Hermann Paul - Deutsches Wörterbuch
halten
gemeingermanisch (got. haldan›hüten, weiden‹, engl. hold, urverwandt griech. kéllein ›treiben‹), ahd. haltan. Die Hauptbedeutung ist heute ›(mit der Hand) festhalten‹ (s. unten [4]). In Wirklichkeit ist sie aber erst sekundär, in der neueren Zeit dadurch noch mehr in den Vordergrund getreten, daß ↑ "haben", welches in dieser Funktion mit halten konkurrierte, sie so gut wie ganz an dieses abgegeben hat.1 Die ursprüngliche Bedeutung scheint ›hüten, beobachten (des Viehs)‹ gewesen zu sein (so im Gotischen, s. oben); sie lebt in bairischen Mundarten fort. Dazu Halter ›Hirt‹ (öfter bei Raimund). In der neuhochdeutschen Schriftssprache stehen (1) am nächsten einige Fügungen mit Präpositionen ohne Objektsakkusativ. Mit ob: meine Hand soll ob dir halten, bis ich vorüber gehe (Luther); mit über und Akkusativ oder Dativ: die über den Artikel der Ehre noch weit wachsamer zu halten pflegt(Schiller); mein Etat, über den ich halten muß (A075 Johann Wolfgang von Goethe, Brief vom 31.1.81); halte aber auch auf das festeste über meinem Plane(Goethe); hielt er standhaft über den Vorrechten seines Stuhles (Schiller); in manchen Fällen ist es zweifelhaft, ob Dativ oder Akkusativ anzunehmen ist: sollst halten über Ehr und Recht(A075 Johann Wolfgang von Goethe, Hans Sachsens poetische Sendung 47), vgl. auch haltet darüber, daß weder sie noch ich Schaden leiden (Schiller); auf einen halten ›ihn beobachten‹: man hielt auf mich, und wartete nur, ob ich mich weigern würde (Nicolai); üblich ist jetzt auf etwas halten ›sich bemühen, daß es zur Geltung kommt‹ (früher auch mit Dativ: der junge Mann hält nicht nur auf einer besonderen Methode A075 Johann Wolfgang von Goethe, 47,139, ferner Brief vom 12.12.04), welche Wendung aber mit Bedeutung (4) in Verbindung steht.
2 Aus der Bedeutung ›achten auf etwas‹ entwickelt sich ›erfüllen, ausführen‹, vgl. Gebote, Gesetze, Gebräuche, Versprechen, sein Wort, einen Eid, Treu' und Glauben, Frieden halten. Nahe stehen diesen Takt, Maß, Ordnung, auch Schritt mit jmdm. halten; veraltet ein Fest, Ostern halten. ⇓ "S073" In anderen Verbindungen ist die Bedeutung von halten schwächer; sie ist einem dem Substantiv entsprechenden Verb gleichwertig: Sitzung, Rat, Gericht, Morgenandacht, Hochzeit, Mahlzeit, ein Schläfchen, Rast, Wache, eine Rede, Vorlesung halten, ferner "standhalten".
3 Die Vorstellung des Beaufsichtigens, Leitens liegt den Verbindungen Schule, Kirche halten zugrunde, vgl. auch "haushalten", "Buchhalter". Daraus entwickelt sich ferner der Sinn ›auf eigene Kosten zu seiner Verfügung haben‹; vgl. Dienstboten, Pferde, ein Schiff, einen Wagen, auch eine Zeitung halten. Ferner ›vorrätig haben‹: Waren (auf Lager), ein Warenlager halten.
