Hermann Paul - Deutsches Wörterbuch
Frau
ahd. frouwa, mhd. vrouwe, noch zuweilen literarisch altertümelnd Fraue, desgleichen die schwache Form des Genitivs und Dativs Singular Klaggesang von der edlen Frauen des Asan Aga(Goethe); formelhaft erstarrt der Genitiv unserer (lieben) Frauen (›der Jungfrau Maria‹); stimmt überein mit dem Namen der skandinavischen Göttin Freyja; Femininbildung zu einem verlorenen Maskulinum, ahd. fro ›Herr‹ (↑ "Fron") und Weiterbildung zu dem Stamm von "für", "vor", "Fürst". ⇓ "S026"1 Im Mittelhochdeutschen korrespondiert die Bedeutung genau mit der von "Herr"; zunächst im Sinn unseres neugebildeten Herrin, noch bei A180 Martin Luther du solt nicht mehr heissen Frawe vber Königreich (Jesaja 47,5), bei Lohenstein Rom kann die Frau der Welt nicht ohn Egypten sein, noch erhalten in unsere (liebe) Frau, mhd. unser vrouwe ›Maria‹ (franz. Notre Dame), der großen Frau zu Zürich (Schiller), auch in Zusammensetzungen im Genitiv Singular: Fraueneis ›Marienglas‹, Frauendistel, Frauenkirche, Liebfrauenmilch; "Hausfrau" korrespondierend mit "Hausherr", dagegen in neuerer Deutung ↑ "Haus", dann auch von Dienstboten gebraucht: zu dienen… bey einer… bürgerlichen Docke, wie meine Frau ist (1763; L320 Trübner), im ⇓ "S050" Diminutiv Frauchen heute speziell ›Halterin eines Hundes‹; ⇓ "S025" daneben seit dem Mittelhochdeutschen
2 als Geschlechtsbezeichnung Gegensatz zu ›Mann‹: Zwischen sin arme er si nam… Als ein man sine frouwen sol (Tristan; L320 Trübner), Wir haben oft ›Mann und Frau‹ gespielt (A118 Heinrich Heine, Lyrisches Intermezzo XXVI), warme Stimmen sind es, Frau und Mann(A010 Gottfried Benn, Träume, Träume), mit Betonung gynäkologischer Merkmale es geht mir nach der Frawen weise(A180 Martin Luther, 1.Mose 31,35), Fruchtbare … Schwangere Frau (L308 Kaspar Stieler), Und was gab das den Frauen für eine wehmütige Schönheit, wenn sie schwanger waren und standen,… in ihrem großen Leib (A215 Rainer Maria Rilke, Aufzeichnungen 721), mit Betonung seelischer Veranlagungen: Ehret die Frauen! Sie… / Flechten der Liebe beglückendes Band (A222 Friedrich Schiller, Würde der Frauen, 2.1,205), Die Frauen leiden: lieben heißt allein sein (A215 Rainer Maria Rilke, Requiem für eine Freundin); dagegen bei A200 Friedrich Nietzsche: Und also sprach das alte Weiblein: ›Du gehst zu Frauen? Vergiss die Peitsche nicht!‹ (Zarathustra 86); dazu auch Bettelfrau, Bauersfrau (L308 Kaspar Stieler; ↑ "Weib"), umgangssprachlich veraltet weise Frau, L308 Kaspar Stieler hat kluge Frau ›Hebamme‹, auch ›Frau, die illegal Abtreibungen vornimmt‹; sportsprachlich als Bestimmungswort – Fraueneinzel, Frauendoppel, Frauenfußball – zunehmend durch "Dame" ersetzt; daneben
3 wie mhd. wip für die verheiratete Frau im Sinne von ›Ehefrau‹ und im Gegensatz zu "Jungfrau", "Mädchen": iuch… gewinnen ze frouwen (Trojanerkrieg; L190 Lexer), sich eine Frau nehmen »heirathen« (L004 Johann Christoph Adelung), häufig mit dem Possessivpronomen meine Frau, dagegen mhd. min vrouwe ›meine Herrin‹: er nimmt sie gewiß zu seiner Frau (A075 Johann Wolfgang von Goethe, Faust I,3570), Ihr richtet euch im engen Fühlen ein, / … / Und darum sagt ihr: ›mein‹ zu einer Frau (A215 Rainer Maria Rilke, [Entwurf vor Weihnachten 1914]); so im Sinne von ›Familie‹ Frau und Kind; im späteren Mittelhochdeutsch im Anschluß an (1)
