Hermann Paul - Deutsches Wörterbuch
für
Präposition, ahd. furi, mhd. für, indogermanisch; ursprünglich wie ↑ "vor" in lokaler Bedeutung, wobei für richtungsanzeigend – daher ursprünglich nur mit Akkusativ – war, im Gegensatz zu vor zur Bezeichnung einer Ruhelage; noch im 18. Jahrhundert keine sichere Trennung (Anomalien z. T. bis heute), dann durch vorin der ursprünglichen Verwendung ersetzt und nur noch in abgeleiteten Funktionen gebraucht.1 Unmittelbar aus der ursprünglichen Bedeutung von für abgeleitet Schritt für Schritt (eigentlich ›indem man einen Schritt vor den anderen setzt‹), Mann für Mann, Stück für Stück, Wort für Wort, seltener Fuß für Fuß, Stufe für Stufe; auf das Zeitliche übertragen: Tag für Tag, Jahr für Jahr, seltener Nacht für Nacht, Stunde für Stunde usw. Man sollte erwarten, daß hier vordurchgedrungen wäre, aber die Entscheidung Adelungs – »daß für noch weit mehr Bedeutungen hat, als anstatt; und daß es hier vor sich hin bedeute, ist völlig unrichtig« (1775) – ist maßgebend geworden.
2 Mittelhochdeutsch im Sinne von "gegen", wo sich dasselbe auf eine Abwehr bezieht (etwas wird vor den abzuwehrenden Gegenstand gebracht). Reste neuhochdeutsch vom Sprachgefühl zum Teil zu (3) gezogen; hierher wofür (daneben wovor) Gott sei, auch ich will dafür (davor) sein; für den Tod kein Kraut gewachsen ist, ein Mittel für das Fieber, für die Langeweile usw., ich kann nichts dafür (was kann ich dafür?), jetzt auch auf ein positives Veranlassen bezogen. Im 18. Jahrhundert macht dieses für noch dem Gebrauch von vor mit dem Dativ Konkurrenz: ich wünschte ihn für auswärtige Versuchungen zu wahren(Goethe), so werden ihn alle Polizeianstalten nicht für Löcher bewahren (Möser), Gott bewahre dich für einen Nachbar (Claudius), daß er sich für die Empfindlichkeit der anderen in acht nimmt (Lessing), hüte dich für mich (Boie), für das italienische [später vor dem italienischen] Frauenzimmer warne ich dich auch (Lessing), du fürchtest dich mehr für die Kanne Wein als für den Teufel (Lessing), daß er für alles Handwerk einen Abscheu bekommen (Möser), einen Ekel für alles Trinken bekommen (Lessing). Die Konkurrenz von vor und für führt dann dazu, daß auch für mit dem Dativ angewendet wird: Gott bewahre einen für der Idee(Goethe), für Anekdotenschreibern sicher(Lessing), für meinen Blicken sicher (Goethe).
