Hermann Paul - Deutsches Wörterbuch
frei
ahd. / mhd. fri, gemeingermanisch; zu einer weitverbreiteten Wurzel, deren ursprüngliche Bedeutung ›lieb, lieben‹ gewesen ist, dazu auch freien (s. unten), "Freund", "Frieden", "Freitag". Daraus im Germanischen wie Keltischen ›zur eigenen Sippe gehörig, frei‹ (Mezger, in: Festschrift Th. Frings 1956,12ff.).1 Zunächst Standesbezeichnung als Gegensatz zu den verschiedenen Arten der Unfreien, unter die auch die Kriegsgefangenen fielen.
2.1 In der historischen Entwicklung war es begründet, daß später der Gegensatz zu dem im Kampf Gefangenen oder mit Freiheitsstrafe Belegten mehr in den Vordergrund getreten ist: redensartlich auff freye fueß gestellt werden (1659; L320 Trübner);
2.2 weiterhin ›unabhängig von einem Souverän‹ (Freistaat [s. unten], Freie Stadt), überhaupt ›rechtlich oder politisch unabhängig, ungebunden‹ er si dienstman oder fri (Walther v. d.Vogelweide 85,18); ein freies Land, ein freier Abgeordneter.
3 Noch allgemeiner drückt frei die Abwesenheit eines Zwanges aus, sei es eines positiv ausbleibenden Zwanges ( freier Wille, von freien Stücken, aus freier Hand, freie Verfügung, freigebig [s. unten], im Lied Die Gedanken sind frei [bereits mhd. gedanke sint vri [[Seifried Helbling]]; international verbreitet, vgl. L333 Karl Friedrich Wilhelm Wander 1,1395]), sei es eines hindernden Zwanges (es steht mir frei, freie Hand haben, freien Lauf lassen, freier Zutritt, das Haar frei wachsen lassen, Freihandel usw.); auch für die subjektive Nichtbeachtung eines Zwanges gilt frei: freie Meinung, freie Äußerung, freies Benehmen, frei sagen, Freimut, Freisinn, Freigeist, Freidenker; Ein freies Leben führen wir (A222 Friedrich Schiller, Räuber 4,5). Idealisierend als Naturzustand des Menschen: Der Mensch ist frei geschaffen, ist frei, / Und würd er in Ketten geboren (A222 Friedrich Schiller, Worte des Glaubens); Der Mensch ist nicht frei. Obwohl es vorkommt (A169 Franz Xaver Kroetz, Maria 104).
4 Abwertend im Sinne von ›ungehörig, frech, schamlos‹, bereits mittelhochdeutsch: Hüetent wol der drier [Zunge, Augen, Ohren] / leider alze frier (Walther v. d.Vogelweide 87,34); frei von moralischem Zwange (L004 Johann Christoph Adelung).
5 Weiter ›unabhängig von Anweisung oder Muster‹: frei reden ›ohne Konzept‹, erfinden, nachahmen, übersetzen, mit freier Hand, ⇓ "S192" schlagwortartig freies Spiel der Kräfte (18. Jahrhundert; L181 Otto Ladendorf), hierher auch Freie Künste »artes liberales« (L308 Kaspar Stieler): den freien künsten sind handwerk und strenge künste entgegengestellt (L059 DWb).
6 In spezieller Hinsicht:
6.1 ›nicht an einen Partner gebunden‹ das Mädchen ist noch frei, sein Herz ist frei (vgl. L059 DWb);
6.2 ›nicht zur Verwendung in Anspruch genommen‹: freie Zeit, ich habe heute frei, die Halle ist frei;
6.3 ›nicht eingeschlossen oder bedeckt‹: freier Platz, unter freiem Himmel, in freier Luft, Freilicht, das Freie, freie Aussicht, frei liegen, sich freimachen ›entkleiden‹, dazu rückenfrei, kniefrei, ⇓ "S192"
⊚ freie Bahn dem Tüchtigen aufforderndes Schlagwort seit dem früheren 20. Jahrhundert (L320 Trübner).
7 Bei Angabe einer besonderen Beziehung im Sinne von ›ohne, nicht habend‹ (in bezug auf Belastendes): frei von Schmerzen, Sorge, Schuld, Schulden, Steuern; auch ohne eine solche Angabe ›ohne Kosten‹ freie Kost; der Eintritt ist frei; Freitisch, Freibier, Freikarte, beitragsfrei, kostenfrei; neben von (mhd. ) früher Genitiv dann bist du deines Dienstes frei (Goethe); erstarrt ist vorangestellter Genitiv in vielen Zusammensetzungen: schuldenfrei, sorgenfrei, vorwurfsfrei; so auch in rechtsextremen Hetzparolen wie ⇓ "S207" ausländerfrei (Unwort des Jahres 1991; ↑ "Unwort") und ⇓ "S207" judenfrei, anders willensfrei usw. Prädikatives frei geht enge Verbindung mit verschiedenen Verben ein: freigeben, freilassen, freisprechen, freistellen, hierzu wahrscheinlich auch die Lutherstelle er hilft uns frei aus aller Not. J.Vögeding, Das Halbsuffix -frei, 1981.
