Hermann Paul - Deutsches Wörterbuch
gefallen
ahd. gifallan, mhd. gevallen, hat noch frühneuhochdeutsch auch die Bedeutung ›zufallen, zuteil werden‹. Der jetzt üblichen ›zusagen‹, ›angenehm sein‹ scheint zunächst Verwendung in einem neutralen Sinn zugrunde zu liegen, wie wir sie noch haben in wie gefällt dir das?, worauf geantwortet werden kann gut(früher wohl) oder schlecht (früher übel). Auf einen Entschluß bezieht es sich in Verbindung mit zu und Infinitiv: es hat Gott gefallen, unseren Vater zu sich zu rufen L097 GWb (heute selten). Unpersönlich wird es gebraucht in Wendungen wie es gefällt ihr in Rom, bei uns. Mit reflexivem Dativ: ich gefalle mir so wohl zu Athen (Wieland) (so oft bei ihm), der Hauptmann gefiel sich sehr in der Gegend (A075 Johann Wolfgang von Goethe, Wahlverwandtschaften 20,28,12); ich zweifle sehr, ob Sie sich werden können in Madrid gefallen (A222 Friedrich Schiller, Karlos 1,4); noch heute üblich in Wendungen wie er gefällt sich in gewagten Behauptungen, in dieser Rolle. sich etwas gefallen lassen zunächst ›zufrieden, einverstanden mit etwas seinDa das Moses höret / lies ers jm gefallen(A180 Martin Luther, 3.Mose 10,20), das lasse ich mir gefallen; heute zumeist ›ohne Widerstand ertragen‹: das brauche ich mir nicht gefallen zu lassen. Zur landschaftlich unterschiedlichen Aussprache des Partizip Perf. von gefallen vgl. L066 Jürgen Eichhoff, Karte 4–72f. Gegensatz "mißfallen". Dazu schwaches Mask. Gefalle, ahd. gival (L345 Friedrich Karl Ludwig Weigand/ L345 Herman Hirt), mhd. geval, heute starkes Mask.
Gefallen (⇑ "Backe", "Schrecken"). Gefallen mischt sich mit dem ⇓ "S093" substantivierten Infinitiv (dieser am häufigsten in Wohlgefallen), da das Geschlecht nicht überall erkennbar ist, z. B. in einem zu Gefallen.
Gefallsucht (1793; L320 Trübner) von ⇓ "S071" L033 Joachim Heinrich Campe 1795 als ⇓ "S125" Lehnübertragung für "Koketterie" vorgeschlagen.
gefällig ahd. gifellig, mhd. gevellec;
1 veraltet (Lessing, Jean Paul) ›fällig‹ von Zinsen u.dgl.
2.1ansprechend‹, ›angenehmdas mir teilweise gefällige Bild(Goethe), einen gefälligen Fußball spielen, salopp Zigarette gefällig?, ironisch Schlägerei gefällig?; gefälliges Benehmen, er ist gefällig gegen jedermann sehr nah zu
2.2hilfsbereit, zuvorkommendgefälliges Stillschweigen (L004 Johann Christoph Adelung); Zusammensetzungen gottgefällig, selbstgefällig, "wohlgefällig". Dazu
Gefälligkeit mhd. gevellekeit.
gefälligst"S026"
1 Adjektiv, ursprünglich Superlativ von gefällig, daher auch attributiv: frau v. Racknitz bitte ich in den gefälligsten worten, die sie finden können, in meinem namen zu danken (Falk; L059 DWb);
2 Adverb, bis ins 19. Jahrhundert in Aufforderungen als Ausdruck von Höflichkeit ›freundlichst, als Gefälligkeit‹: Hierauf fragte der Graf F… , indem er sich zum Kommandanten wandte, ob er ihm gefälligst sein Zimmer anweisen wolle? (H.v.A160 Heinrich von Kleist, Marquise von O; 2,115); Alterspräsident Lang: … Soll die Wahl eines provisorischen Präsidenten bis morgen ausgesetzt bleiben? Die Herren, welche dafür sind, wollen sich gefälligst erheben (Ein großer Theil der Versammlung erhebt sich.) (1848 A242 Stenographischer Bericht 11); bei L264 Daniel Sanders (1876) schon als »ironisch« gekennzeichnet: Treten Sie gefälligst näher, ähnlich: und grüßen Sie mir gefälligst Ihren Wunsiedler Ehrenbürger [Jean Paul], und er möchte uns ganz gehorsamst vom Halse bleiben (A210 Wilhelm Raabe, Gutmanns Reisen 18,304); bitte sehr: bemühen Sie sich gütigst eine Treppe höher und fragen Sie sie gefälligst selber (O.E.A108 Otto Erich Hartleben, Ausgewählte Werke III, 72). Was in Aufforderungen v. a. sozial höhergestellter Personen immer wieder als Ausdruck von Höflichkeit erschien, mag später zunächst in abgeschwächter Bedeutung als freundlich-saloppes Drängen, dann aber als deutliche Ausübung von Druck verstanden worden sein, daher (wohl seit etwa 1900) der Gebrauch als
3"S002" Abtönungspartikel ›Sprecher zeigt an, daß die betreffende Handlung des Hörers nach seiner Ansicht schon früher erwartbar und geboten war, und verlangt daher ihre sofortige Ausführung‹: Da hat Behrens ihn angefahren: ›Stellen Sie sich gefälligst nicht so an!‹ (Th.A183 Thomas Mann, Zauberberg 80); Reden Sie gefälligst! (A054 Hans Fallada, Bauern, Bonzen und Bomben [1931] 387); Lassen Sie mich gefälligst los! (A054 Hans Fallada, Blechnapf 375); Antworte gefälligst, wenn ich dich etwas frage (D.A236 Dietrich Schwanitz, Campus 204).
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