Hermann Paul - Deutsches Wörterbuch
fühlen
ahd. fuolen, mhd. vüelen, westgermanisch (engl. feel, oberdeutsch untergegangen und erst neuhochdeutsch allgemein schriftsprachlich (bayrisch-österreichisch dafür "empfinden", alemannisch "spüren", "merken"; L171 Paul Kretschmer 210); ursprünglich1 auf Wahrnehmung durch den Tastsinn bezogen: Götter… / die weder sehen noch hören / noch fülen (A180 Martin Luther, Daniel 5,23), mit lassen: er nam… dornen aus der wüsten… / vnd lies es die Leute… fülen (A180 Martin Luther, Richter 8,16);
⊚ wer nicht hören will muß fühlen (L004 Johann Christoph Adelung), im Sinne von ›tastend prüfen‹ den Puls fühlen (L308 Kaspar Stieler), jmdm. auf den Zahn fühlenübertragen »auszuforschen suchen… auf die Probe stellen« (L004 Johann Christoph Adelung); fühlet mich und sehet (Luther); vgl. befühlen; im 18. Jahrhundert besonders
2 auf seelische Empfindung bezogen (L360 ZDW6,318): den Reitz der Liebe, einen innern Trieb… fühlen(L004 Johann Christoph Adelung),
⊚ jmdn. etwas fühlen lassen (vgl. L004 Johann Christoph Adelung), zart/ fein fühlen (L059 DWb), Gegensatz zu ›wissen‹: ich fühlt es wohl und wuszt es nicht (Klopstock; L059 DWb). Das Partizip fühlend im 18. Jahrhundert häufig ›gefühlvoll‹: das Haupt der fühlenden Menschen(A131 Friedrich Hölderlin, Der Archipelagus), sich fühlen ›ein Bewußtsein seines Wertes, seines Könnens haben‹ (18. Jahrhundert; L059 DWb), so häufig umgangssprachlich als Vorwurf: der fühlt sich aber (vgl. L059 DWb); nicht selten im 18. Jahrhundert reflexiver Dativ: ich fühle mir Hoffnung, Mut und Kraft (Goethe), wir würden sagen fühle in mir, fühle, daß; hierher auch fühlt sich der Moderne griechischen Geistes genug (Schiller); mit prädikativem Adjektiv: er fühlte ihn so unglücklich (Goethe), fühlte nichts als ihren Anschlag gelungen? (Schiller); allgemein mit Reflexivum: sich glücklich, getroffen, beleidigt fühlen, umgangssprachlich negiert ich fühle mich nicht ›ich bin unwohl‹, so im 18./ 19. Jahrhundert ich fühle mich ›ich bin krank, schwach‹ (vgl. L059 DWb); literarisch neben dem Reflexivum auch ein Substantiv prädikativ gesetzt, im Akkusativ: wo ich einen Gott mich fühlte (Schiller); im Nominativ : fühlt, was er ist, und fühlt sich bald ein Mann(Goethe); nicht immer läßt sich unterscheiden, ob Nominativ oder Akkusativ anzunehmen ist; auch prosaisch sich Mutter fühlen. Fast nur literarisch auch Akkusativ mit Infinitiv: und fühlte keinen Wunsch, sich ferner regen (Chamisso), der junge Mann, der sich sterben fühlt (Goethe). ↑ "Gefühl".
fühlbar (L308 Kaspar Stieler 1691); durch den Tastsinn »das man greifen und fühlen kann« (J. L.L078 Johann Leonhard Frisch; L059 DWb), vor allem dem Gefühlssinn wahrnehmbar: keine Wonne fühlen, so fühlbar sie auch allen scheint (J.A.Schlegel; L059 DWb); im 18. Jahrhundert auch aktiv »fähig, leicht zu fühlen und zu empfinden« (L004 Johann Christoph Adelung): sie soll uns fühlbar machen(Lessing), ein fühlbares Menschenherz (Herder), entsprechend Fühlbarkeit;
fühllos (veraltend) (L284 Justus Georg Schottelius), wohl aus einem in der Schriftsprache nicht mehr vorhandenen Substantiv die Fühle ⇓ "S075" ;
Fühler wie Fühlfaden und Fühlhorn ›Werkzeug zum Fühlen am Kopf der Insekten‹ 1773; übertragen seit Anfang des 19. Jahrhunderts »von etwas… , mit dem geprüft werden soll« (L059 DWb),
⊚ seine Fühler ausstrecken;
Fühlung frühnhd. vulunge; bis ins 19. Jahrhundert auch ›Empfindung‹: der tierischen Fühlungen(Schiller), wenn's aus ist mit der heißen Fühlung(Lenau); jetzt nur noch in
⊚ Fühlung mit jmdm. haben/ halten/ aufnehmen.