4 Aus der Vorstellung, etwas zu beaufsichtigen und in seiner Gewalt zu haben, ist dann auch die heute üblichste Bedeutung ›mit physischer Kraft festhalten‹ entstanden, von wo aus wieder Übertragung auf abstrakte Bereiche stattgefunden hat. Das Halten kann dann ein Stützen sein, wodurch das Umfallen, Niederfallen verhindert wird, sei es im Interesse des Gehaltenen oder des Haltenden; hierher z. B. eine Festung halten, das Feld halten (bei Schiller ›behaupten‹), einen halten, dessen Stellung als Beamter, dessen Kredit erschüttert ist u.dgl.; sehr üblich war früher ein Spiel, etwas im Spiel Eingesetztes halten, noch bei A075 Johann Wolfgang von Goethe komm doch, Crugantino, halt eins (Claudine 2; 38,132,9); daher
⊚⊚ es mit jmdm. halten ›auf seiner Seite stehen‹, vielleicht auch viel, wenig, große Stücke auf jmdn. halten (also eigentlich ›solches Zutrauen zu jmdm. haben, daß man viel auf ihn setzt, viel mit ihm riskiert‹). In anderen Fällen tritt das Hemmen der freien Bewegung in den Vordergrund: ich halte Puls und Odem (A075 Johann Wolfgang von Goethe,16,349) (jetzt "anhalten"); länger hält die Mutter nicht das Zürnen (Goethe) (›hält zurück‹); aber die Armen, sie hält strenge des Orkus Gewalt (A075 Johann Wolfgang von Goethe, Römische Elegien I,10); ich kann ihn nicht halten; er läßt sich nicht länger halten; den Mund, das Maul halten; das Wasser (den Urin) halten; mich hält nichts mehr; es hielt ihn nicht länger. Auch den Sinn ›bewahren, nicht verlieren‹ kann halten bekommen: die Kohlen halten das Feuer lange; Farbe halten übertragen ›treu bleiben‹. Näher bestimmt werden kann halten durch Adverbien in Wendungen wie jmdn. gut, schlecht, streng, knapp halten. Hiervon zu unterscheiden ist die Bestimmung durch ein prädikatives Adjektiv, welches sich nicht auf das Verb, sondern auf das Objekt bezieht, vgl. steifhalten, schiefhalten, festhalten, bereithalten, sauberhalten, frischhalten, warmhalten, fernhalten, kurzhalten, freihalten, gefangenhalten usw. Häufig sind ferner Verbindungen mit lokalen Präpositionen. Diejenigen, die Dativ und Akkusativ neben sich haben können, erscheinen dabei mit beiden, indem haltenbald als das Bringen in eine Lage, bald als das Erhalten in einer Lage aufgefaßt wird, vgl. über die bzw. über der Taufe halten; du hältst deine Hand über mir (Luther); ich hielt mich tapfer an die Arbeit(Goethe); heute Akkusativ in daß wir uns an denen halten müssen (Herder); gegeneinanderhalten ›vergleichen‹. Ich halte es damit so, wie willst du es damit gehalten wissen? Nicht mehr üblich ist halten zu ›in eine bestimmte Richtung bringen, anhalten zu‹: du sollst deine Tochter nicht zur Hurerei halten (Luther); wohl aber noch das Partizipialadjektiv "gehalten" mit Infinitiv ›verbunden, verpflichtet‹. Die präpositionalen Bestimmungen erscheinen vielfach als das eigentlich logische Prädikat, dem sich das in der Bedeutung abgeschwächte Verb unterordnet: in Gewahrsam, in Bereitschaft, in Ordnung, in Ehren, bei guter Laune halten.
5 Bei reflexivem halten sind folgende Besonderheiten hervorzuheben: sich halten ›seinen Platz behaupten, den Angriffen Widerstand leisten‹ (eine Festung hält sich), ›verderblichen Einflüssen nicht unterliegen‹ (Fleisch hält sich), überhaupt ›in dem bestehenden Zustande verharren‹ (das Wetter hält sich); ferner ›seine Empfindungen zurückhalten‹, besonders in sich nicht halten können. Sich gerade, gut, schlecht halten usw. von der Körperhaltung. Veraltet ist sich so oder so halten ›verhalten‹, vgl. hält sichs doch also auch in den Dingen (A180 Martin Luther, 1.Korinther 14,7). Wie heutiges sich "aufhalten" in Mose floh von Pharao und hielt sich im Lande Midian (Luther); als er hier nur einen Tag sich hielt(Goethe). Mit Richtungsbezeichnungen: sich rechts, links halten; in uneigentlichem Sinn sich zu einer Partei halten, sich dazu halten (›sich eifrig bemühen, beeilen‹). Sich halten an ›sich auf etwas stützen, nach etwas richten‹, im rechtlichen Sinn ›sich mit seinen Ansprüchen an jmdn. wenden‹.
