Hermann Paul - Deutsches Wörterbuch
Glocke
ahd. glocka, über irische Missionare mit der Sache < ⇓ "S108" altirisch clocc; Glockenschall, Glockenschwall supra urbem, über der ganzen Stadt, in ihren von Klang erfüllten Lüften! Glocken, Glocken, sie schwingen und schaukeln (Th.A183 Thomas Mann, Der Erwählte 7); v. a. als kirchliches Attribut tönende Begleitung von Kirchenfesten, bestimmten Wochen-, Tages- und Gottesdienstabschnitten: Verkündiget ihr dumpfen Glocken schon / Des Osterfestes erste Feierstunde? (A075 Johann Wolfgang von Goethe, Faust I,744), in Freuden- und Notsituationen: haben sie mit allen glocken in der stad sturm geleutet (1563; L059 DWb); nach ihrer Funktion dann auch unterschieden, z. B. die Betglocke, Sturmglocke, Sonntagsglocke; zumeist aus einer bestimmten Metallegierung, die in Formen gegossen wird: Wenn die Glock' soll auferstehen / Muß die Form in Stücke gehen (A222 Friedrich Schiller, Glocke), doch »findet man hin und wieder hölzerne, wie… in der stiftskirche s. Blasii zu Braunschweig« (Krünitz; L059 DWb); in profaner Deutung im Berufsleben zur Signalisierung von Schichten, zunächst im Bergbau (1580; L059 DWb); seit dem 17. Jahrhundert am Hauseingang, so heute noch süddeutsch und österreichisch, vgl. L066 Jürgen Eichhoff, Karte 26 (↑ "Klingel"), seit dem 18. Jahrhundert im Zimmer zum Herbeirufen des Personals; auf ihren materiellen Wert reduziert im Krieg: als ob die glocken sich selbst zu grabe läuteten, denn wer weisz, ob die Franzosen sie nicht bald einschmelzen (H. v.Kleist; L059 DWb); redensartlich umgangssprachlich⊚⊚ wissen, was die Glocke geschlagen hat (Luther; L059 DWb) ›Bescheid wissen‹, etwas an die große Glocke hängen (bei L308 Kaspar Stieler schlagen) ›was eigentlich geheim bleiben soll, laut verkünden‹; nach der Ähnlichkeit der Gestalt übertragen auf ein mantelartiges Kleidungsstück (14. Jahrhundert; L059 DWb), heute von einem weiten, mehrbahnigen Damenrock; auf eine bestimmte Blütenform (15. Jahrhundert; L059 DWb), dazu Maiglöckchen; im 18. und 19. Jahrhundert Konstruktion zur Erkundung des Meeresbodens, dazu Taucherglocke (Goethe; L059 DWb); im Haushalt zum Schutz offenstehender Lebensmittel (nach 1830; L059 DWb), dazu Käseglocke; auch von einer entsprechenden Hut- und Lampenschirmform (vgl. außerdem ostmitteldeutsch veraltet Plättglocke ›Bügeleisen‹, ↑ "Bügeleisen"); heute häufig Dunstglocke von dem dichten Schleier verpesteter Luft über Großstädten;
Glöckner mhd. glockenære heute veraltet ›Kirchendiener, der die Glocken läutet‹.
Glöckner mhd. glockenære heute veraltet ›Kirchendiener, der die Glocken läutet‹.