmann, Deichhauptmann, Landeshauptmann, Schiffshauptmann, Stadthauptmann usw. (im ganzen rund 70 Zusammensetzungen; vgl. L046 DRWb).  
Hauptsache ursprünglich (frühnhd.) Rechtswort (↑ "Sache"), heute ›das Wichtigste‹.
Hauptschule bei L308 Kaspar Stieler 1691, Spalte 1722 »Haubtschule/ [schola] superior, principalis« im Unterschied zur »Gemeinschule/ schola trivialis«; noch L033 Joachim Heinrich Campe 1808: »die vornehmste, größte Schule in einer Gegend (Centralschule)«; »gymnasium« (L059 DWb). Danach eine »im Rahmen der Volksschuloberstufe bestehende Schulform der Ostmark… umfaßt das 5. bis 8. Schuljahr« (W.Hehlmann, Pädagogisches Wörterbuch. 1941, 157). Im Nationalsozialismus seit 1941 »Pflicht- und 'Ausleseschule'« (L362 Christian Zentner/ L362 Friedemann Bedürftig 1985, 240), die neben der Volksschule bestehen und »eine 'nationalsozialistische Berufshaltung' vorbereiten« sollte (ebenda); nach 1945 wird Hauptschule zunächst synonym mit Volksschuloberstufe gebraucht, dann synonym mit "Volksschule"; seit 1959 weiterführende Schulform neben "Realschule" und "Gymnasium".
Hauptstückwesentlicher Bestandteil einer Sache, Hauptabschnitt einer Schrift‹, z. B. zerfällt der kleine Lutherische Katechismus in fünf Hauptstücke.
HauptwortSubstantiv‹ ⇓ "S208" 1682 Morhof, von Gottsched um 1750 durchgesetzt; älter "Nennwort".
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