6 Intransitiv ist halten vielfach dadurch geworden, daß das Objekt aus dem Zusammenhang verstanden wurde. Von dem Schiffer sagt man, er hält nach Süden (das Schiff). Alt ist halten vom Reiter gebraucht, z. B. das Roß halten wie haltmachen. Danach sagt man auch der Wagen hält; ein Heer hält, daher der Kommandoruf "halt", auch als Zuruf im allgemeineren Sinn von innehalten (↑ "einhalten"), womit der Sprecher um einen Moment Ruhe bittet und zugleich das Rederecht an sich zieht: halt! jetzt fällt mir etwas ein(C.F.Bahrdt, Erziehungsplan 1776, 179). Bei Lessing öfter uneigentliche Verwendung wie der Satz, bei welchem wir halten. Vgl. ferner
⊚ hinter dem Berge mit etwas halten ›nicht damit hervorkommen, es geheimhalten‹. Auf anderer Ergänzung beruht wohl stillhalten in dem Sinn ›sich nicht rühren, etwas ruhig über sich ergehen lassen‹. Desgleichen an sich halten ›seine Erregung nicht ausbrechen lassen‹. Von Gerätschaften, Kleidern usw. gebraucht, bedeutet halten ›ganz bleiben‹, eigentlich wohl ›etwas zu halten, auszuhalten imstande sein‹. Damit zu vergleichen sind die transitiven Wendungen
⊚⊚ Stich halten (eigentlich von Gewandstoffen ›noch brauchbar sein zum Zusammennähen‹); umgangssprachlich was das Zeug hält ›so sehr wie möglich‹. Als von hier aus übertragen sind wohl auch Wendungen aufzufassen wie es sind auch etliche Tischfreunde und halten nicht in der Not (Luther); wir wollen halten und dauern (A075 Johann Wolfgang von Goethe, Hermann und Dorothea 50,267,300). Bei festhalten anmag die Hand hinzuzudenken sein.
7 Eine Bedeutung endlich, die halten auch von "haben" übernommen hat, ist ›für etwas ansehen, schätzen, meinen‹. Am gewöhnlichsten jmdn. für einen Freund, für aufrichtig halten usw.; früher auch ohne für zumeist mit einfachem Adjektiv: ich hab' ihn tot gehalten (Klopstock); ich hielt mich einst unfähig(Wieland); du hältst unmöglich, was dir Mühe kostet (A075 Johann Wolfgang von Goethe, Iphigenie 1459); Ich würde… Anordnung und Ausführung höchst glücklich halten (A075 Johann Wolfgang von Goethe, Brief vom 24.12.25). Verbindungen mit zu:
⊚⊚ jmdm. etwas zugute halten, im 18. Jahrhundert zu Gnaden halten; jmdn. zum besten (›zum Narren‹) halten, bei L004 Johann Christoph Adelung noch … haben. Frühneuhochdeutsch ist halten mit einfachem Akkusativ ›annehmen, glauben‹; noch jetzt was hältst du davon; ich halte etwas, viel, wenig davon, von ihm (sich mit halten[4]auf berührend). Statt des Akkusativs konnte ein abhängiger Satz stehen, vgl. ich halte wohl, daß mancher meinen wird (C.Weise); mit vorausnehmendem Pronomen so halten wir es nun, daß der Mensch gerecht werde ohne des Gesetzes Werke(Luther). Unterschieden davon ist heutiges ich halte dafür, daß, wo durch den abhängigen Satz das dafür erläutert wird, das mit dem oben erwähnten für einen Freund parallel steht, und wo kein Objekt ausgedrückt ist. – ⇑ "abhalten", "anhalten", "aufhalten", "aushalten", "behalten", "einhalten", "enthalten", "erhalten", "herhalten", "hinhalten", "mithalten", "unterhalten", "verhalten", "vorhalten", "vorbehalten"; "Aufenthalt", "Gehalt", "Haushalt", "Hinterhalt", "Inhalt", "Rückhalt"; "nachhaltig", "stichhaltig"; "ungehalten", "Zuhälter".