4 ⇓ "S011" ehrende Bezeichnung für weibliche Adlige, wie seit dem 17. Jahrhundert ›Dame‹, gnädige Frau: genædec vrouwe (L190 Lexer), für die verheiratete oder unverheiratete Fürstin, so noch bis Adelung, dann auch allgemeiner (vgl. L264 Daniel Sanders s. v. gnädig), wenn auch mit Betonung von Vornehmheit: Verzeihen Sie, gnädige Frau (Goethe; L264 Daniel Sanders); bereits im Mittelhochdeutschen so auch vor Namen u.ä. fro Belakane (Wolfram von Eschenbach, Parzival; L190 Lexer), wollte nach Frau Marthe Schwertlein fragen! (A075 Johann Wolfgang von Goethe, Faust I,2899), gehoben im Gespräch als Redegegenstand Ihrer Frau Mama meine Aufwartung zu machen (Th.A183 Thomas Mann, Buddenbrooks 101), vor Titeln: Frau Generalinn, Frau Professorinn (L004 Johann Christoph Adelung), unsere sel. mutter… hiesz beim volk nur die framtmännin d. i. … frau amtmännin (L059 DWbs. v. Amtmännin), Herr Meister und Frau Meisterin / Laßt mich in Frieden weiter ziehn (W.Müller, Das Wandern ist des Müllers Lust) als »theilnehmerin an den ehrenstellen des mannes«, daher im DWb in der movierten Form reklamiert; dagegen ist inzwischen die berufstätige Frau selbst die Titelträgerin: stellt der Bundesinnenminister inzwischen den Beamtinnen… frei, ob sie sich Amtmann, Amtmännin oder Amtfrau nennen wollen (B.U.Biere, in: L378 ds16,1988,378); ursprünglich auf verheiratete Frauen beschränkt (außer Frau Äbtissin, dann auch Frau Minister), vom ⇓ "S145" Nationalsozialismus mit Blick auf die biologische Funktion der Frau als »Ehrentitel« betont und zur Bezeichnung »der unverehelichten Mutter« (L320 Trübner) ideologisierend mißbraucht; dann auch für ältere unverheiratete Frauen;
5 seit Mitte der 70er Jahre des 20. Jahrhunderts mit allmählicher Aufgabe der als diskriminierend empfundenen Bezeichnung Fräulein (s. unten) allgemein für jede erwachsene Frau: Wir werden empfehlen, auch weibliche Auszubildende mit ›Frau‹ anzureden (U.Müller, in: L365 ZGL16.3,327). – Übertragen bereits mittelhochdeutsch (vgl. L320 Trübner), auf weibliche Geister: Frau Hulda / sive Holle (L308 Kaspar Stieler), häufig bei Luther: fraw Hulden… des teufels braut, als mythologische Figur vgl. J.A090 Jacob Grimm, Deutsche Mythologie 247f. und im Märchen: ich bin die Frau Holle (Brüder A087 Jacob und Wilhelm Grimm, Frau Holle), auf Göttinnen: frau Venus und ihr völkchen / läszt fünf gerade sein(G.A.Bürger; L059 DWb), personifizierend Schwing dich auf, Frau Nachtigall (A075 Johann Wolfgang von Goethe, Faust I,2101); in pronominaler Funktion als Entsprechung zu man seit etwa 1970 (eher als Wortspiel): entlarvend sind sätze, die mit ›als frau hat man ja… ‹ beginnen. ›man‹ hat als frau keine identität. frau kann sie nur als frau suchen (1975 V.Stefan, Häutungen, 4). ⇑ "Dame", "Jungfrau", "Madame".
