Hermann Paul - Deutsches Wörterbuch
Furcht
altgermanische Ableitung zu einem untergegangenen Adjektiv (got. faúrhts ›furchtsam‹), ahd. for(a)hta (daneben Formen mit r-Metathese, vgl. mittelniederdt. vruchte, engl. fright); die Form Forcht (s. unten fürchten) noch öfters im 18. Jahrhundert, daneben die u-Form hochdeutsch seit dem 15. Jahrhundert, auch bei Luther; der Plural (all meine hoffnungen und furchten Herder; L059 DWb) heute ungebräuchlich. Furcht war noch im 19. Jahrhundert weit häufiger als "Angst" (z. B. ist Furcht bei Goethe fast dreimal häufiger; L092 GoeWb), der Gebrauch war ausgedehnter, inzwischen sind Verbindungen wie Furcht haben, jmdm. eine Furcht einjagen (L004 Johann Christoph Adelung), panische furcht (Herder; L059 DWb) eher ungewöhnlich; Furcht liegt stilistisch höher. ⇓ "S075" Zum Wortfeld ↑ "Angst".1 (veraltend) nach religiös-biblischem Gebrauch »seelenregung der pflicht und rücksicht gegenüber einem höheren (erhabenen) wesen oder überhaupt höherem« (L059 DWb), ›Ehrfurcht‹ die furcht des Herrn ist der Weisheit anfang (A180 Martin Luther, Psalm 111,10); Ein frommer Knecht war Fridolin, / Und in der Furcht des Herrn / Ergeben der Gebieterin (A222 Friedrich Schiller, Der Gang nach dem Eisenhammer); vgl. "Ehrfurcht", "Gottesfurcht".
2.1 »Gefühl des Bedrohtseins durch eine bestimmte Gefahr oder ein bestimmtes Übel« (L097 GWb) Furcht vor dem Tod, vor einem Feind, Krieg; Furcht und Elend des Dritten Reiches (Titel bei B.A024 Bertolt Brecht 1938); nach Aristoteles ist Aufgabe der Tragödie, Furcht und Mitleid zu erregen (A177 Gotthold Ephraim Lessing Hamburgische Dramaturgie 80. Stück; vgl. auch L092 GoeWb);
2.2 ›Furchtsamkeit, Verzagtheit‹ für weiber ist die furcht (Fleming; L059 DWb); Ottilie leicht schreitend, ohne Furcht und Ängstlichkeit (A075 Johann Wolfgang von Goethe, Wahlverwandtschaften 20,82,3);
⊚ zwischen Furcht und Hoffnung schweben (Claudius; L059 DWb);
2.3 weiter abgeschwächt ›Befürchtung, Besorgnis‹ Nichts ist in seinem Ursprung jämmerlicher und in seinen Folgen gräßlicher, als die Furcht, lächerlich zu sein (F.A223 Friedrich Schlegel, Kritische Fragmente 106). – Furchtkann auch kollektiv sein, Angst ist eher individuell. Das Gefühl Furchtist »meist intensiver als das durch Angst… bezeichnete«, »der Grund kann… auch weniger konkret zukunftsbezogen oder im Glaubensbereich auf nicht rational Faßbares gerichtet sein« (H.Bergenholtz, Das Wortfeld »Angst«, 1980,174). Furcht nämlich – das ist des Menschen Erb- und Grundgefühl; aus der Furcht erklärt sich Jegliches, Erbsünde und Erbtugend (A200 Friedrich Nietzsche, Zarathustra 376); Ich vermeide es, auf die Frage näher einzugehen, ob unser Sprachgebrauch mit Angst, Furcht, Schreck das Nämliche oder deutlich Verschiedenes bezeichnen will (S.A063 Sigmund Freud I,382).
furchtbar mhd. vorhtebære; ›Angst, Schrecken einflößend‹: Furchtbare Kriegsheere rückten gegen einander (L033 Joachim Heinrich Campe), Furchtbar wird die Himmelskraft (A222 Friedrich Schiller, Glocke); seit dem 19. Jahrhundert umgangssprachlich abgeblaßt ›groß‹, adverbial ⇓ "S229" verstärkend ›sehr‹: eine furchtbare Enttäuschung; Spielst du gern Eisenbahn?… Ja, furchtbar gern (A046 Günter Eich, Träume, 2,300).