Halt Mask. (frühnhd.), zuerst ›Hinterhalt‹ (veraltet), bei Opitz
1 ›Stillstand‹, bei L308 Kaspar Stieler
2 ›Stütze‹; zu halten(2)
haltlos (L033 Joachim Heinrich Campe), inzwischen auch wie "unhaltbar" ›unbegründet‹.
-haltig ›enthaltend‹ in Zusammensetzungen mit Stoffbezeichnungen nach einer frühneuhochdeutschen Bedeutung von halten ›enthalten, umfassen‹, z. B. eisenhaltig, fetthaltig.
Haltung (mhd. ) frühneuhochdeutsch oft nach halten(2) ›Einhaltung‹ haltung des gesetzes (Melanchthon; L059 DWb), heute v. a. bezogen auf geistige oder charakterliche Eigenschaften Humor ist eine natürliche Gabe und eine unbewußte Haltung(H.Kant; L337 WdG), auch körperlich in strammer Haltung; zu halten(1) in Tierhaltung usw.
2 Aus der Bedeutung ›achten auf etwas‹ entwickelt sich ›erfüllen, ausführen‹, vgl. Gebote, Gesetze, Gebräuche, Versprechen, sein Wort, einen Eid, Treu' und Glauben, Frieden halten. Nahe stehen diesen Takt, Maß, Ordnung, auch Schritt mit jmdm. halten; veraltet ein Fest, Ostern halten. ⇓ "S073" In anderen Verbindungen ist die Bedeutung von halten schwächer; sie ist einem dem Substantiv entsprechenden Verb gleichwertig: Sitzung, Rat, Gericht, Morgenandacht, Hochzeit, Mahlzeit, ein Schläfchen, Rast, Wache, eine Rede, Vorlesung halten, ferner "standhalten".
3 Die Vorstellung des Beaufsichtigens, Leitens liegt den Verbindungen Schule, Kirche halten zugrunde, vgl. auch "haushalten", "Buchhalter". Daraus entwickelt sich ferner der Sinn ›auf eigene Kosten zu seiner Verfügung haben‹; vgl. Dienstboten, Pferde, ein Schiff, einen Wagen, auch eine Zeitung halten. Ferner ›vorrätig haben‹: Waren (auf Lager), ein Warenlager halten.
4 Aus der Vorstellung, etwas zu beaufsichtigen und in seiner Gewalt zu haben, ist dann auch die heute üblichste Bedeutung ›mit physischer Kraft festhalten‹ entstanden, von wo aus wieder Übertragung auf abstrakte Bereiche stattgefunden hat. Das Halten kann dann ein Stützen sein, wodurch das Umfallen, Niederfallen verhindert wird, sei es im Interesse des Gehaltenen oder des Haltenden; hierher z. B. eine Festung halten, das Feld halten (bei Schiller ›behaupten‹), einen halten, dessen Stellung als Beamter, dessen Kredit erschüttert ist u.dgl.; sehr üblich war früher ein Spiel, etwas im Spiel Eingesetztes halten, noch bei A075 Johann Wolfgang von Goethe komm doch, Crugantino, halt eins (Claudine 2; 38,132,9); daher
⊚⊚ es mit jmdm. halten ›auf seiner Seite stehen‹, vielleicht auch viel, wenig, große Stücke auf jmdn. halten (also eigentlich ›solches Zutrauen zu jmdm. haben, daß man viel auf ihn setzt, viel mit ihm riskiert‹). In anderen Fällen tritt das Hemmen der freien Bewegung in den Vordergrund: ich halte Puls und Odem (A075 Johann Wolfgang von Goethe,16,349) (jetzt "anhalten"); länger hält die Mutter nicht das Zürnen (Goethe) (›hält zurück‹); aber die