Freibad »offene Badestelle am Strand etc., für jedermann frei« (L344 Wessely-Schmidt 61925), jetzt Gegensatz zu Hallenbad (↑ "Bad");
Freibier »Gnadenbier« (L308 Kaspar Stieler), »welches jemanden unentgeldlich gegeben wird« (L004 Johann Christoph Adelung);
Freibrief (mhd. ), ursprünglich ›Dokument, das Freiheiten gewährt‹, heute nur noch übertragen wie bereits im 18. Jahrhundert: Der Unschuld Freibrief hilft uns sicher durch das Leben (Weiße; L004 Johann Christoph Adelung), häufig in der festen Formel
⊚ das ist kein Freibrief (für etwas);
Freidenker 1715 Leibniz, ⇓ "S124" Lehnübersetzung von engl. freethinker (1692);
freigebig mhd. vrigebelich, übertragen mit Worten… Complimenten… Titeln sehr freygebig seyn (L004 Johann Christoph Adelung);
Freigeist 1663 ⇓ "S124" Lehnübersetzung ⇓ "S071" L284 Justus Georg Schotteliuss von franz. esprit libre, vor allem auf die Religion bezogen, dann auch Freigeist der Tugend, in der Sittenlehre(L004 Johann Christoph Adelung), ⇓ "S175" politisch: Nationalismus, [der] ihren Mann… aus einem geachteten Freigeist in den Ätzgeist eines bodenfremden Abstämmlings verwandelte (A199 Robert Musil, Mann 203);
Freihandel 1848 ⇓ "S124" Lehnübersetzung von engl. free-trade.
Freiheit ahd. friheit(wohl Prägung Notkers); entspricht als Zustandsbezeichnung den Verwendungen von frei.
1 Gegensatz von "Unterdrückung", speziell von "Knechtschaft": eine Leibeigen magd [die] nicht erlöset / noch Freiheit erlanget hat (A180 Martin Luther, 3.Mose 19,20), Einem Leibeigenen die Freiheit schenken(L004 Johann Christoph Adelung); bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts ständische Freiheit (L086 GG2,490), bürgerliche Freiheit »die Befugnis, alles tun zu dürfen, welches Gesetze… nicht untersagen« (1792; L086 GG 2, 480); Gegensatz zu "Gefangenschaft": in Freiheit setzen (L308 Kaspar Stieler), wieder in Freiheit sein (L004 Johann Christoph Adelung),
⊚ jmdn. seiner Freiheit berauben; allgemeiner ›Unabhängigkeit‹ Maler und Poeten haben große Freiheit (L308 Kaspar Stieler), künstlerische Freiheit, dichterische Freiheit nach Seneca licentia poetica, Freiheit des Geistes (Gellert; L004 Johann Christoph Adelung); als ⇓ "S168" philosophischer Begriff religiös gedeutet: Von der Freyheyt einiß Christen menschen: Das wir grundlich mugen erkennen… die freyheyt / die yhm Christus erworben (1520 Luther; zitiert nach L.E.Schmitt [Hg.] 21953,37; vgl. weiter A.Lobenstein-Reichmann, Freiheit bei M.Luther, 1998); seit dem 17. Jahrhundert vor allem ethischer Vernunftbegriff: Freiheit… das Vermögen der reinen Vernunft für sich selbst praktisch zu sein (I.A153 Immanuel Kant, AA 6,213f.), daher bei L004 Johann Christoph Adelung wahre Freiheit »die Willkühr unter der Leitung der Vernunft«; von Dichtern viel besungen: O Freiheit, / Silberton dem Ohre, / Licht dem Verstand und hoher Flug zu denken! (A162 Friedrich Gottlieb Klopstock, Das neue Jahrhundert); Hymne an die Freiheit (A131 Friedrich Hölderlin, Titel); Wahrheit, Freiheit, Schönheit! / Wer dieser genießt, bedarf/ der andern Güter keines (A131 Friedrich Hölderlin, Stammbuchblatt für Heinrike Hölderlin); Nur der verdient sich Freiheit wie das Leben, / Der täglich sie erobern muß (A075 Johann Wolfgang von Goethe, Faust II,11575); Aus der Welt die Freiheit verschwunden ist, / Man sieht nur Herren und Knechte (A222 Friedrich Schiller, Reiterlied); Das Gesetz hat noch keinen großen Mann gebildet, aber die Freiheit brütet Kolosse und Extremitäten aus (A222 Friedrich Schiller, Räuber 1,2); ⇓ "S175" im Anschluß an die Aufklärungsphilosophie zunächst sozialethisch (im Sinne von ›Ungezwungenheit‹) verstanden, vgl. Im Umgange mit Fremden, und auf Reisen, herrschet eine edle Freiheit, die von der Gleichheit herrühret (›Der Gesellige‹ 1748–50, T.4,194); Freiheit, Geselligkeit und Gleichheit, wie sie jetzt überall aufkeimen (1774 A121 Johann Gottfried Herder, Auch eine Philosophie; 5,576); dann zunehmend politisch akzentuiert, seit der Französischen Revolution schlagwortartig, besonders auch in der Formel ⇓ "S192"