Frauenarbeit schon vor 1848… der socialistische Ausdruck… Frauenarbeit (1866 L.Otto, Das Recht der Frauen auf Erwerb, 78);
Frauenarzt (L242 Richard Pekrun 1933);
Frauenbewegung (L218 Muret/ Sanders): Gosche, Die organisierte Frauenbewegung1,1894;
Frauenemanzipation (L266 Daniel Sanders FWb 1871), vorbereitet im unfesten Ausdruck: Emancipation der Frauen nennt man die Befreiung des weiblichen Geschlechts von den Schranken, mit welchen es Naturverhältnisse und gesellschaftliche Einrichtungen umgeben (L025 Brockhaus 91844);
Frauenfrage Winzige Resultate… im Verhältniß zu den großen Dimensionen der Frauenfrage (1866 L.Otto, Das Recht der Frauen auf Erwerb IV), »Bestreben, dem weiblichen Geschlechte eine berechtigte Stellung einzuräumen« (L344 Wessely-Schmidt 61925);
Frauenhaus mhd. vrouwenhus, ursprünglich ›Bordell‹: gemeine frauenheuser, die doch wider gottes gebot sind (Luther; L059 DWb); seit Anfang der 1980er Jahre »(von Frauen, einer Frauengruppe geleitetes) Haus, in dem Frauen, die von ihren Männern mißhandelt werden, mit ihren Kindern aufgenommen werden, Schutz und Hilfe finden« (L322 UWb1983).
Frauenkrankheit (1531 Paracelsus; L339 Karl-Heinz Weimann);
Frauenrecht »privilegia mulierum« (L308 Kaspar Stieler), dazu Frauenrechtlerin (L269 Daniel Sanders/ L269 J. Ernst Wülfing);
Frauensmensch,
Frauensperson,
Frauensleute »im gemeinen Leben und von geringen Personen« (L004 Johann Christoph Adelung s. v. Frauensleute) im 18. Jahrhundert aus dem ⇓ "S150" Niederdeutschen; das s nach Manns- und Weibs-;
Frauenstimmrecht seit 1919 »Wahlrecht der Frauen« (L344 Wessely-Schmidt 61925).
Frauenzimmer seit dem 15. Jahrhundert belegt, ⇓ "S026" bedeutet zunächst, entsprechend älterem "Kemenate",
1 ›Gemach für die Herrin, Aufenthaltsraum für den weiblichen Hofstaat, Frauengemach‹ (so öfter bei Luther und in räumlicher Bedeutung vereinzelt noch bei A075 Johann Wolfgang von Goethe, 4, 174),
2 dann ⇓ "S030" nach der metonymischen Regel »Bezeichnung eines Raumes wird zur Bezeichnung für das darin Befindliche« (vgl. "Kabinett" usw.) als Kollektivsingular ›die Gesamtheit der darin befindlichen Personen‹ und ohne Bindung an den Raum ›die gesamte weibliche Umgebung einer vornehmen Person‹: das Frauenzimmer stund auf und verfügte sich in sein Gemach (Grimmelshausen); unter dem Beistand ihres Frauenzimmers (Musäus), und so öfters bei ihm.
3 Unter Wegfall des Merkmals ›vornehm‹ erweitert sich die Bedeutung (2) zu ›die Gesamtheit des weiblichen Geschlechts‹ oder ›eine Gruppe von Personen weiblichen Geschlechts‹, beginnend im späten 16. Jahrhundert (öfter bei Fischart) und so noch im 18. Jahrhundert: mit dem sämtlichen Frauenzimmer von Abdera (Wieland); von jungen Herrn und jungem Frauenzimmer, von alten Herrn und altem Frauenzimmer (Herder); daß er sich dem Frauenzimmer und dem Spiel… ergebe (A222 Friedrich Schiller, Der Geisterseher); 1715 erscheint ein Frauenzimmer-Lexikon und 1775 eine Frauenzimmerzeitung.
