Hermann Paul - Deutsches Wörterbuch
gelten
ahd. geltanzurückzahlen, opfern‹, gemeingermanisches starkes Verb (engl. yield), Konjunktiv Prät. gölte (bis ins 17. Jahrhundert gülte), woneben auch gälte nicht selten vorkommt. Es bedeutete zunächst ›entrichten, zahlen‹, dann überhaupt eine Gegenleistung tun, sei es in Gutem oder Bösem. Als Objekt stand dann daneben gewöhnlich das, wofür Zahlung, Ersatz oder Rache geleistet wird, vgl. mhd. ich muoz dise ere tiure gelten (›teuer bezahlen‹); am längsten geblieben ist Gleiches mit Gleichem gelten; sonst ist in dieser Verwendung gelten durch ↑ "vergelten" verdrängt, das aber auch nicht mehr für ›bezahlen‹ im eigentlichen Sinn verwendet werden kann. Als Objekt konnte aber auch das, was man hingibt, stehen, zumal wo es sich um Rückgabe von etwas früher Geliehenem handelte, was wohl nach der religiösen Bedeutung des Opferns die älteste Verwendung des Wortes sein wird. Daran schloß sich weiterhin ein Gebrauch, bei dem nicht die zahlende Person als Subjekt gesetzt wurde, sondern der Gegenstand, für den die Zahlung geleistet wird. So sagte man mittelhochdeutsch und frühneuhochdeutsch ein Gut gilt jährlich 1000 Guldenträgt 1000 Gulden ein‹. So konnte man auch von einer Ware sagen sie gilt soundso vielwird mit soundso viel bezahlt‹, vgl. die übertragene Verwendung noch bei A075 Johann Wolfgang von Goethe: es galt Amorn ein freundlich Gesicht(Römische Elegien 19,426) ›Amor bekam dafür ein freundliches Gesicht‹. Wie wir nun sagen können das Pfund wird mit zwei Mark bezahltwie das Pfund kostet zwei Mark, so konnte man auch das Pfund gilt zwei Mark nicht bloß auf ein einzelnes, wirklich abgeschlossenes Geschäft beziehen, sondern allgemein auf jeden beliebigen Fall, in dem der Verkauf eintritt, und so entstand die (schon mittelhochdeutsch vorhandene) Bedeutung ›kosten, wert sein‹. Nicht selten ist übertragene Verwendung, vgl. der Frauen Treue gilt noch höhern Preis (Schiller), ein Held und Kaiser gilt (›ist soviel wert wie‹) ein ganzes Volk (Körner); überliefre ihr diesen Ring. Er gelte den Trauring (›habe die Bedeutung des Trauringes‹) (Schiller). Häufig von Personen etwas, viel, wenig gelten, ähnlich sein Wort, seine Fürsprache, sein Rat gilt viel. Speziell was gilt die Wette? (›wie hoch wollen wir wetten?‹). Der Vorschlag einer Wette liegt auch eigentlich zugrunde in was gilt's? Bestimmung des Wertes durch ein Adverb in es gilt mir gleich im Sinne von ›gleichgültig‹. Konstruktion mit für: Wir stehen hier statt einer Landsgemeinde, / Und können gelten für ein ganzes Volk (A222 Friedrich Schiller, Tell 2,2); gewöhnlich ist für etwas geltenfür etwas angesehen werden‹; literarisch erscheint dann gelten in diesem Sinn nach der Analogie ähnlich bedeutender Wörter ohne für: der allen edel, zuverlässig gilt(Goethe). Häufig ist auch gelten ohne nähere Bestimmung: die Münze gilt (nicht) in diesem Landwird (nicht) als Zahlungsmittel anerkannt‹; ferner ein Gesetz, ein Verbot, eine Regelusw. gilt, mein Bund mit jnen solt nicht mehr gelten (A180 Martin Luther, 3.Mose 26,44), das geltende Recht, das gilt nicht (bei einem Spiel), ein Kauf, Handel gilt, da gilt kein Ansehn der Person, kein Leugnen, Zögern usw. Hierher auch etwas (nicht) gelten lassen; formelhaft geltend machen (früher gelten machen), ursprünglich ›wirksam zur Geltung bringen‹, vgl. ein sehr beträchtliches Kapital so vorteilhaft geltend zu machen (Wieland), ein schönes Weib, das seine Macht kennt und sie gelten zu machen weiß (Wieland), die Schlüsse der trientischen Kirchenversammlung wieder geltend zu machen (Schiller); jetzt wird es von dem bloßen Erheben eines Anspruchs gebraucht. – Weiter entfernen sich folgende Gebrauchsweisen von der ursprünglichen Bedeutung. Man sagt es giltdein Lebendein Leben steht auf dem Spiel‹. Zuweilen erscheint statt des Akkusativs Anknüpfung mit um, was wohl auf Vermischung mit Wendungen von ähnlicher Bedeutung beruht: es galt um des Lebens Ruh(Klopstock), Es gilt um Tod / Und Leben (A222 Friedrich Schiller,Karlos 4,16). Ähnlich ist ohne Bestimmung jetzt gilt esjetzt kommt es darauf an, jetzt muß es sich entscheiden‹; dazu mit ungenauer Verknüpfung in dem geltenden Augenblick (›Augenblick, in dem es gilt‹) (Schiller), in dem geltenden Stand (›in der kritischen Lage‹) (Goethe). Ferner es gilt mit zu und Infinitiv: es gilt zu siegen oder zu sterben, einen Entschluß zu fassen. Mit dem Dativ der Zuruf, die Bemerkung gilt dir; auch unpersönlich es gilt dir (z. B. beim Zutrinken). Statt des Dativs zuweilen Akkusativ: aber vor allem gilt die Freier meine Verkündung (Voß), ob diese Maßregel auch einen Freund des Hauses gelte (H. v.Kleist). ⇑ "Geld", "gelt", "Gilde", "gültig", "entgelten". Geltung Vom 15. (1470; L059 DWb) bis ins 18. Jahrhundert (J. L.L078 Johann Leonhard Frisch) ›Bezahlung‹; vgl. älteres "Vergeltung". Seit ca. 1600 »Werth« (L105 Georg Henisch 1616), »Giltigkeit« (L109 Moriz Heyne); ›Wertschätzung‹, ›Wirksamkeit‹, vor allem in den formelhaften Verbindungen des 19. Jahrhunderts zur Geltung bringen (L264 Daniel Sanders), zur Geltung kommen (L059 DWb),
jmdm. / etwas Geltung verschaffendafür sorgen, daß jmd. / etwas beachtet wird‹ (Bismarck; L109 Moriz Heyne). Zusammensetzungen Geltungsbereich, Geltungsdauer, Geltungssucht und weitere.
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