Hermann Paul - Deutsches Wörterbuch
Frieden
ahd. fridu, mhd. fride, gemeingermanisch, ursprünglich starkes Mask. , daher noch bis ins 19. Jahrhundert zuweilen Dativ und Akkusativ Friede, "Störenfried" (↑ "stören"); dann schwach dekliniert, schließlich ist das n in den Nominativ gedrungen (↑ "Backe"), Genitiv immer Friedens; aus der gleichen Wurzel wie ↑ "frei". Seine frühe Bedeutung ›gesetzlicher Schutz vor Waffengewalt‹ mußte mit den mittelalterlichen Rechtsverhältnissen untergehen, auf diese bezogen zuweilen noch in neuerer Zeit: Euch schützt des Königs Frieden (Schiller), besonders in Zusammensetzungen "Burgfriede", {{link}}Landfriede{{/link}}, Gottesfriede, Königsfriede, Marktfriede; für moderne Verhältnisse nur noch in Hausfriede, Hausfriedensbruch, "Burgfriede" auch ›Gebiet, innerhalb dessen der Schutz gilt‹; südostdeutsch ›Umzäunung‹, daher "einfrieden", einfriedigen, "umfrieden", "umfriedigen" (auch ↑ "befriedigen"); dem ältesten Sinn nahe1Waffenruhe zwischen zwei Gegnern‹, insbesondere durch Vertrag hergestellt, mittelhochdeutsch meist ›Waffenstillstand‹; erst allmählich
2dem Krieg entgegengesetzter Zustand‹, in Verbindung mit machen bereits mittelhochdeutsch: ein steten friden ze machen / wol in dem ganzen rich (Hildebrand; L059 DWb), Gott Lob! Nun ist erschollen / Das edle Fried- und Freudenwort(P.Gerhardt, Verkündigung des Friedens [von 1648]), im 17. Jahrhundert zahlreiche Zusammensetzungen: Friedensbote, Friedensfeind, Friedensgenoß, Friedensgesandter, Friedensjahr, Friedenskummer, Friedenslust, Friedensmann, Friedensquell, Friedensrede, Friedensschaffer, Friedenssegen, Friedenssonne, Friedenswerk, Friedensworte, Friedenswunsch (alle L308 Kaspar Stieler), den Frieden garantiren… Friede halten… schaffen (L308 Kaspar Stieler), Es ist Frieden im Lande, Den Frieden brechen (L003 Johann Christoph Adelung 1775); seit dem 18. Jahrhundert als ⇓ "S168" philosophischer Vernunftbegriff gedeutet: daß ein Ausrottungskrieg… den ewigen Frieden nur auf dem großen Kirchhofe der Menschengattung stattfinden lassen würde (1795 I.A153 Immanuel Kant, Zum ewigen Frieden; AA 8,347), so dann staatstheoretisch: Die Vernunft fordert Frieden… Der Krieg also ist eine faktische Auflehnung gegen die Herrschaft der Vernunft (L262 Carl von Rotteck/ L262 Carl Welcker 6,80); daneben im 19. Jahrhundert auch negativ gedeutet: Friede hat das Menschenleben / Still verwahrlost, sanft verwüstet / … / Kampf und Tod die Welt erfrischen (N.Lenau, Der Waffenschmied); die Deutung aus dem Kriegserlebnis heraus: wenn ich das Wort Friede höre, [möchte ich] irgend etwas Unausdenkbares tun, so steigt es mir zu Kopf (A212 Erich Maria Remarque, Westen 90); Wenn die Oberen von Frieden reden / Weiß das gemeine Volk / Daß es Krieg gibt (1939 B.A024 Bertolt Brecht, Gedichte 4,12); Die Welt braucht Frieden, um Lebens und Sterbens willen (1945 Th.A183 Thomas Mann, Rundfunkreden 1.1.). Daneben nicht bloß für den Zustand, sondern
3 auch die Herstellung des Zustandes, den Vertrag darüber: der Westfälische Frieden, von Wendungen wie Frieden machen/ schließen ausgegangen (mhd. dafür suone): Der Friede ist zwar geschlossen, aber noch nicht unterschrieben(L003 Johann Christoph Adelung 1775); weiterhin abgeblaßt
4 Gegensatz zu Zank und "Streit" (bereits ahd. ; vgl. L320 Trübner): stört nur / Nie den Frieden der Liebenden (A131 Friedrich Hölderlin, Das Unverzeihliche); geflügeltes Wort: Es kann der Frömmste nicht in Frieden bleiben, / Wenn es dem bösen Nachbar nicht gefällt (A222 Friedrich Schiller, Tell 4,3), redensartlich jmdn. in Frieden lassenin Ruhe lassen‹; dann auch
5 Gegensatz zu innerer Beunruhigung, so vor allem religiös: Der alte Man sprach / Friede sey mit dir (A180 Martin Luther, Richter 19,20), Der Herr hebe sein Angesicht vber dich / Vnd gebe dir Friede (A180 Martin Luther, 4.Mose 6,26), weltlich ich liebe meine ruh und suche nichts als friede (J.Ch.Günther; L059 DWb), Seelenfrieden. Vgl. L086 GG2,543ff.; D.N.Yeandle, Frieden im ›Neuen Deutschland‹, 1991. ⇑ "befriedigen", "zufrieden", "Friedhof".
Friedensbewegung"S175" W.Fabian/ K.Lenz (Hgg. ), Die Friedensbewegung 1922, »erstrebt Rechts-, statt Machtverhältnis zwischen den Staaten« (L201 Lutz Mackensen), vor allem seit Mitte der siebziger Jahre zur Bekämpfung atomarer Rüstung;
Friedensfuß (L344 Wessely-Schmidt 61925), Gegensatz "Kriegsfuß";
Friedenspfeife"S124" Lehnübersetzung von engl. pipe of peace, 1721/ 23 J.J.Bodmer / J.J.Breitinger, Die Discourse der Mahlern, T.2,13 Ich presentiere euch meine Iroquesische Friedens=Tobacks=Pfeifen, nach der Landes=Art dieser Wilden; 1777 Schlözer, 1795 Jean Paul, auch Stolberg, Voß; später durch J.F.Coopers ›Lederstrumpf‹ verbreitet;
Friedenstaube süsze liebe friedenstaube, / die du schnell den Ölzweig bringst (Weiße; L059 DWb), dann erst wieder im L337 WdG als »Neuprägung« verzeichnet »Symbol des Friedens«: Picasso zeichnete die Friedenstaube (L337 WdG);
Friedensvertrag »Vertrag,… der den Frieden herbeiführt« (L033 Joachim Heinrich Campe);
Friedensware seit dem 2.Weltkrieg Bezeichnung für vor dem Krieg hergestellte und danach noch erhältliche Ware höherer Güte, übertragen: Naa, naa, den Kopf kann i net riskieren, der is noch Friedensware (A296 Carl Zuckmayer, General 509).
friedfertig A180 Martin Luther, Matthäus 5,9 für älteres friedsam: Selig sind die Friedfertigen, ein friedfertiges Gemüth (L004 Johann Christoph Adelung).
friedlich mhd. fridelich
1 Gegensatz zu "kriegerisch", friedliche Zeiten (L308 Kaspar Stieler), friedlich gesinnt sein;
2 im Sinne von ›ruhigein friedlicher Mensch, friedlich einschlafensterben‹, übertragen das Ganze [die Landschaft] hatte einen friedlichen Charakter (A075 Johann Wolfgang von Goethe, Wahlverwandtschaften 20,185,1).
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