4 Seit dem frühen 17. Jahrhundert wird Frauenzimmer auch individualisierend für eine einzelne Person gebraucht (häufig bei den schlesischen Dichtern), zunächst meist noch für eine vornehme Dame, dann allgemeiner: also müssen wir in einem schönen frawenzimmer nicht die gestalt, sondern die schönheit des gemütes… hochhalten (Opitz; L059 DWb), so häufig bei Goethe für adelige wie für bürgerliche Personen, nie abschätzig (L092 GoeWb). Die Verwendung als Individuenbezeichnung versucht noch Gottsched aufzuhalten: »Es ist… lächerlich, dieses Wort von einer einzelnen Person zu brauchen« (1758; L360 ZDW 5,73), während sie für L003 Johann Christoph Adelung 1775 schon selbstverständlich ist. Dementsprechend entwickelte Frauenzimmer seit dem späteren 17. Jahrhundert auch einen Plural (vgl. entsprechend "Bursche" usw.). Um 1700 bestehen also die Bedeutungen (1) bis (4) nebeneinander und können in einem Text auftreten (z. B. Lohenstein, Arminius; L360 ZDW 5,61). Das ⇓ "S050" Diminutiv Frauenzimmerchen wird in vertraulichem Ton für Mädchen und junge Frauen gebraucht, auch in der Anrede (Lessing, Goethe). Im Zuge der Verbürgerlichung dehnt sich der Gebrauch von Frauenzimmer auf weite Kreise aus, es verliert damit allmählich und endgültig im 19. Jahrhundert seinen sozialen Unterscheidungs- und Prestigewert.
5 ⇓ "S031" Jacob Grimm konstatiert (L059 DWb 1863): heutzutage heiszen die frauen nicht mehr gern frauenzimmer, auch dies eigentlich vornehme wort hat die zeit wieder herunter gebracht; literarische Belege für ein abschätzig verwendetes Frauenzimmer sind jedoch im ganzen 19. Jahrhundert noch verhältnismäßig rar, dann etwa A149 Franz Kafka: ein zerrauftes, altes Frauenzimmer(Amerika 134). Mit der Pejorisierung (vgl. entsprechend "Dirne", "Weib" usw.) wurde der Gebrauchsradius eingeschränkt, den Rückgang des heute veralteten Wortes beschleunigte besonders auch die Konkurrenz von "Dame" und (sozial indifferentem) Frau. Zur Wort- und Bedeutungsgeschichte E.Seidenadel, in: L360 ZDW5,59ff.; E.Seebold, Etymologie, 1981,15ff.
Fräulein mhd. frouwelin,
1 mit ⇓ "S050" diminutivem Charakter, so noch bei Luther ein Männlein und ein Fräulein.
2 ⇓ "S026" Als Bezeichnung für die unverheiratete Dame hat es sich spät entwickelt, da mhd. frouwe auch diese einschloß, und, wo eine ausdrückliche Hervorhebung des unverheirateten Standes erforderlich war, juncfrouwe zur Verfügung stand. Mit der Bedeutungsverschiebung von "Jungfrau" rückte Fräulein an dessen Stelle.
2.1 Es behielt den Wert einer ehrenden Bezeichnung nicht bloß wie Frau vor Namen und Titeln (abgekürzt Frl.), sondern auch für sich stehend (vgl. das gnädige Fräulein), nur daß es zuletzt, wie Frau, das Merkmal ›vornehm‹ verlor. Bis Anfang des 19. Jahrhunderts war es dem Adel vorbehalten: der Herr dich für ein Fräulein hält (A075 Johann Wolfgang von Goethe, Faust I,2906).
2.2 In den bürgerlichen Kreisen vertrat die Stelle unseres jetzigen Fräulein zuerst "Jungfer" und dann das franz. demoiselle ("Mamsell"), die von Haus aus gleichwertig waren, aber früher herabsanken. Noch Wieland (»Demoiselle oder Fräulein«, 1794; vgl. Th.Matthias, in: L360 ZDW 5,23ff.) plädiert für das »altdeutsche Ehrenwort« Jungfer, nicht für Fräulein in bürgerlichen Kreisen. ⇓ "S011" Um 1970 (besonders als Folge der 68er-Revolution) ist Fräulein rasch durch Frau ersetzt worden, als Zeichen der Emanzipation: Im behördlichen Sprachgebrauch ist… für jede weibliche Erwachsene die Anrede ›Frau‹ zu verwenden… die Anrede ›Fräulein‹ nur… , wenn dies von der Angeredeten gewünscht wird (1972 Gemeinsames Ministerialblatt 7,99). Inzwischen kann Fräulein als veraltet gelten; umgangssprachlich etwa gönnerhaft das kleine Fräulein für ein kleines Mädchen.
