Hermann Paul - Deutsches Wörterbuch
füllen
ahd. fullen, gemeingermanische Ableitung aus ↑ "voll"; ›voll machenFüllest wieder Busch und Thal / Still mit Nebelglanz (A075 Johann Wolfgang von Goethe, An den Mond). Bei Dichtern zuweilen wie voll mit Genitiv statt des üblichen mit: Krüge, zum Rande gefüllt des Weines (Voß), wessen das Gefäß ist gefüllt (Schiller). Mit einer nicht seltenen Veränderung der Konstruktion sagt man Wasser in einen Eimer füllenu.dgl., Bier abfüllen. Poetische Freiheit ist dann füllt sich das Bier in den Krügen (A075 Johann Wolfgang von Goethe, Der getreue Eckart 48), ebenso vereinzelt im Sinne von ›befriedigen, erfüllen‹: die Wünsche dieses Herzens alle zu füllen (A075 Johann Wolfgang von Goethe, Werther 19,113,15). »Küchenausdruck« seit dem Mittelhochdeutschen: eine Gans füllen (vgl. L059 DWb), häufig im Partizip Prät. : gefüllte ayer [Eier] (L105 Georg Henisch), so auch gefüllte Blumen »welche vervielfältigte Blumenblätter haben« (L004 Johann Christoph Adelung). Von Ansammlung, reflexiv der schauplatz füllet sich / mit zeugen unsres siegs (Wieland; L059 DWb); ihre augen wollten sich mit thränen füllen (J.Grimm; L059 DWb). Mit einem Zeitraum als Objekt: Leider füllt sie [Rochlitz' ›Antigone‹] nicht den ganzen Abend (L092 GoeWb), daher abendfüllend. Im Hinblick auf inneres Wahrnehmen im Sinne von ›Genüge tun, befriedigen‹, von Tönen, Worten: lieder… womit sie… herz und ohren füllt (Brockes; L059 DWb). In pietistischem und empfindsamem Sprachgebrauch auch mit psychischen Zuständen oder Vorgängen als Subjekt: Ein gut Gewissen füllt / Die Seele stets mit Muth (Weiße; L004 Johann Christoph Adelung); Grose Gedancken… füllen iezt meine Seele (L092 GoeWb).Füllhorn 1723 J.Ch.Günther als ⇓ "S124" Lehnübersetzung von lat. cornu copiae (Plautus), wie dieses als Symbol des Überflusses gebraucht.
Füllwort 1760 A177 Gotthold Ephraim Lessing: daß mihi hier blos als ein Füllwort stehet (Briefe, die neueste Literatur betreffend, 77.Brief), L004 Johann Christoph Adelung und L033 Joachim Heinrich Campe übersetzen »im gemeinen Leben ein ›Flickwort‹«.
Fülle ahd. fulli, mhd. vülle.
1"S158" Eigenschaftsbezeichnung zu "voll", eigentlich ›das Vollsein‹, dann ›volle, reichliche Masse‹; frühneuhochdeutsch häufig mit vorangehendem abhängigem Genitiv Brotes die Fülle (Luther) u.dgl. Beim Femininum und im Plural war der Genitiv nicht vom Nominativ/ Akkusativ verschieden, daher der Genitiv allmählich durch Nominativ oder Akkusativ verdrängt; schon bei Luther auch Brot die Fülle;
2 Handlungsbezeichnung zu füllen, dann daraus abgeleitet ›Mittel zum Füllen‹, Füllsel (s. unten, auch Gefüllsel): Fülle einer Pastete u.dgl.; hierher ursprünglich auch ⇓ "S243"
Hülle und Fülle ursprünglich ›Kleidung und Nahrung‹ (Füllung des Magens), im 16. Jahrhundert ›notwendiger Lebensunterhalt‹, sogar im ausdrücklichen Gegensatz zum Überfluß: des wir nicht überleng [›überflüssig‹] haben, sondern nur Hülle und Fülle (Luther), drum so gib mir Füll und Hüll, nicht zu wenig, nicht zu viel (P.Gerhard); seit dem 17. Jahrhundert durch Anlehnung an die gewöhnliche Bedeutung von Fülle(1) umgekehrt ›mehr als genug‹. Zum Gebrauch von Fülle im ⇓ "S170" Pietismus vgl. Langen.
Füller (L298 Sprach-Brockhaus 1935), nach Füllfeder und Füllhalter die jetzt üblichste umgangssprachliche Kurzform für Füllfederhalter (L218 Muret/ Sanders);  
Füllsel 1420 vulsel, zu Fülle(2).
füllig (16. Jahrhundert) ›beleibt‹.
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