⊚ Freiheit und Gleichheit (vorgeprägt in Rousseaus ›Contrat social‹ als la liberté et l'égalité; früh auch bei Goethe (vgl. L092 GoeWb; zur französischen Revolutionsparole Greive, in: L058 DVjS43,746f.): Ueber Freyheit und Gleichheit (1793; L086 GG2,483), bei I.Kant Vom angeborenen Recht auf Freiheit und Gleichheit, dazu die zahlreichen Komposita bei L033 Joachim Heinrich Campe: Freiheitsbaum, Freiheitsdrang, Freiheitsdurst, Freiheitsfreund, Freiheitsgesang, Freiheitsheld, Freiheitskampf, Freiheitskrieg, Freiheitsliebe, Freiheitslied, Freiheitsmütze, Freiheitsrausch, Freiheitssinn, Freiheitsturm, Freiheitstod; im 19. Jahrhundert weiterhin einerseits unbestimmtes »schmeichelndes, doch vieldeutiges Wort« (L262 Carl von Rotteck/ L262 Carl Welcker) und als ideologisiertes Revolutionsprogramm häufig parodiert Freiheit in Krähwinkel (Posse von J.N.Nestroy), um 1848 andererseits weiter verfestigt als staatstheoretischer Grundwert: allgemeine Ideen des modernen Staates, welcher… statt der Freiheiten die Freiheit, statt der Rechte das Recht gewähren will(1848 A242 Stenographischer Bericht 1,685). Das oft zitierte Diktum Rosa Luxemburgs Freiheit ist immer Freiheit der Andersdenkenden (Die russische Revolution, 1922, posthum) meint ›Toleranz‹ innerhalb der sozialistischen Bewegung. Zur Fragilität der Freiheit in Deutschland vgl. E.Kästner, Kennst Du das Land (1928): Dort reift die Freiheit nicht. Dort bleibt sie grün. / Was man auch baut– es werden stets Kasernen. Heute Verfassungsbegriff: Die Freiheit der Person ist unverletzlich (A094 Grundgesetz 2,2), weitere wichtige Aspekte: Die Freiheit des Glaubens (A094 Grundgesetz 4,1), "Pressefreiheit" und Freiheit der Berichterstattung (A094 Grundgesetz 5,1), Freiheit der Lehre (A094 Grundgesetz 5,3); darüber hinaus ⇓ "S192" Schlagwort für die politischen Verhältnisse der DDR und deren Umbrüche 1989, u. a. in der Zusammensetzung Reisefreiheit (Wort des Jahres).
2 ⇓ "S181" Rechtssprachlich ›Privileg, Vergünstigung‹, auch im Plural, historisch die Freiheit eines Hafens, einer Messe einschränken (L004 Johann Christoph Adelung), auch für einen mit Privilegien ausgestatteten Ort, woran die Erinnerung oft nur noch in der Bezeichnung fortlebt: Schloßfreiheit, Domfreiheit; im weiteren Sinne von Personen Freiheiten genießen, ins Negative gekehrt ›Ungehörigkeit, Unverschämtheit‹: der junge Laffe… nahm sich allerhand Freyheiten heraus (Gellert; L004 Johann Christoph Adelung); formelhaft ich nehme mir die Freiheit (L004 Johann Christoph Adelung); der Freiheit(1) gegenübergestellt: Wo man von Gerechtigkeiten und Freiheiten redet, soll man durchaus nicht von Gerechtigkeit und Freiheit reden(J.G.Seume, Apokryphen. Prosaische und poetische Werke 7,146); Wenn wir unsere Freiheit erfolgreich verteidigen wollen, so müssen wir bereit sein, auf gewisse Freiheiten zu verzichten (A159 Heinar Kipphardt, Oppenheimer 233).
3 Früher speziell ›Asyl‹ (2.Makkabäer 4,34), noch bei Schiller Junos Freiheit, dafür sonst Freistatt (L046 DRWb 3,756ff.,824). F.Schlumbohm, Freiheit – die Anfänge der bürgerlichen Freiheitsbewegung, 1975; umfassend zur Begriffsgeschichte L086 GG2,425ff.
freiheitlich bei L033 Joachim Heinrich Campe landschaftlich und fachsprachlich: Die freiheitlichen Gerichte zu Naumburg, als Verfassungsgrundsatz: Parteien, die… darauf ausgehen, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen oder zu beseitigen… sind verfassungswidrig (A094 Grundgesetz 21,2).
Freiherr spätmhd. vriherre, bezeichnet ursprünglich den Adligen, der in keinem Dienstverhältnis steht wie die Ministerialen, aus denen der heutige niedere Adel hervorgegangen ist; mittelhochdeutsch auch einfach der frie, daher noch heute Freiin neben Freifrau.
Freimarke Ende des 19. Jahrhunderts ›Briefmarke‹.
Freimaurer 1733 (Vossische Zeitung), ⇓ "S124" Lehnübersetzung von engl. free-mason, ursprünglich geprüfte Maurergesellen, die frei Arbeit suchen durften und dies durch Geheimzeichen bewiesen.
freimütig mhd. vrimüetic; seit dem 18. Jahrhundert besonders auf sprachliche Äußerungen bezogen: ein freimütig wort(J.H.Schlegel; L059 DWb), Einem seine Fehler freimütig entdecken (L004 Johann Christoph Adelung).