furchtsam mhd. vorht(e)sam; ursprünglich und bis ins 18. Jahrhundert wie furchtbar; seit dem Frühneuhochdeutschen ›ängstlich‹: vorhtsam, bange (1425; L059 DWb), Bin doch ein töricht furchtsam Weib! (A075 Johann Wolfgang von Goethe, Faust I,2758). ⇓ "S075"
fürchterlich statt älterem ahd. for(a)htlih, mhd. vorht(e)lich, L105 Georg Henisch hat fürchtlich, L308 Kaspar Stieler furchtlich, L305 Christoph Ernst Steinbach fürchterlich; wie furchtbar ›Angst, Schrecken einflößend‹; umgangssprachlich früh abgeblaßt ›groß‹, adverbial ›sehr‹ so fürchterlich lustig ausgeputzt (Lessing; L059 DWb). er hatte sie fürchterlich geliebt (Jean Paul; L059 DWb);
fürchten ahd. furihtan, for(a)hten, gemeingermanisch, Präteritum und Partizip mhd. vorhte, geforht, noch im 18. Jahrhundert forchte, archaisierend bei Uhland der wackre Schwabe forcht sich nit; zunächst dann furchte, gefurcht (bis ins 18. Jahrhundert), daneben gefürchtet (ahd. gifurhtit); statt fürchten für früher der Genitiv, da fürchteten wir unsers Lebens vor euch(Luther); der Akkusativ in sich fürchten anstelle eines älteren Dativs, sich zu tode fürchten (L308 Kaspar Stieler), daneben früher ein Genitiv statt des jetzigen vor, am längsten erhalten in sich der Sünde fürchten; präpositional mit wegen, mit vor: Ich furchte mich vor dem nicht (L105 Georg Henisch);
1 ›Angst vor etwas/ jmdm. haben‹, transitiv ich furchte das volck / vnd gehorchet jrer stim (A180 Martin Luther, 1.Samuel 15,24); biblisch und religiös häufig auf Gott bezogen: den Herrn fürchten / vnd auff jn hoffen (A180 Martin Luther, Psalm 40,4); des Herrn Engel trat zu jnen… Vnd sie furchten sich seer. Vnd der Engel sprach… Fürchtet euch nicht (A180 Martin Luther, Lukas 2,9f.); freier Es fürchte die Götter / Das Menschengeschlecht! (A075 Johann Wolfgang von Goethe, Lied der Parzen; Iphigenie 1726);
2 abgeschwächt ›besorgt sein‹, oft mit abhängigem Satz: ich fürchte, es regnet morgen.
befürchten (mhd. ), transitiv ›etwas fürchten(2)‹.
2.1 »Gefühl des Bedrohtseins durch eine bestimmte Gefahr oder ein bestimmtes Übel« (L097 GWb) Furcht vor dem Tod, vor einem Feind, Krieg; Furcht und Elend des Dritten Reiches (Titel bei B.A024 Bertolt Brecht 1938); nach Aristoteles ist Aufgabe der Tragödie, Furcht und Mitleid zu erregen (A177 Gotthold Ephraim Lessing Hamburgische Dramaturgie 80. Stück; vgl. auch L092 GoeWb);
2.2 ›Furchtsamkeit, Verzagtheit‹ für weiber ist die furcht (Fleming; L059 DWb); Ottilie leicht schreitend, ohne Furcht und Ängstlichkeit (A075 Johann Wolfgang von Goethe, Wahlverwandtschaften 20,82,3);
⊚ zwischen Furcht und Hoffnung schweben (Claudius; L059 DWb);
2.3 weiter abgeschwächt ›Befürchtung, Besorgnis‹ Nichts ist in seinem Ursprung jämmerlicher und in seinen Folgen gräßlicher, als die Furcht, lächerlich zu sein (F.A223 Friedrich Schlegel, Kritische Fragmente 106). – Furchtkann auch kollektiv sein, Angst ist eher individuell. Das Gefühl Furchtist »meist intensiver als das durch Angst… bezeichnete«, »der Grund kann… auch weniger konkret zukunftsbezogen oder im Glaubensbereich auf nicht rational Faßbares gerichtet sein« (H.Bergenholtz, Das Wortfeld »Angst«, 1980,174). Furcht nämlich – das ist des Menschen Erb- und Grundgefühl; aus der Furcht erklärt sich Jegliches, Erbsünde und Erbtugend (A200 Friedrich Nietzsche, Zarathustra 376); Ich vermeide es, auf die Frage näher einzugehen, ob unser Sprachgebrauch mit Angst, Furcht, Schreck das Nämliche oder deutlich Verschiedenes bezeichnen will (S.A063 Sigmund Freud I,382).
