Hermann Paul - Deutsches Wörterbuch
halb
gemeingermanisches Adjektiv (vgl. got. halbs, engl. half), ahd. / mhd. halb, halp. Auf dem zugehörigen Fem. ahd. halba›Seite‹ (schon von L003 Johann Christoph Adelung 1775 als veraltet bezeichnet) bzw. auf der daraus entwickelten Präposition mit vorangestelltem Genitiv ahd. halb›hinsichtlich, gemäß‹ (noch A075 Johann Wolfgang von Goethe Faust II,9147 fürstlicher Hochbegrüßung halb) beruhen die Adverbien "außerhalb", deshalb, "meinethalben"; ferner die Präpositionen (besser: Postpositionen) halben (veraltet) und halber (s. unten). Schon germanisch ist die Zählweise mit -halb, "anderthalb" ahd. anderhalb (›das zweite [ander] nur halb‹), drittehalb (›zweieinhalb‹) usw. (L012 Otto Behaghel, Syntax 1,443; W.Bachofer [Hg.], Mittelhochdeutsches Wörterbuch in der Diskussion, 1988,183ff.); ähnlich heute bei der Uhrzeit: halb elf (halb auf elf H.v.A160 Heinrich von Kleist, Zerbrochener Krug 9), anders im Englischen und Französischen. Als Gegensatz zu ↑ "ganz" bzw. ↑ "voll" wird halb auch im Sinne von ›unvollkommen, unzureichend‹ gebraucht: im halben schlafe gelegen (Goethe; L059 DWb); nur ein halber mensch (J.M.R.Lenz; L059 DWb); die halbe Wahrheit; entsprechend halbherzig, halbtags, dazu: Halbtagsbeschäftigung, halbwach usw. Bildungen mit halb- ungemein häufig bei ⇓ "S126" Goethe. Als Trinkmaß substantiviert. Halber (Liter) Mask. norddeutsch, Halbe (Maß) Fem. bayrisch. Zu halbviele Zusammensetzungen, die erst durch jüngere Verschmelzungen entstanden sind, entweder des Adjektivs (z. B. halber Mond > Halbmond, halber Bruder > Halbbruder) oder des Adverbs, z. B. halbgebildet Anfang des 19. Jahrhunderts (Stolberg). – Verwandt ↑ "Hälfte".halbamtlich 1863 für ↑ "offiziös".
Halbbildung 1843,
Halbblut um 1850 ⇓ "S124" Lehnübersetzung von engl. halfblood.
Halbfranzband ›Halblederband‹ A075 Johann Wolfgang von Goethe (Dichtung und Wahrheit 26,38,11).
Halbgott ahd. halbgot ⇓ "S124" Lehnübersetzung von lat. semideus; A075 Johann Wolfgang von Goethe, Faust I,1612 und II,7473.
Halbinsel 17. Jahrhundert ⇓ "S125" Lehnübertragung von lat. paeninsula (im Gegensatz zu den Lehnübersetzungen franz. presqu'île und niederländ. schiereiland).
halbmast um 1870 ⇓ "S124" Lehnübersetzung von engl. halfmast (1627).
Halbscheid Fem. ›Hälfte‹, landschaftlich (norddt.), zuweilen Halbschied. Der zweite Bestandteil zu ↑ "scheiden".
halbschlächtig von Tieren ›durch Mischung verschiedener Rassen erzeugt‹ (I.Kant) (zu mhd. slahte ›Art‹).
Halbschuh (A075 Johann Wolfgang von Goethe, Lehrjahre 22,166,26) ›Pantoffel‹, heute Gegensatz zu hohem Schuh bzw. ↑ "Stiefel".
halbschürig ›Wolle der Schafe, die jährlich zweimal geschoren werden‹, (im Gegensatz zu der besseren einschürigen). Daher ist halbschürig soviel wie ›nicht völlig ausgewachsen, unvollkommen‹. Lessing gebraucht die Form halbschierig.
halbseiden A075 Johann Wolfgang von Goethe, Hermann und Dorothea 50,205,212 Handelsbübchen… um die, halbseiden, im Sommer das Läppchen herumhängt, heute umgangssprachlich von Personen ›zwielichtig, verrucht‹.
Halbstarker ›geltungsbedürftiger Halbwüchsiger‹ (Hamburg um 1900; FAZ 17.9.56); vgl. C.Schultz, Die Halbstarken 1912;
halbwegs Adverb, zusammengezogen aus halbes weges, also eine Genitivform von halber Weg, die auch kontaminiert wird zu halbweg(e), mitteldt. hallwege, niederdt. halwege, allgemein (veraltend)
1 ›auf halbem Wege‹ Der Zug hielt… halbwegs zwischen Karlsbad und Prag (Weiskopf; L337 WdG), literarisch umkleidet: daß mein Herz dir halbwegs auf meiner Zunge entgegenkommen soll (Schiller); übertragen
2 ›einigermaßen, leidlich‹ v. a. in norddeutscher Umgangssprache, wenn ihr halbweg ehrbar tut (A075 Johann Wolfgang von Goethe, Faust I,2027) in dieser Form noch bis ins 18. Jahrhundert gebräuchlich, zuweilen wie noch jetzt niederdt. halwege: Nu mach doch hallwege, Mensch (A040 Alfred Döblin, Alexanderplatz 78);
Halbwelt um 1860 ⇓ "S124" Lehnübersetzung von franz. demi-monde (im Titel eines Schauspiels von A.Dumas 1855).