3 Durch für wird ein Gegenstand angeknüpft, an den etwas gerichtet ist, mit Rücksicht auf den etwas da, so und so beschaffen ist, geschieht. Die dabei zugrundeliegende Anschauung muß auch sein, daß etwas vor den Gegenstand gebracht wird, teilweise dabei Berührung mit dem Dativ: ein Geschenk für deine Braut, Futter für das Vieh, ein Buch für Kinder, ein Mädchen für alles, eine (keine) Frau für dich, ein feines Gefühl für das Schickliche usw.; Sicherheit, Schutz, eine Lehre, Warnung, Beruhigung für ihn usw.; für etwas (jmdn. ) verwenden, bestimmen, sich gehören, geschaffen sein, besorgen, bestellen, aufbewahren, sparen, kaufen, sterben, sein Leben lassen, sich verbürgen, arbeiten, alles tun, fürchten usw., für sich nehmen, behalten; genug, gut, zuträglich, nützlich, schädlich, angenehm für jemand usw.; es ist das beste, klügste für ihn; für ihn bin ich nicht zu Hause, das ist zu schwer für mich, das ist kein Hindernis für mich, für ihn ist das ein weiter Weg, für einen Sechziger ist er noch recht rüstig, ich für meine Person, für meinen Teil; für einige Zeit, drei Wochen, heute, jetzt, diesmal usw., fürs erste. Daran schließt sich auch für sich in er ist immer für sich, er will für sich bleiben u.dgl., und an und für sich; ungewöhnlich das heilt für sichohne daß etwas dazu angewendet wird, von selbst‹ (Goethe); dafür besonders in der 1. Hälfte des 18. Jahrhunderts nicht selten vor(vor sich bei Luther, Goethe, Schiller, vor's erste Luther, fast ist mein Haus vor den Zufluß zu klein Goethe); geblieben in "vorerst", woneben früher auch für erst (Goethe); in einigen Fällen wieder Berührung mit vor: Achtung für einen Offizier (Lessing), Ehrerbietung für seinen Leser (Wieland), Ehrfurcht für ihren Fürsten(Goethe).
4 Eine besondere Anwendung von (3) ›zugunsten jemandes‹ als Gegensatz zu "gegen" oder "wider": für jmdn. (etwas) kämpfen, sprechen (auch das spricht dafür), sich entscheiden, sich erklären, Partei ergreifen usw., für jmdn. (etwas) sein, das hat viel für sich; substantivisch das Für und Wider.
5 Hauptfunktion jetzt Ausdruck einer Stellvertretung, wobei die Anschauung zugrunde liegt, daß einer vor den anderen tritt um ein Geschäft zu besorgen, was dieser eigentlich zu besorgen hätte: für jmdn. eintreten, den Dienst versehen, ein Wort für das andere setzen, für zwei arbeiten, essen, einmal für allemal oder – üblicher – ein für allemal;auch so wachsen mir Disteln für Weizen und Dornen für Gerste (Luther); hierher eigentlich auch was für ein, ↑ "wer". In manchen Fällen Berührung mit (3) für jemand zahlenan Stelle jemandes zahlen‹ und ›im Interesse jemandes zahlen‹.
6 Insbesondere, wenn es sich um ein logisches Urteil oder das Aussprechen eines solchen handelt, in Fällen, wo andere Sprachen und z. T. auch das ältere Deutsch bloßen prädikativen Akkusativ oder Nominativ anwenden, und wo teilweise 1"als" konkurriert: für etwas (er)achten, halten, ansehen, erklären, ausgeben, gelten. Es wird hierbei nicht mehr recht als Präposition empfunden, daher die Ausdehnung auf die Verbindung mit Adjektiven (für gut, recht halten usw.), deren Anwendung noch etwas weiter reicht als die der Verbindung mit Substantiven: für gut befinden, für gewiß erzählen, behaupten, für voll nehmen, für tot daliegen. Ohne Verb nichts für ungut, fürwahr (s. unten). In "vorlieb" nehmen ist anomalerweise vor das Übliche geworden, daneben allerdings nicht selten fürlieb.
7 Mit (5) berührt sich nahe die Verwendung zum Ausdruck eines Tausches, wobei für z. T. mit um wechseln kann: Gold für Papier (ein)tauschen, (ein)wechseln, für etwas zwei Mark zahlen, bieten, fordern, etwas für zwei Mark kaufen, verkaufen, bekommen, für zehn Mark zu Mittag essen, für Geld schreiben, das täte ich für mein Leben gern, seinen Lohn, seine Strafe für etw. bekommen, für etwas büßen, leiden, danken, erkenntlich sein, Dank für seine Mühe ernten, zum Dank, zum Lohn, zur Strafe für etwas usw.