furchtbar mhd. vorhtebære; ›Angst, Schrecken einflößend‹: Furchtbare Kriegsheere rückten gegen einander (L033 Joachim Heinrich Campe), Furchtbar wird die Himmelskraft (A222 Friedrich Schiller, Glocke); seit dem 19. Jahrhundert umgangssprachlich abgeblaßt ›groß‹, adverbial ⇓ "S229" verstärkend ›sehr‹: eine furchtbare Enttäuschung; Spielst du gern Eisenbahn?… Ja, furchtbar gern (A046 Günter Eich, Träume, 2,300).
furchtsam mhd. vorht(e)sam; ursprünglich und bis ins 18. Jahrhundert wie furchtbar; seit dem Frühneuhochdeutschen ›ängstlich‹: vorhtsam, bange (1425; L059 DWb), Bin doch ein töricht furchtsam Weib! (A075 Johann Wolfgang von Goethe, Faust I,2758). ⇓ "S075"
fürchterlich statt älterem ahd. for(a)htlih, mhd. vorht(e)lich, L105 Georg Henisch hat fürchtlich, L308 Kaspar Stieler furchtlich, L305 Christoph Ernst Steinbach fürchterlich; wie furchtbar ›Angst, Schrecken einflößend‹; umgangssprachlich früh abgeblaßt ›groß‹, adverbial ›sehr‹ so fürchterlich lustig ausgeputzt (Lessing; L059 DWb). er hatte sie fürchterlich geliebt (Jean Paul; L059 DWb);
fürchten ahd. furihtan, for(a)hten, gemeingermanisch, Präteritum und Partizip mhd. vorhte, geforht, noch im 18. Jahrhundert forchte, archaisierend bei Uhland der wackre Schwabe forcht sich nit; zunächst dann furchte, gefurcht (bis ins 18. Jahrhundert), daneben gefürchtet (ahd. gifurhtit); statt fürchten für früher der Genitiv, da fürchteten wir unsers Lebens vor euch(Luther); der Akkusativ in sich fürchten anstelle eines älteren Dativs, sich zu tode fürchten (L308 Kaspar Stieler), daneben früher ein Genitiv statt des jetzigen vor, am längsten erhalten in sich der Sünde fürchten; präpositional mit wegen, mit vor: Ich furchte mich vor dem nicht (L105 Georg Henisch);
1 ›Angst vor etwas/ jmdm. haben‹, transitiv ich furchte das volck / vnd gehorchet jrer stim (A180 Martin Luther, 1.Samuel 15,24); biblisch und religiös häufig auf Gott bezogen: den Herrn fürchten / vnd auff jn hoffen (A180 Martin Luther, Psalm 40,4); des Herrn Engel trat zu jnen… Vnd sie furchten sich seer. Vnd der Engel sprach… Fürchtet euch nicht (A180 Martin Luther, Lukas 2,9f.); freier Es fürchte die Götter / Das Menschengeschlecht! (A075 Johann Wolfgang von Goethe, Lied der Parzen; Iphigenie 1726);
2 abgeschwächt ›besorgt sein‹, oft mit abhängigem Satz: ich fürchte, es regnet morgen.
befürchten (mhd. ), transitiv ›etwas fürchten(2)‹.