Hermann Paul - Deutsches Wörterbuch
früh
ahd. fruoi, Adverb fruo; schon mittelhochdeutsch die Adjektivform auch für das Adverb und umgekehrt; oberdt. fruh allgemein (mehrmals bei Goethe); nur deutsch und niederländisch, verwandt mit griech. proi ›früh‹; über weitere Verwandtschaft ↑ "vor"; ⇓ "S012" Gegensatz "spät", zunächst bezogen auf die Tageszeit, dann auch auf Jahres-, Lebenszeit, überhaupt auf jede Art von Zeitraum ›etwas tritt bald nach dem Beginn des betreffenden Zeitraumes oder eher, als man erwartet, einFrue morgens vnd vor tage auffstehen (L105 Georg Henisch), früh am Morgen (mhd. ) und morgen früh (mhd. morgen vrüeje), das frühe Aufstehen (L033 Joachim Heinrich Campe), übertragen die frühe lerche (Herder; L059 DWb) ›die früh am Morgen singt‹; jahreszeitlich auf die Natur bezogen: Fruhes Obst (L308 Kaspar Stieler), die fruhe Sat (ebenda); vom Lebensalter in früher Kinderzeit (A222 Friedrich Schiller, Braut 1294), früh übt sich, was ein Meister werden will (A222 Friedrich Schiller, Tell 3,1), der frühe Goethein der ersten Schaffensphase‹; als allgemeiner Zeitbegriff früh und spät (mhd. ) ›immer, ständig‹, Gegensatz zu ›Mitte‹ oder ›Endein den frühen zwanziger Jahren; im Sinne von ›vorzeitig‹, ›verfrühtFruyer tod »der ee zeyt in der jugend vnd vor dem rechten alter kumt« (L200 Josua Maaler), Fruhe Geburt »unvollkomliche« (L105 Georg Henisch), dagegen ›rechtzeitigda kompt man noch frue gnug hin (L105 Georg Henisch); der Komparativ drückt ein relatives Verhältnis zu einem Zeitpunkt aus, der an sich spät sein kann und berührt sich mit "eher":
früher oder späterirgendwann einmal bestimmt‹, im 18. Jahrhundert noch im Positiv: Die Strafe kommt gewiß… früh oder spät (L004 Johann Christoph Adelung); im Sinne von ›vormals, ehedem‹: früher lebte man hier einfacher (L059 DWb), Du bist nicht mehr so wie du früher warst (S.A067 Stefan George, Manuel), mit dem frühesten adverbial ›sehr früh‹; frühestens (vgl. "ehestens", längstens [↑ "längst"], spätestens [↑ "spät"]) ›der erste unter den Zeitpunkten, in denen das Eintreten eines Geschehens zu erwarten ist‹.
Frühjahr Verschmelzung aus früh und "Jahr" (L169 Matthias Kramer 1678, ursprünglich ⇓ "S137" mitteldeutsch), an die Stelle von ↑ "Lenz" getreten; vorwiegend landwirtschaftlich und prosaischer als Frühling, meint die unmittelbar auf den Winter folgende Zeit, die Bestellzeit des Ackers: Das Frühjahr ist kommen, der Frühling noch nicht; Noch macht die Natur uns ein saures Gesicht(Stolberg). Bei Goethe ist Frühjahr häufiger als Frühling, wird jedoch nicht poetisch verwendet (L092 GoeWb). Die Gegenbildung SpätjahrHerbst‹ 1736 (L164 Friedrich Kluge). Vgl. L048 DWAIV.
Frühling als Gegenwort zu "Spätling" ›Herbst‹ seit dem 15. Jahrhundert, ›die Zeit des Wiedererwachens der Natur‹, erste der vier Jahreszeiten: »die zeit deß Jahrs so begreifft den Mertzen / Aprill / vnd Meyen« (L105 Georg Henisch); poetisch auch synonym "Mai" (winter und meie Walther v. d.Vogelweide 39,1) und Zeit der Liebe; Frühling läßt sein blaues Band / Wieder flattern durch die Lüfte (A192 Eduard Mörike, Er ist's). Häufig übertragen: Frühling des Lebens, ewiger Frühling; Frühling des allgemeinen Völkerwohls 1798 L033 Joachim Heinrich Campe, Völkerfrühling 1818 Börne (L062 DWG2,268), im Titel Des Minnesangs Frühling (Minnesangs Frühling, hg.von K.Lachmann und M.Haupt, 1857).
Frühstück 15. Jahrhundert (mhd. dafür auch vruo-ezzen, vruo-imbiz; mittelniederdt. vrokost, woraus dän. frokost, schwed. frukost). Unter Stück ist dabei wohl ein Stück Brot verstanden (vgl. bayr. ↑ "Brotzeit"), südwestdt. ↑ "Vesper", österr. ↑ "Jause" (L066 Jürgen Eichhoff, Karte 35 u. 36); daraus abgeleitet
frühstücken (15. Jahrhundert).
Frühe ahd. fruoi; vor allem literarisch sie… erhub sich / schon in dämmernder frühe zum himmel empor (Voß; L059 DWb), Schwarze Milch der Frühe wir trinken sie abends / wir trinken sie mittags und morgens wir trinken sie nachts (A035 Paul Celan, Todesfuge); allgemein Inn aller frue (L105 Georg Henisch), in der Frühe oberdeutsch umgangssprachlich.
Sie können einen Link zu dem Wort setzen

Ansicht: früh