3 Wie mhd. juncfrouwe bezeichnet Fräulein auch die zur Dienstleistung bei einer Fürstin bestellte Dame (Hoffräulein). Von da ist es zur Bezeichnung für eine besser gehaltene Dienerin oder kleine Angestellte herabgesunken (Fräulein vom Amt bei der Telefonvermittlung). In der Anrede bezeichnet es vor allem die Serviererin (Fräulein, bitte zahlen !) oder Verkäuferin (vgl. Ladenfräulein). Auch in diesen Funktionen wird es heute kaum noch gebraucht. Der Plural lautet umgangssprachlich nicht selten Fräuleins. –- Der Konflikt zwischen grammatischem und natürlichem Geschlecht zeigt seine Wirkungen: Gewöhnlich heißt es Ihre Fräulein Schwester, Tochter, auch wohl die Fräulein Marie, selbst die Fräulein (L092 GoeWb).
fraulich mhd. vrouwelich, vröuwelich, umgelautet fräulich noch bei L264 Daniel Sanders und im L059 DWb; noch bei L004 Johann Christoph Adelung ohne Unterschied zu »im Hochdeutschen« üblicheren "weiblich", daher allgemein ›was die Frau betrifft‹: ein fräuliches Bad (Wieland; L264 Daniel Sanders), als Schimpfwort fraulicher oder weibischer (man) (1482; L059 DWb) dann nicht mehr möglich (vgl. L059 DWbs. u. Frau), da seit dem 19. Jahrhundert zunehmend im positiven Sinn auf Eigenschaften – Wie erfreulich, wo so fraulich / eine Frau gebärdet sich (Rückert; L264 Daniel Sanders) – und Erscheinung der Frau bezogen: Ein klein wenig voller war sie… fraulich (Feuchtwanger; L337 WdG).
2 als Geschlechtsbezeichnung Gegensatz zu ›Mann‹: Zwischen sin arme er si nam… Als ein man sine frouwen sol (Tristan; L320 Trübner), Wir haben oft ›Mann und Frau‹ gespielt (A118 Heinrich Heine, Lyrisches Intermezzo XXVI), warme Stimmen sind es, Frau und Mann(A010 Gottfried Benn, Träume, Träume), mit Betonung gynäkologischer Merkmale es geht mir nach der Frawen weise(A180 Martin Luther, 1.Mose 31,35), Fruchtbare … Schwangere Frau (L308 Kaspar Stieler), Und was gab das den Frauen für eine wehmütige Schönheit, wenn sie schwanger waren und standen,… in ihrem großen Leib (A215 Rainer Maria Rilke, Aufzeichnungen 721), mit Betonung seelischer Veranlagungen: Ehret die Frauen! Sie… / Flechten der Liebe beglückendes Band (A222 Friedrich Schiller, Würde der Frauen, 2.1,205), Die Frauen leiden: lieben heißt allein sein (A215 Rainer Maria Rilke, Requiem für eine Freundin); dagegen bei A200 Friedrich Nietzsche: Und also sprach das alte Weiblein: ›Du gehst zu Frauen? Vergiss die Peitsche nicht!‹ (Zarathustra 86); dazu auch Bettelfrau, Bauersfrau (L308 Kaspar Stieler; ↑ "Weib"), umgangssprachlich veraltet weise Frau, L308 Kaspar Stieler hat kluge Frau ›Hebamme‹, auch ›Frau, die illegal Abtreibungen vornimmt‹; sportsprachlich als Bestimmungswort – Fraueneinzel, Frauendoppel, Frauenfußball – zunehmend durch "Dame" ersetzt; daneben
3 wie mhd. wip für die verheiratete Frau im Sinne von ›Ehefrau‹ und im Gegensatz zu "Jungfrau", "Mädchen": iuch… gewinnen ze frouwen (Trojanerkrieg; L190 Lexer), sich eine Frau nehmen »heirathen« (L004 Johann Christoph Adelung), häufig mit dem Possessivpronomen meine Frau, dagegen mhd. min vrouwe ›meine Herrin‹: er nimmt sie gewiß zu seiner Frau (A075 Johann Wolfgang von Goethe, Faust I,3570), Ihr richtet euch im engen Fühlen ein, / … / Und darum sagt ihr: ›mein‹ zu einer Frau (A215 Rainer Maria Rilke, [Entwurf vor Weihnachten 1914]); so im Sinne von ›Familie‹ Frau und Kind; im späteren Mittelhochdeutsch im Anschluß an (1)