Freiraum »Freistätte, die Schutz gewährt« (L264 Daniel Sanders), danach sozial-psychologisch ›Möglichkeit der ungehinderten Selbstentfaltung‹: jmdm. einen Freiraum schaffen, bieten (vgl. L097 GWb), häufig auch im Plural.
freischwimmen reflexiv (L218 Muret/ Sanders), ⇓ "S027" übertragen ›selbständig werden‹.
freisinnig (L033 Joachim Heinrich Campe) »frei denkend«, speziell ⇓ "S175" politisch »bürgerlich frei gesinnt«.
Freistaat ⇓ "S175" 1768 ⇓ "S195" schweizerisch von der Eidgenossenschaft (L046 DRWb3,823), wohl nach Freistadt ›Freie Stadt‹; 1774 Wieland für ›Republik‹; veraltet, erhalten in Freistaat Bayern.
Freistoß im ⇓ "S205" Fußball nach einem Foul, 1905 amtlich (L062 DWG2,394).
Freistunde ›von Unterricht oder Arbeit freie Stunde‹ (A075 Johann Wolfgang von Goethe, Theatralische Sendung 51,24,4).
Freitod 1906 ⇓ "S032" Mauthner; freier Tod 1883 A200 Friedrich Nietzsche, Zarathustra, wohl nach lat. mors voluntaria; positiv konnotiert gegenüber ↑ "Selbstmord".
Freiwild (L056 Duden 101929), übertragen »wer vogelfrei, schutzlos ist« (L201 Lutz Mackensen).
freiwillig 1302 (L046 DRWb3,847), häufig bei A180 Martin Luther: ewr freywillige Opffer (5.Mose 12,6), speziell auf den Kriegsdienst bezogen häufig substantivisch »welche sich aus freyem Willen, ohne Zwang, zu einer Unternehmung gebrauchen lassen« (L004 Johann Christoph Adelung).
Freizeit 1823 Fröbel »Muße-Zeit« (L264 Daniel Sanders), mit zunehmender Verkürzung der Arbeitszeit produktives Bestimmungswort: Freizeitanzug, Freizeitbekleidung, Freizeitbeschäftigung, Freizeitboom (H.E.Bahr), Freizeitgesellschaft (H.Schelsky), Freizeithemd, Freizeitindustrie, Freizeitsport (alle L097 GWb), ⇓ "S149" neu Freizeitpark, Freizeitstreß; übertragen eine Freizeit veranstalten, zunächst »gemeinsamer Ferienaufenthalt für christliche Mädchen« (L344 Wessely-Schmidt 61925).
freizügig um 1500 ⇓ "S195" schweizerisch (L046 DRWb 3,851),
1 von L033 Joachim Heinrich Campe als landschaftlich bzw. fachsprachlich gebucht »von den Bewohnern eines Landes oder Bezirks, wenn sie in ein andres Land oder in einen andern Bezirk ziehen«; heute auch
2 ›großzügig‹, häufig abwertend ›unmoralisch‹: ein freizügiges Buch; an freizügig(1) anschließend
Freizügigkeit ⇓ "S175" »ohne Abzugsgeld in ein anderes Land, einen andern Bezirk, eine andre Gerichtsbarkeit ziehen zu dürfen« (L033 Joachim Heinrich Campe), heute grundgesetzlich gesichert: Alle Deutschen genießen Freizügigkeit im ganzen Bundesgebiet (A094 Grundgesetz 11,1).
freien mhd. vrien;
1 ›frei machen‹, frühneuhochdeutsch nicht selten, dafür jetzt ↑ "befreien"; durch Klopstock ⇓ "S015" literarisch wiederbelebt, wortspielerisch mit Anspielung an (2): Denkt der Freiheit, die wir freiten, / Und was seit dem März geschah(J.H.Koch, Schlagt hinein); ↑ "Gefreiter";
2 urverwandt mit (1), entweder identisch mit got. frijon›lieben‹ (↑ "Freund") oder < altsächs. fri ›Weib‹; mit Akkusativ ›heiraten‹, ursprünglich nur vom Mann, mit Akkusativ und Dativ Ich flehe dich um drei Tage Zeit, / Bis ich die Schwester dem Gatten gefreit (A222 Friedrich Schiller, Die Bürgschaft); mit umim Sinne von ›werben‹; veraltet Freite ›Brautwerbung‹ (L092 GoeWb), mit -t- wie "Predigt", auf die Freien gehen noch (Grillparzer).
Freier heute gewöhnlich umgangssprachlich ›Kunde einer/ s Prostituierten‹ Freier,… waren welche vom Lande… die auch mal was erleben wollten (H.A151 Hermann Kant, Aula 96).
freilich ahd. frilich ›frei‹, mhd. Adverb vriliche. Die heutige Bedeutung entwickelt sich über ›unverdeckt, so daß es jedermann sehen kann‹, ›offenbar‹ zur zustimmenden, bekräftigenden Partikel: Ja freylich (L308 Kaspar Stieler), auch allein stehend wie "ja", besonders südwestdeutsch: Ist das die Nationalcocarde? – Freilich (A075 Johann Wolfgang von Goethe, 17,269,25); ähnlich wie "allerdings" auch (Selbstverständliches) einräumend (besonders südostdeutsch gegenüber standardsprachlich ↑ "natürlich"; vgl. L066 Jürgen Eichhoff, Karte 3–57): Da sie übermüthig ist, so ist sie freylich einigen Demüthigungen ausgesetzt (Gellert; L004 Johann Christoph Adelung); ob ich morgen leben werde / weisz ich freilich nicht (Lessing; L059 DWb).
