Hermann Paul - Deutsches Wörterbuch
fremd
ahd. fremidi, landschaftlich und literarisch noch fremde, mhd. fremede, altgermanisch, abgeleitet aus fram›vorwärts‹, dann ›weg‹, daher ursprünglich bis ins Mittelhochdeutsche ›entfernt‹;1 ›einem anderen Land, Ort, Haus angehörig‹ vnter ein frembd Volck sie zuuerkeuffen hat er nicht macht(A180 Martin Luther, 2.Mose 21,8), Auß frembden Landen wider zu Hause kommen (L105 Georg Henisch), fremde Sprachen… lernen (L169 Matthias Kramer), ich bin hier fremd (L033 Joachim Heinrich Campe), dazu ↑ "überfremden"; daneben
2 ›nicht befreundet oder vertraut‹ inn frembde Händ kommen (L105 Georg Henisch), sich in fremde Angelegenheiten mischen, bei Henisch Händel, Hader; ⇓ "S075" dann auch
3 ›unbekannt‹: Jch bin frembd worden meinen brüdern / Vnd vnbekand meiner Mutter kindern (A180 Martin Luther, Psalm 69,9), das… unerhört und uns frembd ding zu hören (16. Jahrhundert; L059 DWb), Ein fremdes Gesicht (L308 Kaspar Stieler), umgangssprachlich substantivisch: Wenn es jemand Fremdes ist, so bin ich nicht zu Hause (Weiße; L003 Johann Christoph Adelung 1775), Ich bin nicht, was ich war, ich bin mir fremde worden (J.Ch.Günther; L305 Christoph Ernst Steinbach), sich fremd stellen (Luther; L059 DWb), fremd tun ›sich zurückhalten‹ (vgl. L059 DWb): Ich tat fremd, gab mir Mühe gleichmütig den Kellner zu betrachten unbewegten Gesichtes (A143 Uwe Johnson, Jakob 74), ⇓ "S228" verstärkend "wildfremd" (16. Jahrhundert); in der älteren Sprache auch oft ›ungewöhnlich, seltsam‹: einer Meinung, die vielleicht manchem sehr fremd vorkommen wird (Lessing), so ist es so fremde, wenn Klopstock Lipsius durchgängig verteidigt (Herder); U.Beul, Fremd. Eine semantische Studie, 1968.
befremden (15. Jahrhundert; L345 Friedrich Karl Ludwig Weigand/ L345 Herman Hirt), zumeist unpersönlich mich durch nichts befremden zu lassen (Wieland; L059 DWb);
befremdlich (16. Jahrhundert; W.L244 Wolfgang Pfeifer), Das kommt mir sehr befremdlich vor(L004 Johann Christoph Adelung).
verfremden ›fremd machen, entfremden‹ (15. Jahrhundert), ↑ "entfremden";
Verfremdung (L033 Joachim Heinrich Campe), Ein Gefühl der Verfremdung… , weil der Ohm es bei falschem Namen genannt (L264 Daniel Sanders); seit 1936 als ⇓ "S127" literaturtheoretischer Begriff von Brecht aus dem Russischen (V.Љklovskij) übertragen: Verfremdung. Bestimmte Vorgänge des Stückes sollten… aus dem Bezirk des Alltäglichen, Selbstverständlichen, Erwarteten gehoben (verfremdet) werden (B.A024 Bertolt Brecht; 17,1087), dazu Verfremdungseffekt – Der Zweck… des Verfremdungseffekts war es, dem Zuschauer eine untersuchende, kritische Haltung gegenüber dem darzustellenden Vorgang zu verleihen (Kurze Beschreibung; 15,341), dafür kurz V-Effekt (Kurze Beschreibung; ebenda).
Fremde mhd. vremede; Gegensatz zu "Heimat", noch bei J.Grimm für heute üblicheres "Ausland": das mädchen aus der fremde.
Fremdenverkehr 1866 L.Otto-Peters, heute zunehmend von "Tourismus" verdrängt.
Fremdling mhd. vremdelinc; früher im Sinne von "Ausländer": Glückliches Stutgard, nimm freundlich den Fremdling mir auf! (A131 Friedrich Hölderlin, Stutgard), die ⇓ "S140" movierte Form Fremdlingin noch bei M.A064 Max Frisch: Soll ich vielleicht sagen, es gibt in Andorra kein anständiges Zimmer? Ich bin Gastwirt. Man kann eine Fremdlingin nicht von der Schwelle weisen (1957/ 61 Andorra 510).
Fremdsprache (L265 Daniel Sanders Erg. 1885), ⇓ "S208" Gegensatz "Muttersprache", zuvor fremde Sprache (L169 Matthias Kramer 1702); So sollte die Erlernung der fremden Sprachen als ein Hilfsmittel, die Muttersprache besser zu verstehen (A101 Johann Georg Hamann, Schriften 1,160);
Fremdwort (1815 K.C.F.Krause) ⇓ "S208" ›das in die eigene Sprache übernommene, im wesentlichen unveränderte Wort einer fremden Sprache‹ so daß… die aus unseren forttreibenden Wurzelwörtern aufgegangene Waldung die nur als Flugsame aufgekeimten Fremd-Wörter ersticken und verschatten muß (31819 A139 Jean Paul, Vorrede zum Hesperus, 4f.), von J.Grimm nicht gebraucht, aber gebucht (L059 DWb), zuvor fremdes Wort (1641 L284 Justus Georg Schottelius, Gueintz, Zesen; L164 Friedrich Kluge), auch ausländisches Wort; erst im 20. Jahrhundert die Differenzierung von Fremdwort und "Lehnwort" (↑ "Lehen");
⊚ für jmdn. ein Fremdwort sein: vor dreizehn Jahren war für die meisten im Saal… das Abitur ein Fremdwort, so hoch und feierlich wie der Kölner Dom (H.A151 Hermann Kant, Aula 363) ›wenn jmdm. etwas fern steht, fremd ist‹. Fremdwörterbuch (↑ "Wort").
