Hermann Paul - Deutsches Wörterbuch
Gang
1 ahd. / mhd. ganc, gemeingermanisch, entspricht mit gewissen Abweichungen den Verwendungen von ↑ "gehen".1 Gang steht als nomen abstractum in Funktionsverbgefügen, ⇑ "bringen", "halten", "kommen", "setzen";
2 Gang geht auf die Bewegung und ihre Richtung: Gang des Mondes, der Verhandlung, der Geschichte, Vnser hertz ist nicht abgefallen Noch vnser gang gewichen von deinem weg (A180 Martin Luther, Psalm 44,19);
etwas geht seinen Gang (um 1700; L059 DWb) ›etwas verläuft so, wie man es erwartet hatMorgen wird alles seinen gewohnten Gang gehen (A046 Günter Eich, Träume, 2,305); Gang der Natur (vgl. A180 Martin Luther, Matthäus 15,17); "Abgang", "Niedergang", "Untergang", Rückgang, Werdegang;
3 auf die Art und Weise des Gehens bezogen: Wje schön ist dein gang in den Schuhen du Fürsten tochter (A180 Martin Luther, Hohelied 7,1), aufrechter, schwerer Gang; hierher die Gänge der Maschinen (vgl. Luther; L059 DWb), heute besonders des Autos,
einen Gang zulegen/ zurückschaltenetwas schneller/ langsamer erledigen‹; "Alleingang", "Tiefgang", Rückwärtsgang;
4 Gang bezeichnet die einzelne zu einem bestimmten Zweck ausgeführte Handlung: Sihet er nicht meine wege vnd zelet alle meine genge? (A180 Martin Luther, Hiob 31,4), »der erste und der letzte gang zur taufe und zum grabe« (L059 DWb); Waffengang (Luther; L059 DWb),
einen Gang mit jmdm. machen vom (heute sportlichen) Zweikampf, der auch aus mehreren Gängen bestehen kann, zwischen denen eine Pause gemacht wird; Gang in der Speisefolge einer Mahlzeit; "Gedankengang", "Opfergang", "Spaziergang", Arbeitsgang, Wahlgang; Hergang, "Vorgang";
5 (schon ahd. ; L345 Friedrich Karl Ludwig Weigand/ L345 Herman Hirt) übertragen auf den Raum, durch den man gehen kann: Gang in einem Garten oder Haus usw., dann (mhd. ; L345 Friedrich Karl Ludwig Weigand/ L345 Herman Hirt) überhaupt auf etwas wegartig sich Erstreckendes: Gänge des Erzes, auch des Ohres usw.; Durchgang, Geheimgang, "Kreuzgang"; "Aufgang", "Ausgang", "Eingang", "Übergang", "Zugang"; verblaßt "Jahrgang" (↑ "Jahr"), "Lehrgang" (↑ "lehren"), "Stuhlgang" (↑ "Stuhl");
Kanossagangals demütigend empfundener Buß- oder Bittgang‹ (L056 Duden 141954), ⇓ "S055" anknüpfend an den Bußgang des deutschen Kaisers Heinrich IV. zu Papst Gregor, der sich in der norditalienischen Burg Canossa aufhielt; Bismarck 1872 im Reichstag: »Nach Kanossa gehen wir nicht!«, danach Gang nach Kanossa, Kanossagang;
gang ahd. gengigangbar‹, mhd. gengegewöhnlich‹, jetzt nur in prädikativem ⇓ "S007"
(schon mhd. ) gang und gäbe (schweizerisch gäng und gäbe) ›gebräuchlich und annehmbar‹ (vgl. gängig), zunächst von Münzen gebraucht ›Kurs habend‹, dann überhaupt ›üblich‹, ungewöhnlich adjektivisch: den gang und gäben Pessimismus(A010 Gottfried Benn, Ptolemäer 206);  
gängig erscheint seit dem 14. Jahrhundert (L059 DWb) wie gangbar für das ältere gang (s. oben);
gangbar
1geläufig, verbreitet‹ (1599; L059 DWb) (aber schon mhd. ungancbære 14. Jahrhundert; L345 Friedrich Karl Ludwig Weigand/ L345 Herman Hirt), zunächst nur von Münzen und Waren gesagt; übertragen ›gehend, beweglichdie zunge, die war noch gangbar (Simplizissimus; L059 DWb);
2begehbar‹ (1618; L059 DWb) Dies ist der einzige Weg zur Freiheit, der mir… noch gangbar erscheint (A296 Carl Zuckmayer, General 571);
gängelnam Gängelband führenwie die mutter ein kind gengelt und leret gehen (Luther; L059 DWb); übertragen ›bevormunden‹ (16. Jahrhundert; L059 DWb). Bei A075 Johann Wolfgang von Goethe einmal ›schlendernso träume ich denn und gängle durchs Leben (Brief vom 12.6.73), entsprechend: Erhohlt, getruncken, gessen, die Zeit vergängelt (Brief vom 11.12.77).
Gängelband (1716; L059 DWb) ›Band, an dem das Kind gehen lernt‹, jetzt nur noch übertragen;
jmdn. am Gängelband führen (L033 Joachim Heinrich Campe) ›jmdn. bevormunden wie ein Kind‹.
2 Fem. < amerik. -engl. gang, zunächst Mask. , ›Gruppe von (Hafen-)Arbeitern, Schmugglern‹ und (heute meist) ›Clique von Verbrechern (oder Jugendlichen)‹ (L298 Sprach-Brockhaus 1935);
Gangster"S009" < amerik. -engl. gangster (1896 L229 Suppl. OED) ›Mitglied einer Verbrecherbande‹, 1933 K.A168 Karl Kraus: Oder vielleicht ist die ganze Welt ein Opfer der Erpressung, wenn Gangster sich einer Staatskasse bemächtigen (Walpurgisnacht 210).
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