Halbwertszeit (L056 Duden 171973), physikalisches Fachwort: Hast du zum Beispiel eine Ahnung, in welchen Halbwertszeiten Caesium zerfällt? (Ch.A286 Christa Wolf, Störfall 61).
Halbzeit ⇓ "S205" ›eine Spielzeithälfte‹, auch ›Pause‹, im Fußball usw., um 1900 ⇓ "S124" Lehnübersetzung von engl. halftime (1871).
halber (um 1500) ›wegen‹, mit Genitiv, hat inzwischen die älteren Präpositionen halb und halben (s. oben halb ) ersetzt; wie diese auch in Zusammensetzungen: ehrenhalber, sicherheitshalber usw.
Halbheit ›Unentschlossenheit‹ seit Wieland (L059 DWb).
halbieren (mhd. ) eine der ältesten ⇓ "S088" Mischbildungen auf -ieren, vgl. "hofieren", "hausieren" usw.
Halbbildung 1843,
Halbblut um 1850 ⇓ "S124" Lehnübersetzung von engl. halfblood.
Halbfranzband ›Halblederband‹ A075 Johann Wolfgang von Goethe (Dichtung und Wahrheit 26,38,11).
Halbgott ahd. halbgot ⇓ "S124" Lehnübersetzung von lat. semideus; A075 Johann Wolfgang von Goethe, Faust I,1612 und II,7473.
Halbinsel 17. Jahrhundert ⇓ "S125" Lehnübertragung von lat. paeninsula (im Gegensatz zu den Lehnübersetzungen franz. presqu'île und niederländ. schiereiland).
halbmast um 1870 ⇓ "S124" Lehnübersetzung von engl. halfmast (1627).
Halbscheid Fem. ›Hälfte‹, landschaftlich (norddt.), zuweilen Halbschied. Der zweite Bestandteil zu ↑ "scheiden".
halbschlächtig von Tieren ›durch Mischung verschiedener Rassen erzeugt‹ (I.Kant) (zu mhd. slahte ›Art‹).
Halbschuh (A075 Johann Wolfgang von Goethe, Lehrjahre 22,166,26) ›Pantoffel‹, heute Gegensatz zu hohem Schuh bzw. ↑ "Stiefel".
halbschürig ›Wolle der Schafe, die jährlich zweimal geschoren werden‹, (im Gegensatz zu der besseren einschürigen). Daher ist halbschürig soviel wie ›nicht völlig ausgewachsen, unvollkommen‹. Lessing gebraucht die Form halbschierig.
halbseiden A075 Johann Wolfgang von Goethe, Hermann und Dorothea 50,205,212 Handelsbübchen… um die, halbseiden, im Sommer das Läppchen herumhängt, heute umgangssprachlich von Personen ›zwielichtig, verrucht‹.
Halbstarker ›geltungsbedürftiger Halbwüchsiger‹ (Hamburg um 1900; FAZ 17.9.56); vgl. C.Schultz, Die Halbstarken 1912;
halbwegs Adverb, zusammengezogen aus halbes weges, also eine Genitivform von halber Weg, die auch kontaminiert wird zu halbweg(e), mitteldt. hallwege, niederdt. halwege, allgemein (veraltend)
1 ›auf halbem Wege‹ Der Zug hielt… halbwegs zwischen Karlsbad und Prag (Weiskopf; L337 WdG), literarisch umkleidet: daß mein Herz dir halbwegs auf meiner Zunge entgegenkommen soll (Schiller); übertragen
2 ›einigermaßen, leidlich‹ v. a. in norddeutscher Umgangssprache, wenn ihr halbweg ehrbar tut (A075 Johann Wolfgang von Goethe, Faust I,2027) in dieser Form noch bis ins 18. Jahrhundert gebräuchlich, zuweilen wie noch jetzt niederdt. halwege: Nu mach doch hallwege, Mensch (A040 Alfred Döblin, Alexanderplatz 78);
Halbwelt um 1860 ⇓ "S124" Lehnübersetzung von franz. demi-monde (im Titel eines Schauspiels von A.Dumas 1855).
Halbwertszeit (L056 Duden 171973), physikalisches Fachwort: Hast du zum Beispiel eine Ahnung, in welchen Halbwertszeiten Caesium zerfällt? (Ch.A286 Christa Wolf, Störfall 61).
Halbzeit ⇓ "S205" ›eine Spielzeithälfte‹, auch ›Pause‹, im Fußball usw., um 1900 ⇓ "S124" Lehnübersetzung von engl. halftime (1871).
halber (um 1500) ›wegen‹, mit Genitiv, hat inzwischen die älteren Präpositionen halb und halben (s. oben halb ) ersetzt; wie diese auch in Zusammensetzungen: ehrenhalber, sicherheitshalber usw.
Halbheit ›Unentschlossenheit‹ seit Wieland (L059 DWb).
halbieren (mhd. ) eine der ältesten ⇓ "S088" Mischbildungen auf -ieren, vgl. "hofieren", "hausieren" usw.