8 In selbständiger Stellung adverbial nur noch in Resten, im Sinne von ›vorwärts‹ am längsten erhalten in dem noch jetzt archaisch gebrauchten fürbaß; ferner ist geblieben, auf die Zeit übertragen, für und fürimmerfort‹.
fürbaß mhd. vürbaz < adverbial für(8) und adverbial ↑ "baß" ›weiter, vorwärts‹, bereits von L003 Johann Christoph Adelung als »völlig veraltetes Nebenwort« (1775) bezeichnet und heute zum Zweck spezifischer Wirkung (z. B. scherzhaft) gebraucht, die weg also verhauen… das sie nit fürbaß kommen mochten (16. Jahrhundert; L059 DWb), v. a. von der gemächlichen Bewegung: ade, frau politik! sie mag sich fürbaß trollen (G.A.Bürger; L059 DWb); bis zum 18. Jahrhundert auch zeitlich: du solt fürbas sein from(Fastnachtspiel; L059 DWb).
Fürbitte 13. Jahrhundert mitteldt. furbete, bei Luther furbit (vgl. L345 Friedrich Karl Ludwig Weigand/ L345 Herman Hirt), L308 Kaspar Stieler hat VorbitteEine Vorbitte vor einen einlegen; vor allem in religiöser Bedeutung Furbit… fur allen Menschen [thuen] (A180 Martin Luther, 1.Timotheus 2,1), dann auch allgemeiner meine Fürbitte wegen Faust (A222 Friedrich Schiller an Goethe 17.8.95), heute veraltend.
Fürsorge mhd. vürsorgeBesorgnis um Künftiges‹ (als Empfindung), so noch 17. Jahrhundert; jetzt nur noch ›Sorge für jmdn. oder etwas‹ (als Handlung), so seit dem 17. Jahrhundert (Moscherosch); seit Anfang des 20. Jahrhunderts staatlich institutionalisiert im Sinne von ›Wohlfahrt‹, dazu Fürsorgegesetz, Fürsorgeerziehung, Fürsorgezögling (vgl. L269 Daniel Sanders/ L269 J. Ernst Wülfing), Daseinsfürsorge: Der Gedanke universaler Daseinsfürsorge (K.Jaspers, Geistige Situation 55).
Fürsprache 1716 auch "Vorsprache" (L345 Friedrich Karl Ludwig Weigand/ L345 Herman Hirt); bis zum 18. Jahrhundert speziell wie Fürsprach, Fürsprech auf das Gericht bezogen »von der Verrichtung eines Sachwalters oder Advocaten« (L003 Johann Christoph Adelung 1775); allgemeiner ›Empfehlung, gutes Wort‹: bei der Majestät Fürsprach einlegen (A222 Friedrich Schiller, Turandot 5,1).
fürwahr mhd. vür war, -e, mitteldt. vorwar, -e; beteuernd im Sinne von ›wahrlich‹: Fürwahr nein (L308 Kaspar Stieler), heute gehoben Fürwahr, ein Wein für Kenner! (L097 GWb).
Fürwort
1Ausflucht, Vorwandmit hundert für wortten und ausreden (1520; L059 DWb), das war auch ein schön fürwort (Gotthelf; L059 DWb), »noch schweizerisch« (L345 Friedrich Karl Ludwig Weigand/ L345 Herman Hirt 1909), veraltet;
2 ohne Plural ›Fürsprache, Empfehlung‹ (L308 Kaspar Stieler 1691), im 18. Jahrhundert im Niederdeutschen ↑ "Vorwort", Ich brauche dein Fürwort nicht(L004 Johann Christoph Adelung); jetzt veraltet, dafür Fürsprache;
3"S208""S124" Lehnübersetzung Ratkes für "Pronomen", so auch Gottsched, L004 Johann Christoph Adelung und L033 Joachim Heinrich Campe, bis heute v. a. in didaktischen Grammatiken üblich, L284 Justus Georg Schottelius 1641 (Gueintz, L308 Kaspar Stieler) dafür Vornennwort.
Sie können einen Link zu dem Wort setzen

Ansicht: für