2.1 In der historischen Entwicklung war es begründet, daß später der Gegensatz zu dem im Kampf Gefangenen oder mit Freiheitsstrafe Belegten mehr in den Vordergrund getreten ist: redensartlich auff freye fueß gestellt werden (1659; L320 Trübner);
2.2 weiterhin ›unabhängig von einem Souverän‹ (Freistaat [s. unten], Freie Stadt), überhaupt ›rechtlich oder politisch unabhängig, ungebunden‹ er si dienstman oder fri (Walther v. d.Vogelweide 85,18); ein freies Land, ein freier Abgeordneter.
3 Noch allgemeiner drückt frei die Abwesenheit eines Zwanges aus, sei es eines positiv ausbleibenden Zwanges ( freier Wille, von freien Stücken, aus freier Hand, freie Verfügung, freigebig [s. unten], im Lied Die Gedanken sind frei [bereits mhd. gedanke sint vri [[Seifried Helbling]]; international verbreitet, vgl. L333 Karl Friedrich Wilhelm Wander 1,1395]), sei es eines hindernden Zwanges (es steht mir frei, freie Hand haben, freien Lauf lassen, freier Zutritt, das Haar frei wachsen lassen, Freihandel usw.); auch für die subjektive Nichtbeachtung eines Zwanges gilt frei: freie Meinung, freie Äußerung, freies Benehmen, frei sagen, Freimut, Freisinn, Freigeist, Freidenker; Ein freies Leben führen wir (A222 Friedrich Schiller, Räuber 4,5). Idealisierend als Naturzustand des Menschen: Der Mensch ist frei geschaffen, ist frei, / Und würd er in Ketten geboren (A222 Friedrich Schiller, Worte des Glaubens); Der Mensch ist nicht frei. Obwohl es vorkommt (A169 Franz Xaver Kroetz, Maria 104).
4 Abwertend im Sinne von ›ungehörig, frech, schamlos‹, bereits mittelhochdeutsch: Hüetent wol der drier [Zunge, Augen, Ohren] / leider alze frier (Walther v. d.Vogelweide 87,34); frei von moralischem Zwange (L004 Johann Christoph Adelung).
5 Weiter ›unabhängig von Anweisung oder Muster‹: frei reden ›ohne Konzept‹, erfinden, nachahmen, übersetzen, mit freier Hand, ⇓ "S192" schlagwortartig freies Spiel der Kräfte (18. Jahrhundert; L181 Otto Ladendorf), hierher auch Freie Künste »artes liberales« (L308 Kaspar Stieler): den freien künsten sind handwerk und strenge künste entgegengestellt (L059 DWb).
6 In spezieller Hinsicht:
6.1 ›nicht an einen Partner gebunden‹ das Mädchen ist noch frei, sein Herz ist frei (vgl. L059 DWb);
6.2 ›nicht zur Verwendung in Anspruch genommen‹: freie Zeit, ich habe heute frei, die Halle ist frei;
6.3 ›nicht eingeschlossen oder bedeckt‹: freier Platz, unter freiem Himmel, in freier Luft, Freilicht, das Freie, freie Aussicht, frei liegen, sich freimachen ›entkleiden‹, dazu rückenfrei, kniefrei, ⇓ "S192"
⊚ freie Bahn dem Tüchtigen aufforderndes Schlagwort seit dem früheren 20. Jahrhundert (L320 Trübner).
7 Bei Angabe einer besonderen Beziehung im Sinne von ›ohne, nicht habend‹ (in bezug auf Belastendes): frei von Schmerzen, Sorge, Schuld, Schulden, Steuern; auch ohne eine solche Angabe ›ohne Kosten‹ freie Kost; der Eintritt ist frei; Freitisch, Freibier, Freikarte, beitragsfrei, kostenfrei; neben von (mhd. ) früher Genitiv dann bist du deines Dienstes frei (Goethe); erstarrt ist vorangestellter Genitiv in vielen Zusammensetzungen: schuldenfrei, sorgenfrei, vorwurfsfrei; so auch in rechtsextremen Hetzparolen wie ⇓ "S207" ausländerfrei (Unwort des Jahres 1991; ↑ "Unwort") und ⇓ "S207" judenfrei, anders willensfrei usw. Prädikatives frei geht enge Verbindung mit verschiedenen Verben ein: freigeben, freilassen, freisprechen, freistellen, hierzu wahrscheinlich auch die Lutherstelle er hilft uns frei aus aller Not. J.Vögeding, Das Halbsuffix -frei, 1981.
