Hermann Paul - Deutsches Wörterbuch
Glaube
ahd. gilouba, -o, mhd. g(e)loube, seit dem 15. Jahrhundert Nebenform Glauben; zunächst1"S110" religiös: Denn wir wandeln im glauben / vnd nicht im schawen (A180 Martin Luther, 2.Korinther 5,7), Glauben verliere (L200 Josua Maaler) / bewahren (L308 Kaspar Stieler), der rechte, wahre Glaube (L169 Matthias Kramer); christlich eine der drei Haupttugenden: Nu aber bleibt Glaube / Hoffnung / Liebe / diese drey (A180 Martin Luther, 1.Korinther 13,13), diese Trias heute gewöhnlich Glaube, Liebe und Hoffnung (A075 Johann Wolfgang von Goethe, Briefe 33,304,22); speziell konfessionell Der Christliche… Katolische/ Luterische Glaube (L308 Kaspar Stieler), sich zu einem Glauben bekennen (L169 Matthias Kramer); geflügelt Die [Oster-] Botschaft hör' ich wohl, allein mir fehlt der Glaube; / Das Wunder ist des Glaubens liebstes Kind (⇓ "S074" A075 Johann Wolfgang von Goethe, Faust I,765f.); vgl. L252 RGG;
2 daneben nichtreligiös ›Vertrauen, Zuversicht‹, Gegensatz Wissen (↑ "wissen"), "Erkenntnis", auf Übernatürliches bezogen wie "Aberglaube": ein uralter Glaube (Wieland; L059 DWb), auch diesseitig-konkret artzney… da man den glauben darzu habe(C.Weise; L059 DWb); in festeren verbalen Fügungen Glauben finden (L003 Johann Christoph Adelung 1775) / schenken (19. Jahrhundert; L059 DWb), präpositional mit an: unser glauben an uns selbst, um ein neumodisches kraftwort zu gebrauchen (1777; L059 DWb), danach glauben an die menschheit (1826; L059 DWb), an die tugend (1809; L059 DWb), an das Gute im Menschen; besonders ⇓ "S243" formelhaft auf Treu und Glauben (↑ "treu"), auf guten glauben (Luther; L059 DWb), seit späterem 19. Jahrhundert in gutem Glaubenals gegeben voraussetzend‹:
in gutem Glauben handeln.
Glaubensbekenntnis (späteres 16. Jahrhundert; L059 DWb); seit frühem 18. Jahrhundert auch übertragen ›Gesinnung‹: mein sociales glaubensbekenntnis(Hebbel; L059 DWb);
glauben ahd. gilouban, mhd. gelouben, altgermanisch (englisch mit anderem Präfix believe), verwandt mit ↑ "lieb" und ↑ "Lob"; der zweite Bestandteil ist identisch mit dem von erlauben, mitteldt. (auch von Luther gebraucht) gleuben; ursprünglich immer mit der Vorstellung des Vertrauens zu einer Person (↑ "erlauben"), so auch
1 beim religiösen Gebrauch; präpositional mit an; für lat. credere in führt A180 Martin Luther ein: tut Buße und gleubt an das Evangelium (Markus 1,15), Glaubst du an Gott? (A075 Johann Wolfgang von Goethe, Faust I,3426); absolut ›fromm seinWer da glaubet und getaufft wird (L169 Matthias Kramer); jünger ist die Verwendung für eine Annahme nach Wahrscheinlichkeit
2vermuten, für wahr halten‹ (frühnhd.), wofür "wähnen" die ursprüngliche Bezeichnung ist; die Verbindung mit Infinitiv: er glaubt zu siegen, mit prädikativem Adjektiv (nach der lat. Syntax von putare usw.) nicht allgemein üblich geworden: warum soll ich ihn niederträchtig glauben? (Wieland), als er sein Zimmer neulich erbrochen glaubte (A075 Johann Wolfgang von Goethe, Tasso 341); am häufigsten neben dem Reflexivum; noch seltener sind Fügungen wie so glaube jeder seinen Ring den ächten (Lessing), den er seinen Freund glaubte(Pestalozzi), sich eine wichtigere Person als bisher zu glauben(Moritz), jedermann glaubt mich in Ungnade (A075 Johann Wolfgang von Goethe, Groß-Cophta 1,1); allgemein transitiv ich… gläube sachen, die ich mir nicht einbilden kan (C.Weise; L059 DWb), mit Dativ ich glaub auch dem Homero nit (L200 Josua Maaler), mit Präposition dasz man ihm auf sein wort glaube(Wieland; L059 DWb), mit Dativ und Akkusativ das glaub ihm ein ander (1678; L059 DWb), in der doppelten Akkusativ-Konstruktion jmdn. etwas glauben machen (1650; L059 DWb) ›jmdm. etwas weismachen‹, im Nominativ fest in der Beteuerung es ist nicht zu glauben (L169 Matthias Kramer); umgangssprachliche Wendungen: ich glaube gar (Ausruf des Erstaunens oder der Abweisung von etwas Unglaublichem), wer's glaubt, wird seligÄußerung des Unglaubens (bei L105 Georg Henisch Wer es glaubt / der ist toll, jmd. muß dran glaubenes geht jmdm. ans Leben‹, ›es wird jmdm. nicht erspart‹ (L003 Johann Christoph Adelung 1775); seit Ende des 15. Jahrhunderts im Sinne von ›meinenwir glauben es oft genug gesagt zu haben(1758; L059 DWb); ebenso seit dem Frühneuhochdeutschen zur Bezeichnung eines Eindrucks wie abgeblaßtes "denken": Ramler, glaube ich, sucht beide Arten zu verbinden (A121 Johann Gottfried Herder 5,185);
gläubig ahd. giloubig, mhd. g(e)loubec; religiös ›fromm‹, seit dem Mittelhochdeutschen in weltlichem Sinn ›vertrauensvoll‹, mit dem Begriff der Verehrung: gläubige anhänger und verehrer(Klinger; L059 DWb), substantiviert
Gläubiger ahd. giloubigo, mhd. g(e)loubige; speziell zu GlaubenKredit‹ (so noch bei L003 Johann Christoph Adelung 1775) ›wer von einem andern Geld zu fordern hat‹ (14. Jahrhundert; W.L244 Wolfgang Pfeifer): Seine Gleubiger bezahlen (L308 Kaspar Stieler).
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