Hermann Paul - Deutsches Wörterbuch
Gestalt
mhd. , aus dem veralteten Adjektiv gestalt (↑ "ungestalt");1.1Aussehen‹: In gestalt eines weyers (L200 Josua Maaler), in veranderter Gestalt (L308 Kaspar Stieler), Jhesus Christus… in göttlicher gestalt (Luther; L059 DWb), Ritter von der traurigen Gestalt (↑ "trauern"), keine Gestalt haben (L169 Matthias Kramer), eine Gestalt bekommen (L169 Matthias Kramer), Schon von Gestalt (L169 Matthias Kramer), Ich liebe dich, mich reizt deine schöne Gestalt (A075 Johann Wolfgang von Goethe, Erlkönig); abstrakter Die Gestalt der Dinge… hat sich… verändert (A222 Friedrich Schiller, Stuart 2,8), Des Lebens flach alltägliche Gestalten (A222 Friedrich Schiller, Wallensteins Tod 5,3); kanzleisprachlich speziell nach Gestalt der Dinge; verallgemeinert ›Mensch‹, abwertend (L003 Johann Christoph Adelung 1775): ich sah… gestalten die strasze bevölkern (1848; L059 DWb); mit dem Begriff des Schöpferischen
1.2Form‹: Eine Gestalt gewünnen (L200 Josua Maaler), Eine Gestalt geben (L308 Kaspar Stieler), in eine andere Gestalt bringen(ebenda); in der ästhetischen Reflexion auf das künstlerische Schaffen bezogen: Der Gegenstand des Formtriebes… heißt Gestalt… ein Begriff, der alle formalen Beschaffenheiten der Dinge und alle Beziehungen derselben auf die Denkkräfte unter sich faßt (A222 Friedrich Schiller, Ästhetische Erziehung; 20,355); bei Goethe auch als morphologischer, naturwissenschaftlicher Begriff stark entwickelt (L092 GoeWb); auf Menschen bezogen aufwertend im Sinne von ›Persönlichkeit‹: Einige exklusive Gestalten… Eliot, Pessoa (B.A248 Botho Strauß, Erinnerung 39); auch
1.3Phantasieprodukt‹, mit dem Begriff des Undeutlichen im Sinne von ›Schemen‹: Ihr naht euch wieder, schwankende Gestalten (A075 Johann Wolfgang von Goethe, Faust I, Zueignung); wie "Figur" von literarischen Geschöpfen, die A010 Gottfried Benn mit Gestalt(1.2) konfrontiert: Warum Gedanken in jemanden hineinkneten, in eine Figur, in Gestalten, wenn es Gestalten nicht mehr gibt?(Phänotyp 150); seit dem 18. Jahrhundert veraltet
2Art und Weise‹, adverbial erhalten in solchergestaltin solcher Weise‹, folgender Gestalt (I.Kant), ↑ "dergestalt".
Gestaltpsychologie bezeichnet diejenigen Richtungen der ⇓ "S180" Psychologie, »die den von Chr.v.Ehrenfels konzipierten Gedanken der Nichtsummativität psychischer Ganzer [d. h. Ganzheiten] weiter verfolgt haben« (L138 HWbPh), ⇓ "S236" W.Köhler, Gestalt psychology, 1928; ausgeweitet zur Gestaltheorie (ebenda).
gestalten (L037 Petrus Dasypodius); zu Gestalt(1.2) »Ein gestalt vnd form geben« (L200 Josua Maaler), häufig auf das künstlerische kreative Schaffen bezogen, Anders (ebenda), neu gestalten (L169 Matthias Kramer); auch reflexiv Wo rohe Kräfte sinnlos walten, / Da kann sich kein Gebild gestalten (A222 Friedrich Schiller, Glocke), dazu zu gleicher Zeit Gestalter, Gestaltung.
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