Freibad »offene Badestelle am Strand etc., für jedermann frei« (L344 Wessely-Schmidt 61925), jetzt Gegensatz zu Hallenbad (↑ "Bad");
Freibier »Gnadenbier« (L308 Kaspar Stieler), »welches jemanden unentgeldlich gegeben wird« (L004 Johann Christoph Adelung);
Freibrief (mhd. ), ursprünglich ›Dokument, das Freiheiten gewährt‹, heute nur noch übertragen wie bereits im 18. Jahrhundert: Der Unschuld Freibrief hilft uns sicher durch das Leben (Weiße; L004 Johann Christoph Adelung), häufig in der festen Formel
⊚ das ist kein Freibrief (für etwas);
Freidenker 1715 Leibniz, ⇓ "S124" Lehnübersetzung von engl. freethinker (1692);
freigebig mhd. vrigebelich, übertragen mit Worten… Complimenten… Titeln sehr freygebig seyn (L004 Johann Christoph Adelung);
Freigeist 1663 ⇓ "S124" Lehnübersetzung ⇓ "S071" L284 Justus Georg Schotteliuss von franz. esprit libre, vor allem auf die Religion bezogen, dann auch Freigeist der Tugend, in der Sittenlehre(L004 Johann Christoph Adelung), ⇓ "S175" politisch: Nationalismus, [der] ihren Mann… aus einem geachteten Freigeist in den Ätzgeist eines bodenfremden Abstämmlings verwandelte (A199 Robert Musil, Mann 203);
Freihandel 1848 ⇓ "S124" Lehnübersetzung von engl. free-trade.
Freiheit ahd. friheit(wohl Prägung Notkers); entspricht als Zustandsbezeichnung den Verwendungen von frei.
1 Gegensatz von "Unterdrückung", speziell von "Knechtschaft": eine Leibeigen magd [die] nicht erlöset / noch Freiheit erlanget hat (A180 Martin Luther, 3.Mose 19,20), Einem Leibeigenen die Freiheit schenken(L004 Johann Christoph Adelung); bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts ständische Freiheit (L086 GG2,490), bürgerliche Freiheit »die Befugnis, alles tun zu dürfen, welches Gesetze… nicht untersagen« (1792; L086 GG 2, 480); Gegensatz zu "Gefangenschaft": in Freiheit setzen (L308 Kaspar Stieler), wieder in Freiheit sein (L004 Johann Christoph Adelung),
⊚ jmdn. seiner Freiheit berauben; allgemeiner ›Unabhängigkeit‹ Maler und Poeten haben große Freiheit (L308 Kaspar Stieler), künstlerische Freiheit, dichterische Freiheit nach Seneca licentia poetica, Freiheit des Geistes (Gellert; L004 Johann Christoph Adelung); als ⇓ "S168" philosophischer Begriff religiös gedeutet: Von der Freyheyt einiß Christen menschen: Das wir grundlich mugen erkennen… die freyheyt / die yhm Christus erworben (1520 Luther; zitiert nach L.E.Schmitt [Hg.] 21953,37; vgl. weiter A.Lobenstein-Reichmann, Freiheit bei M.Luther, 1998); seit dem 17. Jahrhundert vor allem ethischer Vernunftbegriff: Freiheit… das Vermögen der reinen Vernunft für sich selbst praktisch zu sein (I.A153 Immanuel Kant, AA 6,213f.), daher bei L004 Johann Christoph Adelung wahre Freiheit »die Willkühr unter der Leitung der Vernunft«; von Dichtern viel besungen: O Freiheit, / Silberton dem Ohre, / Licht dem Verstand und hoher Flug zu denken! (A162 Friedrich Gottlieb Klopstock, Das neue Jahrhundert); Hymne an die Freiheit (A131 Friedrich Hölderlin, Titel); Wahrheit, Freiheit, Schönheit! / Wer dieser genießt, bedarf/ der andern Güter keines (A131 Friedrich Hölderlin, Stammbuchblatt für Heinrike Hölderlin); Nur der verdient sich Freiheit wie das Leben, / Der täglich sie erobern muß (A075 Johann Wolfgang von Goethe, Faust II,11575); Aus der Welt die Freiheit verschwunden ist, / Man sieht nur Herren und Knechte (A222 Friedrich Schiller, Reiterlied); Das Gesetz hat noch keinen großen Mann gebildet, aber die Freiheit brütet Kolosse und Extremitäten aus (A222 Friedrich Schiller, Räuber 1,2); ⇓ "S175" im Anschluß an die Aufklärungsphilosophie zunächst sozialethisch (im Sinne von ›Ungezwungenheit‹) verstanden, vgl. Im Umgange mit Fremden, und auf Reisen, herrschet eine edle Freiheit, die von der Gleichheit herrühret (›Der Gesellige‹ 1748–50, T.4,194); Freiheit, Geselligkeit und Gleichheit, wie sie jetzt überall aufkeimen (1774 A121 Johann Gottfried Herder, Auch eine Philosophie; 5,576); dann zunehmend politisch akzentuiert, seit der Französischen Revolution schlagwortartig, besonders auch in der Formel ⇓ "S192"