Armen, sie hält strenge des Orkus Gewalt (A075 Johann Wolfgang von Goethe, Römische Elegien I,10); ich kann ihn nicht halten; er läßt sich nicht länger halten; den Mund, das Maul halten; das Wasser (den Urin) halten; mich hält nichts mehr; es hielt ihn nicht länger. Auch den Sinn ›bewahren, nicht verlieren‹ kann halten bekommen: die Kohlen halten das Feuer lange; Farbe halten übertragen ›treu bleiben‹. Näher bestimmt werden kann halten durch Adverbien in Wendungen wie jmdn. gut, schlecht, streng, knapp halten. Hiervon zu unterscheiden ist die Bestimmung durch ein prädikatives Adjektiv, welches sich nicht auf das Verb, sondern auf das Objekt bezieht, vgl. steifhalten, schiefhalten, festhalten, bereithalten, sauberhalten, frischhalten, warmhalten, fernhalten, kurzhalten, freihalten, gefangenhalten usw. Häufig sind ferner Verbindungen mit lokalen Präpositionen. Diejenigen, die Dativ und Akkusativ neben sich haben können, erscheinen dabei mit beiden, indem haltenbald als das Bringen in eine Lage, bald als das Erhalten in einer Lage aufgefaßt wird, vgl. über die bzw. über der Taufe halten; du hältst deine Hand über mir (Luther); ich hielt mich tapfer an die Arbeit(Goethe); heute Akkusativ in daß wir uns an denen halten müssen (Herder); gegeneinanderhalten ›vergleichen‹. Ich halte es damit so, wie willst du es damit gehalten wissen? Nicht mehr üblich ist halten zu ›in eine bestimmte Richtung bringen, anhalten zu‹: du sollst deine Tochter nicht zur Hurerei halten (Luther); wohl aber noch das Partizipialadjektiv "gehalten" mit Infinitiv ›verbunden, verpflichtet‹. Die präpositionalen Bestimmungen erscheinen vielfach als das eigentlich logische Prädikat, dem sich das in der Bedeutung abgeschwächte Verb unterordnet: in Gewahrsam, in Bereitschaft, in Ordnung, in Ehren, bei guter Laune halten.
5 Bei reflexivem halten sind folgende Besonderheiten hervorzuheben: sich halten ›seinen Platz behaupten, den Angriffen Widerstand leisten‹ (eine Festung hält sich), ›verderblichen Einflüssen nicht unterliegen‹ (Fleisch hält sich), überhaupt ›in dem bestehenden Zustande verharren‹ (das Wetter hält sich); ferner ›seine Empfindungen zurückhalten‹, besonders in sich nicht halten können. Sich gerade, gut, schlecht halten usw. von der Körperhaltung. Veraltet ist sich so oder so halten ›verhalten‹, vgl. hält sichs doch also auch in den Dingen (A180 Martin Luther, 1.Korinther 14,7). Wie heutiges sich "aufhalten" in Mose floh von Pharao und hielt sich im Lande Midian (Luther); als er hier nur einen Tag sich hielt(Goethe). Mit Richtungsbezeichnungen: sich rechts, links halten; in uneigentlichem Sinn sich zu einer Partei halten, sich dazu halten (›sich eifrig bemühen, beeilen‹). Sich halten an ›sich auf etwas stützen, nach etwas richten‹, im rechtlichen Sinn ›sich mit seinen Ansprüchen an jmdn. wenden‹.