2 ›nicht befreundet oder vertraut‹ inn frembde Händ kommen (L105 Georg Henisch), sich in fremde Angelegenheiten mischen, bei Henisch Händel, Hader; ⇓ "S075" dann auch
3 ›unbekannt‹: Jch bin frembd worden meinen brüdern / Vnd vnbekand meiner Mutter kindern (A180 Martin Luther, Psalm 69,9), das… unerhört und uns frembd ding zu hören (16. Jahrhundert; L059 DWb), Ein fremdes Gesicht (L308 Kaspar Stieler), umgangssprachlich substantivisch: Wenn es jemand Fremdes ist, so bin ich nicht zu Hause (Weiße; L003 Johann Christoph Adelung 1775), Ich bin nicht, was ich war, ich bin mir fremde worden (J.Ch.Günther; L305 Christoph Ernst Steinbach), sich fremd stellen (Luther; L059 DWb), fremd tun ›sich zurückhalten‹ (vgl. L059 DWb): Ich tat fremd, gab mir Mühe gleichmütig den Kellner zu betrachten unbewegten Gesichtes (A143 Uwe Johnson, Jakob 74), ⇓ "S228" verstärkend "wildfremd" (16. Jahrhundert); in der älteren Sprache auch oft ›ungewöhnlich, seltsam‹: einer Meinung, die vielleicht manchem sehr fremd vorkommen wird (Lessing), so ist es so fremde, wenn Klopstock Lipsius durchgängig verteidigt (Herder); U.Beul, Fremd. Eine semantische Studie, 1968.
befremden (15. Jahrhundert; L345 Friedrich Karl Ludwig Weigand/ L345 Herman Hirt), zumeist unpersönlich mich durch nichts befremden zu lassen (Wieland; L059 DWb);
befremdlich (16. Jahrhundert; W.L244 Wolfgang Pfeifer), Das kommt mir sehr befremdlich vor(L004 Johann Christoph Adelung).
verfremden ›fremd machen, entfremden‹ (15. Jahrhundert), ↑ "entfremden";
Verfremdung (L033 Joachim Heinrich Campe), Ein Gefühl der Verfremdung… , weil der Ohm es bei falschem Namen genannt (L264 Daniel Sanders); seit 1936 als ⇓ "S127" literaturtheoretischer Begriff von Brecht aus dem Russischen (V.Љklovskij) übertragen: Verfremdung. Bestimmte Vorgänge des Stückes sollten… aus dem Bezirk des Alltäglichen, Selbstverständlichen, Erwarteten gehoben (verfremdet) werden (B.A024 Bertolt Brecht; 17,1087), dazu Verfremdungseffekt – Der Zweck… des Verfremdungseffekts war es, dem Zuschauer eine untersuchende, kritische Haltung gegenüber dem darzustellenden Vorgang zu verleihen (Kurze Beschreibung; 15,341), dafür kurz V-Effekt (Kurze Beschreibung; ebenda).
Fremde mhd. vremede; Gegensatz zu "Heimat", noch bei J.Grimm für heute üblicheres "Ausland": das mädchen aus der fremde.
Fremdenverkehr 1866 L.Otto-Peters, heute zunehmend von "Tourismus" verdrängt.
Fremdling mhd. vremdelinc; früher im Sinne von "Ausländer": Glückliches Stutgard, nimm freundlich den Fremdling mir auf! (A131 Friedrich Hölderlin, Stutgard), die ⇓ "S140" movierte Form Fremdlingin noch bei M.A064 Max Frisch: Soll ich vielleicht sagen, es gibt in Andorra kein anständiges Zimmer? Ich bin Gastwirt. Man kann eine Fremdlingin nicht von der Schwelle weisen (1957/ 61 Andorra 510).
Fremdsprache (L265 Daniel Sanders Erg. 1885), ⇓ "S208" Gegensatz "Muttersprache", zuvor fremde Sprache (L169 Matthias Kramer 1702); So sollte die Erlernung der fremden Sprachen als ein Hilfsmittel, die Muttersprache besser zu verstehen (A101 Johann Georg Hamann, Schriften 1,160);
Fremdwort (1815 K.C.F.Krause) ⇓ "S208" ›das in die eigene Sprache übernommene, im wesentlichen unveränderte Wort einer fremden Sprache‹ so daß… die aus unseren forttreibenden Wurzelwörtern aufgegangene Waldung die nur als Flugsame aufgekeimten Fremd-Wörter ersticken und verschatten muß (31819 A139 Jean Paul, Vorrede zum Hesperus, 4f.), von J.Grimm nicht gebraucht, aber gebucht (L059 DWb), zuvor fremdes Wort (1641 L284 Justus Georg Schottelius, Gueintz, Zesen; L164 Friedrich Kluge), auch ausländisches Wort; erst im 20. Jahrhundert die Differenzierung von Fremdwort und "Lehnwort" (↑ "Lehen");
⊚ für jmdn. ein Fremdwort sein: vor dreizehn Jahren war für die meisten im Saal… das Abitur ein Fremdwort, so hoch und feierlich wie der Kölner Dom (H.A151 Hermann Kant, Aula 363) ›wenn jmdm. etwas fern steht, fremd ist‹. Fremdwörterbuch (↑ "Wort").