⊚ Freiheit und Gleichheit (vorgeprägt in Rousseaus ›Contrat social‹ als la liberté et l'égalité; früh auch bei Goethe (vgl. L092 GoeWb; zur französischen Revolutionsparole Greive, in: L058 DVjS43,746f.): Ueber Freyheit und Gleichheit (1793; L086 GG2,483), bei I.Kant Vom angeborenen Recht auf Freiheit und Gleichheit, dazu die zahlreichen Komposita bei L033 Joachim Heinrich Campe: Freiheitsbaum, Freiheitsdrang, Freiheitsdurst, Freiheitsfreund, Freiheitsgesang, Freiheitsheld, Freiheitskampf, Freiheitskrieg, Freiheitsliebe, Freiheitslied, Freiheitsmütze, Freiheitsrausch, Freiheitssinn, Freiheitsturm, Freiheitstod; im 19. Jahrhundert weiterhin einerseits unbestimmtes »schmeichelndes, doch vieldeutiges Wort« (L262 Carl von Rotteck/ L262 Carl Welcker) und als ideologisiertes Revolutionsprogramm häufig parodiert Freiheit in Krähwinkel (Posse von J.N.Nestroy), um 1848 andererseits weiter verfestigt als staatstheoretischer Grundwert: allgemeine Ideen des modernen Staates, welcher… statt der Freiheiten die Freiheit, statt der Rechte das Recht gewähren will(1848 A242 Stenographischer Bericht 1,685). Das oft zitierte Diktum Rosa Luxemburgs Freiheit ist immer Freiheit der Andersdenkenden (Die russische Revolution, 1922, posthum) meint ›Toleranz‹ innerhalb der sozialistischen Bewegung. Zur Fragilität der Freiheit in Deutschland vgl. E.Kästner, Kennst Du das Land (1928): Dort reift die Freiheit nicht. Dort bleibt sie grün. / Was man auch baut– es werden stets Kasernen. Heute Verfassungsbegriff: Die Freiheit der Person ist unverletzlich (A094 Grundgesetz 2,2), weitere wichtige Aspekte: Die Freiheit des Glaubens (A094 Grundgesetz 4,1), "Pressefreiheit" und Freiheit der Berichterstattung (A094 Grundgesetz 5,1), Freiheit der Lehre (A094 Grundgesetz 5,3); darüber hinaus ⇓ "S192" Schlagwort für die politischen Verhältnisse der DDR und deren Umbrüche 1989, u. a. in der Zusammensetzung Reisefreiheit (Wort des Jahres).
2 ⇓ "S181" Rechtssprachlich ›Privileg, Vergünstigung‹, auch im Plural, historisch die Freiheit eines Hafens, einer Messe einschränken (L004 Johann Christoph Adelung), auch für einen mit Privilegien ausgestatteten Ort, woran die Erinnerung oft nur noch in der Bezeichnung fortlebt: Schloßfreiheit, Domfreiheit; im weiteren Sinne von Personen Freiheiten genießen, ins Negative gekehrt ›Ungehörigkeit, Unverschämtheit‹: der junge Laffe… nahm sich allerhand Freyheiten heraus (Gellert; L004 Johann Christoph Adelung); formelhaft ich nehme mir die Freiheit (L004 Johann Christoph Adelung); der Freiheit(1) gegenübergestellt: Wo man von Gerechtigkeiten und Freiheiten redet, soll man durchaus nicht von Gerechtigkeit und Freiheit reden(J.G.Seume, Apokryphen. Prosaische und poetische Werke 7,146); Wenn wir unsere Freiheit erfolgreich verteidigen wollen, so müssen wir bereit sein, auf gewisse Freiheiten zu verzichten (A159 Heinar Kipphardt, Oppenheimer 233).
3 Früher speziell ›Asyl‹ (2.Makkabäer 4,34), noch bei Schiller Junos Freiheit, dafür sonst Freistatt (L046 DRWb 3,756ff.,824). F.Schlumbohm, Freiheit – die Anfänge der bürgerlichen Freiheitsbewegung, 1975; umfassend zur Begriffsgeschichte L086 GG2,425ff.
freiheitlich bei L033 Joachim Heinrich Campe landschaftlich und fachsprachlich: Die freiheitlichen Gerichte zu Naumburg, als Verfassungsgrundsatz: Parteien, die… darauf ausgehen, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen oder zu beseitigen… sind verfassungswidrig (A094 Grundgesetz 21,2).
Freiherr spätmhd. vriherre, bezeichnet ursprünglich den Adligen, der in keinem Dienstverhältnis steht wie die Ministerialen, aus denen der heutige niedere Adel hervorgegangen ist; mittelhochdeutsch auch einfach der frie, daher noch heute Freiin neben Freifrau.
Freimarke Ende des 19. Jahrhunderts ›Briefmarke‹.
Freimaurer 1733 (Vossische Zeitung), ⇓ "S124" Lehnübersetzung von engl. free-mason, ursprünglich geprüfte Maurergesellen, die frei Arbeit suchen durften und dies durch Geheimzeichen bewiesen.
freimütig mhd. vrimüetic; seit dem 18. Jahrhundert besonders auf sprachliche Äußerungen bezogen: ein freimütig wort(J.H.Schlegel; L059 DWb), Einem seine Fehler freimütig entdecken (L004 Johann Christoph Adelung).
Freiraum »Freistätte, die Schutz gewährt« (L264 Daniel Sanders), danach sozial-psychologisch ›Möglichkeit der ungehinderten Selbstentfaltung‹: jmdm. einen Freiraum schaffen, bieten (vgl. L097 GWb), häufig auch im Plural.
freischwimmen reflexiv (L218 Muret/ Sanders), ⇓ "S027" übertragen ›selbständig werden‹.
freisinnig (L033 Joachim Heinrich Campe) »frei denkend«, speziell ⇓ "S175" politisch »bürgerlich frei gesinnt«.
