Hermann Paul - Deutsches Wörterbuch
gelegen
Partizipialadjektiv1 es ist mir etwas (viel usw.) daran (an jmdm. ) gelegen wie es liegt mir etwas daran.
2 Verschieden davon ist ein gelegen, in welchem noch die ursprüngliche Bedeutung von "ge-" wirksam ist. Es bedeutete zunächst ›nahe gelegen, benachbart‹. Daraus ist die jetzige Bedeutung ›bequem, passend‹ entsprungen: gelegener Ort, zu gelegener Zeit, das ist (kommt) mir gelegen, Dieser Mortimer starb Euch sehr gelegen (A222 Friedrich Schiller, Stuart 4,6). Dazu "ungelegen".
Gelegenheit (mhd. )
1 Frühneuhochdeutsch bezeichnet es wie "Lage" die ›Art und Weise, wie etwas liegt‹, vgl. noch Venusia, deren unvergleichliche Gelegenheit zu Angriffs- und Verteidigungskriegen (Niebuhr). Weiterhin ist es die ›Beschaffenheit, Einrichtung einer Örtlichkeit‹: des Orts Gelegenheit, (Wieland); die Gelegenheit ist günstig. Dort der Holunderstrauch verbirgt mich ihm (A222 Friedrich Schiller, Tell 4,3); ich kenne die Gelegenheit und jeden Winkel seines Hauses (A075 Johann Wolfgang von Goethe, Scherz, List und Rache 151). Daran könnte sich auch die Verwendung als verhüllender Ausdruck für ›Abtritt‹ anschließen (A075 Johann Wolfgang von Goethe, Italienische Reise 12.9.86), doch kann es auch als Übersetzung des franz. commodité gefaßt und an die gewöhnliche Bedeutung von gelegen angeschlossen werden. Wie "Lage" bezeichnet es dann überhaupt ›die Verhältnisse, in denen sich jmd. oder etwas befindet‹: nach Gelegenheit der Sachen (Luther u. a.,) was hat's für eine Gelegenheit mit Eurem König? (Tieck). Daraus ist (wohl nicht ohne Einfluß von franz. occasion) die gegenwärtige Bedeutung entstanden, indem es auf eine vorübergehende Lage beschränkt ist, die sich für die Ausführung einer Tätigkeit eignet: bei Gelegenheit (mit Genitiv), bei dieser Gelegenheit, eine günstige, seltene, ungeahnte, verpaßte Gelegenheit; Gelegenheit haben, finden, jmdm. Gelegenheit geben; Gelegenheit macht Verhältnisse wie sie Diebe macht (A075 Johann Wolfgang von Goethe, Wahlverwandtschaften 20,53,13); diese Göttin, sie heißt Gelegenheit (A075 Johann Wolfgang von Goethe, Römische Elegien 4). Gelegenheit machen veraltet ›kuppeln‹, daher Gelegenheitsmacher(in) 1. Hälfte des 18. Jahrhunderts (1745; L059 DWb). Weitere Zusammensetzungen Gelegenheitsarbeiter, Gelegenheitskauf, Gelegenheitsraucher usw.
2 Heute veraltet, noch im 18. Jahrhundert gebräuchlich ist Gelegenheit im Anschluß an gelegen(2): wenn es Ihre Gelegenheit (Ihnen bequem) ist, es ist jetzt nicht meine Gelegenheit (auch noch bei Holtei). Dazu gehört "Ungelegenheit", jmdm. Ungelegenheiten machenjmdn. in seinen Absichten stören‹. – Zu Gelegenheit(1) gehört gelegenheitlich (meist Adverb), im 18. Jahrhundert üblich, vgl. durch eine gelegenheitliche Verbindung mit ihm (Wieland), wir würden uns gelegenheitlich an die Republikaner anschließen können (Seume); jetzt verdrängt durch das ältere
gelegentlich mhd. gelegenlich, das ursprünglich zu gelegen gehörig ist (vgl. für seine gelegentlichsten [›günstigsten‹] Zeiten Herder), sich doch in der Bedeutung an Gelegenheit angeschlossen hat, in neuerer Zeit sogar öfter als Präposition mit Genitiv: gelegentlich seiner Anwesenheit.
Gelegenheitsgedicht (1751 Gottsched; L059 DWb); Das Gelegenheitsgedicht, die erste und echteste aller Dichtarten, ward verächtlich auf einen Grad, daß die Nation noch jetzt nicht zu einem Begriff des hohen Werthes desselben gelangen kann (A075 Johann Wolfgang von Goethe, Dichtung und Wahrheit 27,295,12).
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