⊚ wer nicht hören will muß fühlen (L004 Johann Christoph Adelung), im Sinne von ›tastend prüfen‹ den Puls fühlen (L308 Kaspar Stieler), jmdm. auf den Zahn fühlenübertragen »auszuforschen suchen… auf die Probe stellen« (L004 Johann Christoph Adelung); fühlet mich und sehet (Luther); vgl. befühlen; im 18. Jahrhundert besonders
2 auf seelische Empfindung bezogen (L360 ZDW6,318): den Reitz der Liebe, einen innern Trieb… fühlen(L004 Johann Christoph Adelung),
⊚ jmdn. etwas fühlen lassen (vgl. L004 Johann Christoph Adelung), zart/ fein fühlen (L059 DWb), Gegensatz zu ›wissen‹: ich fühlt es wohl und wuszt es nicht (Klopstock; L059 DWb). Das Partizip fühlend im 18. Jahrhundert häufig ›gefühlvoll‹: das Haupt der fühlenden Menschen(A131 Friedrich Hölderlin, Der Archipelagus), sich fühlen ›ein Bewußtsein seines Wertes, seines Könnens haben‹ (18. Jahrhundert; L059 DWb), so häufig umgangssprachlich als Vorwurf: der fühlt sich aber (vgl. L059 DWb); nicht selten im 18. Jahrhundert reflexiver Dativ: ich fühle mir Hoffnung, Mut und Kraft (Goethe), wir würden sagen fühle in mir, fühle, daß; hierher auch fühlt sich der Moderne griechischen Geistes genug (Schiller); mit prädikativem Adjektiv: er fühlte ihn so unglücklich (Goethe), fühlte nichts als ihren Anschlag gelungen? (Schiller); allgemein mit Reflexivum: sich glücklich, getroffen, beleidigt fühlen, umgangssprachlich negiert ich fühle mich nicht ›ich bin unwohl‹, so im 18./ 19. Jahrhundert ich fühle mich ›ich bin krank, schwach‹ (vgl. L059 DWb); literarisch neben dem Reflexivum auch ein Substantiv prädikativ gesetzt, im Akkusativ: wo ich einen Gott mich fühlte (Schiller); im Nominativ : fühlt, was er ist, und fühlt sich bald ein Mann(Goethe); nicht immer läßt sich unterscheiden, ob Nominativ oder Akkusativ anzunehmen ist; auch prosaisch sich Mutter fühlen. Fast nur literarisch auch Akkusativ mit Infinitiv: und fühlte keinen Wunsch, sich ferner regen (Chamisso), der junge Mann, der sich sterben fühlt (Goethe). ↑ "Gefühl".
fühlbar (L308 Kaspar Stieler 1691); durch den Tastsinn »das man greifen und fühlen kann« (J. L.L078 Johann Leonhard Frisch; L059 DWb), vor allem dem Gefühlssinn wahrnehmbar: keine Wonne fühlen, so fühlbar sie auch allen scheint (J.A.Schlegel; L059 DWb); im 18. Jahrhundert auch aktiv »fähig, leicht zu fühlen und zu empfinden« (L004 Johann Christoph Adelung): sie soll uns fühlbar machen(Lessing), ein fühlbares Menschenherz (Herder), entsprechend Fühlbarkeit;
fühllos (veraltend) (L284 Justus Georg Schottelius), wohl aus einem in der Schriftsprache nicht mehr vorhandenen Substantiv die Fühle ⇓ "S075" ;
Fühler wie Fühlfaden und Fühlhorn ›Werkzeug zum Fühlen am Kopf der Insekten‹ 1773; übertragen seit Anfang des 19. Jahrhunderts »von etwas… , mit dem geprüft werden soll« (L059 DWb),
⊚ seine Fühler ausstrecken;
Fühlung frühnhd. vulunge; bis ins 19. Jahrhundert auch ›Empfindung‹: der tierischen Fühlungen(Schiller), wenn's aus ist mit der heißen Fühlung(Lenau); jetzt nur noch in
⊚ Fühlung mit jmdm. haben/ halten/ aufnehmen.