Freistaat ⇓ "S175" 1768 ⇓ "S195" schweizerisch von der Eidgenossenschaft (L046 DRWb3,823), wohl nach Freistadt ›Freie Stadt‹; 1774 Wieland für ›Republik‹; veraltet, erhalten in Freistaat Bayern.
Freistoß im ⇓ "S205" Fußball nach einem Foul, 1905 amtlich (L062 DWG2,394).
Freistunde ›von Unterricht oder Arbeit freie Stunde‹ (A075 Johann Wolfgang von Goethe, Theatralische Sendung 51,24,4).
Freitod 1906 ⇓ "S032" Mauthner; freier Tod 1883 A200 Friedrich Nietzsche, Zarathustra, wohl nach lat. mors voluntaria; positiv konnotiert gegenüber ↑ "Selbstmord".
Freiwild (L056 Duden 101929), übertragen »wer vogelfrei, schutzlos ist« (L201 Lutz Mackensen).
freiwillig 1302 (L046 DRWb3,847), häufig bei A180 Martin Luther: ewr freywillige Opffer (5.Mose 12,6), speziell auf den Kriegsdienst bezogen häufig substantivisch »welche sich aus freyem Willen, ohne Zwang, zu einer Unternehmung gebrauchen lassen« (L004 Johann Christoph Adelung).
Freizeit 1823 Fröbel »Muße-Zeit« (L264 Daniel Sanders), mit zunehmender Verkürzung der Arbeitszeit produktives Bestimmungswort: Freizeitanzug, Freizeitbekleidung, Freizeitbeschäftigung, Freizeitboom (H.E.Bahr), Freizeitgesellschaft (H.Schelsky), Freizeithemd, Freizeitindustrie, Freizeitsport (alle L097 GWb), ⇓ "S149" neu Freizeitpark, Freizeitstreß; übertragen eine Freizeit veranstalten, zunächst »gemeinsamer Ferienaufenthalt für christliche Mädchen« (L344 Wessely-Schmidt 61925).
freizügig um 1500 ⇓ "S195" schweizerisch (L046 DRWb 3,851),
1 von L033 Joachim Heinrich Campe als landschaftlich bzw. fachsprachlich gebucht »von den Bewohnern eines Landes oder Bezirks, wenn sie in ein andres Land oder in einen andern Bezirk ziehen«; heute auch
2 ›großzügig‹, häufig abwertend ›unmoralisch‹: ein freizügiges Buch; an freizügig(1) anschließend
Freizügigkeit ⇓ "S175" »ohne Abzugsgeld in ein anderes Land, einen andern Bezirk, eine andre Gerichtsbarkeit ziehen zu dürfen« (L033 Joachim Heinrich Campe), heute grundgesetzlich gesichert: Alle Deutschen genießen Freizügigkeit im ganzen Bundesgebiet (A094 Grundgesetz 11,1).
freien mhd. vrien;
1 ›frei machen‹, frühneuhochdeutsch nicht selten, dafür jetzt ↑ "befreien"; durch Klopstock ⇓ "S015" literarisch wiederbelebt, wortspielerisch mit Anspielung an (2): Denkt der Freiheit, die wir freiten, / Und was seit dem März geschah(J.H.Koch, Schlagt hinein); ↑ "Gefreiter";
2 urverwandt mit (1), entweder identisch mit got. frijon›lieben‹ (↑ "Freund") oder < altsächs. fri ›Weib‹; mit Akkusativ ›heiraten‹, ursprünglich nur vom Mann, mit Akkusativ und Dativ Ich flehe dich um drei Tage Zeit, / Bis ich die Schwester dem Gatten gefreit (A222 Friedrich Schiller, Die Bürgschaft); mit umim Sinne von ›werben‹; veraltet Freite ›Brautwerbung‹ (L092 GoeWb), mit -t- wie "Predigt", auf die Freien gehen noch (Grillparzer).
Freier heute gewöhnlich umgangssprachlich ›Kunde einer/ s Prostituierten‹ Freier,… waren welche vom Lande… die auch mal was erleben wollten (H.A151 Hermann Kant, Aula 96).
freilich ahd. frilich ›frei‹, mhd. Adverb vriliche. Die heutige Bedeutung entwickelt sich über ›unverdeckt, so daß es jedermann sehen kann‹, ›offenbar‹ zur zustimmenden, bekräftigenden Partikel: Ja freylich (L308 Kaspar Stieler), auch allein stehend wie "ja", besonders südwestdeutsch: Ist das die Nationalcocarde? – Freilich (A075 Johann Wolfgang von Goethe, 17,269,25); ähnlich wie "allerdings" auch (Selbstverständliches) einräumend (besonders südostdeutsch gegenüber standardsprachlich ↑ "natürlich"; vgl. L066 Jürgen Eichhoff, Karte 3–57): Da sie übermüthig ist, so ist sie freylich einigen Demüthigungen ausgesetzt (Gellert; L004 Johann Christoph Adelung); ob ich morgen leben werde / weisz ich freilich nicht (Lessing; L059 DWb).