6 Intransitiv ist halten vielfach dadurch geworden, daß das Objekt aus dem Zusammenhang verstanden wurde. Von dem Schiffer sagt man, er hält nach Süden (das Schiff). Alt ist halten vom Reiter gebraucht, z. B. das Roß halten wie haltmachen. Danach sagt man auch der Wagen hält; ein Heer hält, daher der Kommandoruf "halt", auch als Zuruf im allgemeineren Sinn von innehalten (↑ "einhalten"), womit der Sprecher um einen Moment Ruhe bittet und zugleich das Rederecht an sich zieht: halt! jetzt fällt mir etwas ein(C.F.Bahrdt, Erziehungsplan 1776, 179). Bei Lessing öfter uneigentliche Verwendung wie der Satz, bei welchem wir halten. Vgl. ferner
⊚ hinter dem Berge mit etwas halten ›nicht damit hervorkommen, es geheimhalten‹. Auf anderer Ergänzung beruht wohl stillhalten in dem Sinn ›sich nicht rühren, etwas ruhig über sich ergehen lassen‹. Desgleichen an sich halten ›seine Erregung nicht ausbrechen lassen‹. Von Gerätschaften, Kleidern usw. gebraucht, bedeutet halten ›ganz bleiben‹, eigentlich wohl ›etwas zu halten, auszuhalten imstande sein‹. Damit zu vergleichen sind die transitiven Wendungen
⊚⊚ Stich halten (eigentlich von Gewandstoffen ›noch brauchbar sein zum Zusammennähen‹); umgangssprachlich was das Zeug hält ›so sehr wie möglich‹. Als von hier aus übertragen sind wohl auch Wendungen aufzufassen wie es sind auch etliche Tischfreunde und halten nicht in der Not (Luther); wir wollen halten und dauern (A075 Johann Wolfgang von Goethe, Hermann und Dorothea 50,267,300). Bei festhalten anmag die Hand hinzuzudenken sein.
7 Eine Bedeutung endlich, die halten auch von "haben" übernommen hat, ist ›für etwas ansehen, schätzen, meinen‹. Am gewöhnlichsten jmdn. für einen Freund, für aufrichtig halten usw.; früher auch ohne für zumeist mit einfachem Adjektiv: ich hab' ihn tot gehalten (Klopstock); ich hielt mich einst unfähig(Wieland); du hältst unmöglich, was dir Mühe kostet (A075 Johann Wolfgang von Goethe, Iphigenie 1459); Ich würde… Anordnung und Ausführung höchst glücklich halten (A075 Johann Wolfgang von Goethe, Brief vom 24.12.25). Verbindungen mit zu:
⊚⊚ jmdm. etwas zugute halten, im 18. Jahrhundert zu Gnaden halten; jmdn. zum besten (›zum Narren‹) halten, bei L004 Johann Christoph Adelung noch … haben. Frühneuhochdeutsch ist halten mit einfachem Akkusativ ›annehmen, glauben‹; noch jetzt was hältst du davon; ich halte etwas, viel, wenig davon, von ihm (sich mit halten[4]auf berührend). Statt des Akkusativs konnte ein abhängiger Satz stehen, vgl. ich halte wohl, daß mancher meinen wird (C.Weise); mit vorausnehmendem Pronomen so halten wir es nun, daß der Mensch gerecht werde ohne des Gesetzes Werke(Luther). Unterschieden davon ist heutiges ich halte dafür, daß, wo durch den abhängigen Satz das dafür erläutert wird, das mit dem oben erwähnten für einen Freund parallel steht, und wo kein Objekt ausgedrückt ist. – ⇑ "abhalten", "anhalten", "aufhalten", "aushalten", "behalten", "einhalten", "enthalten", "erhalten", "herhalten", "hinhalten", "mithalten", "unterhalten", "verhalten", "vorhalten", "vorbehalten"; "Aufenthalt", "Gehalt", "Haushalt", "Hinterhalt", "Inhalt", "Rückhalt"; "nachhaltig", "stichhaltig"; "ungehalten", "Zuhälter".
Halt Mask. (frühnhd.), zuerst ›Hinterhalt‹ (veraltet), bei Opitz
1 ›Stillstand‹, bei L308 Kaspar Stieler
2 ›Stütze‹; zu halten(2)
haltlos (L033 Joachim Heinrich Campe), inzwischen auch wie "unhaltbar" ›unbegründet‹.
-haltig ›enthaltend‹ in Zusammensetzungen mit Stoffbezeichnungen nach einer frühneuhochdeutschen Bedeutung von halten ›enthalten, umfassen‹, z. B. eisenhaltig, fetthaltig.
Haltung (mhd. ) frühneuhochdeutsch oft nach halten(2) ›Einhaltung‹ haltung des gesetzes (Melanchthon; L059 DWb), heute v. a. bezogen auf geistige oder charakterliche Eigenschaften Humor ist eine natürliche Gabe und eine unbewußte Haltung(H.Kant; L337 WdG), auch körperlich in strammer Haltung; zu halten(1) in Tierhaltung usw.