Hermann Paul - Deutsches Wörterbuch
gelehrt
ahd. gileritPartizipialadjektiv, daneben die Form gelahrt noch im 18. Jahrhundert, mhd. (mitteldt.) gelart; schon althochdeutsch für lat. doctus; zunächst nur von der geistlichen Bildung gebraucht, bezog es für Laien auch deren Vorstufen, lesen und schreiben, mit ein: Ein ritter so geleret was, daz er an den buochen las (Hartmann von Aue, Der arme Heinrich 1f.). Seit dem Humanismus war im allgemeinen sichere Beherrschung des Lateinischen Bedingung, schon ironisch Rabener (L059 DWb): nunmehro zieht der gelehrte, oder besser zu sagen, der lateinische sohn auf hohe schulen; dann allgemein ›umfassende wissenschaftliche Kenntnisse besitzend bzw. enthaltendGelehrte (›belesene‹) Weiber (L308 Kaspar Stieler); gelehrte zeitungen (Abbt; L059 DWb). ↑ "klug". SubstantivGelehrter Klopstock zählte in seiner "Gelehrtenrepublik" (↑ "Republik") auch die Dichter noch zu den Gelehrten. ⇓ "S207" Die Kritik an einem falschen Begriff zeigt sich schon im Sprichwort bei Luther: die gelerten die verkerten (L041 Philipp Dietz). Der Bereich des Gelehrten ist wesentlich die Universität: Das Frauenzimmer gehört ohne Zweifel nicht in die Hörsäle und Studirzimmer der Gelehrten (A121 Johann Gottfried Herder 1,393); Anders ist der Studierplan, den sich der Brodgelehrte, anders derjenige, den der philosophische Kopf sich vorzeichnet (A222 Friedrich Schiller, 17,360). Zur Begriffsbestimmung vgl. J.G.A058 Johann Gottlieb Fichte, Einige Vorlesungen über die Bestimmung des Gelehrten (1794): die wahre Bestimmung des Gelehrtenstandes: es ist die oberste Aufsicht über den wirklichen Fortgang des Menschengeschlechts im allgemeinen, und die stete Beförderung dieses Fortgangs(Ausgewählte Werke 1,256). Als typische Gelehrtenkrankheit (L004 Johann Christoph Adelung) galt die ↑ "Hypochondrie". Zur reinen Berufsbezeichnung ›Person, die sich hauptberuflich mit Wissenschaft beschäftigt‹ wurde es erst im 20. Jahrhundert; doch ist eine semantische Differenz zwischen Gelehrter (häufig in der Zusammensetzung Privatgelehrter) und "Wissenschaftler" nach wie vor gegeben. Substantiviert schon ahd. thie gilertunfür lat. scribae (Tatian 8,2).
Gelehrtheit (1654; L059 DWb) konkurriert mit
Gelehrsamkeit (17. Jahrhundert Leibniz; L345 Friedrich Karl Ludwig Weigand/ L345 Herman Hirt);
gelehrsam zunächst in der allgemeinen Bedeutung von gelehrt (1578 Fischart; L345 Friedrich Karl Ludwig Weigand/ L345 Herman Hirt), dann (L105 Georg Henisch 1616) auch wie
gelehrig frühnhd. (1420; L059 DWb), vgl. jedoch mhd. ungeleric; verstärkte Form des unpräfigierten ahd. lerig, nhd. lehrig (bis 17. Jahrhundert; L345 Friedrich Karl Ludwig Weigand/ L345 Herman Hirt); ›lernwillig‹, ›gut und schnell begreifendein(e) gelehrige(r) Schüler(in).
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