4 ⇓ "S011" ehrende Bezeichnung für weibliche Adlige, wie seit dem 17. Jahrhundert ›Dame‹, gnädige Frau: genædec vrouwe (L190 Lexer), für die verheiratete oder unverheiratete Fürstin, so noch bis Adelung, dann auch allgemeiner (vgl. L264 Daniel Sanders s. v. gnädig), wenn auch mit Betonung von Vornehmheit: Verzeihen Sie, gnädige Frau (Goethe; L264 Daniel Sanders); bereits im Mittelhochdeutschen so auch vor Namen u.ä. fro Belakane (Wolfram von Eschenbach, Parzival; L190 Lexer), wollte nach Frau Marthe Schwertlein fragen! (A075 Johann Wolfgang von Goethe, Faust I,2899), gehoben im Gespräch als Redegegenstand Ihrer Frau Mama meine Aufwartung zu machen (Th.A183 Thomas Mann, Buddenbrooks 101), vor Titeln: Frau Generalinn, Frau Professorinn (L004 Johann Christoph Adelung), unsere sel. mutter… hiesz beim volk nur die framtmännin d. i. … frau amtmännin (L059 DWbs. v. Amtmännin), Herr Meister und Frau Meisterin / Laßt mich in Frieden weiter ziehn (W.Müller, Das Wandern ist des Müllers Lust) als »theilnehmerin an den ehrenstellen des mannes«, daher im DWb in der movierten Form reklamiert; dagegen ist inzwischen die berufstätige Frau selbst die Titelträgerin: stellt der Bundesinnenminister inzwischen den Beamtinnen… frei, ob sie sich Amtmann, Amtmännin oder Amtfrau nennen wollen (B.U.Biere, in: L378 ds16,1988,378); ursprünglich auf verheiratete Frauen beschränkt (außer Frau Äbtissin, dann auch Frau Minister), vom ⇓ "S145" Nationalsozialismus mit Blick auf die biologische Funktion der Frau als »Ehrentitel« betont und zur Bezeichnung »der unverehelichten Mutter« (L320 Trübner) ideologisierend mißbraucht; dann auch für ältere unverheiratete Frauen;
5 seit Mitte der 70er Jahre des 20. Jahrhunderts mit allmählicher Aufgabe der als diskriminierend empfundenen Bezeichnung Fräulein (s. unten) allgemein für jede erwachsene Frau: Wir werden empfehlen, auch weibliche Auszubildende mit ›Frau‹ anzureden (U.Müller, in: L365 ZGL16.3,327). – Übertragen bereits mittelhochdeutsch (vgl. L320 Trübner), auf weibliche Geister: Frau Hulda / sive Holle (L308 Kaspar Stieler), häufig bei Luther: fraw Hulden… des teufels braut, als mythologische Figur vgl. J.A090 Jacob Grimm, Deutsche Mythologie 247f. und im Märchen: ich bin die Frau Holle (Brüder A087 Jacob und Wilhelm Grimm, Frau Holle), auf Göttinnen: frau Venus und ihr völkchen / läszt fünf gerade sein(G.A.Bürger; L059 DWb), personifizierend Schwing dich auf, Frau Nachtigall (A075 Johann Wolfgang von Goethe, Faust I,2101); in pronominaler Funktion als Entsprechung zu man seit etwa 1970 (eher als Wortspiel): entlarvend sind sätze, die mit ›als frau hat man ja… ‹ beginnen. ›man‹ hat als frau keine identität. frau kann sie nur als frau suchen (1975 V.Stefan, Häutungen, 4). ⇑ "Dame", "Jungfrau", "Madame".
Frauenarbeit schon vor 1848… der socialistische Ausdruck… Frauenarbeit (1866 L.Otto, Das Recht der Frauen auf Erwerb, 78);
Frauenarzt (L242 Richard Pekrun 1933);
Frauenbewegung (L218 Muret/ Sanders): Gosche, Die organisierte Frauenbewegung1,1894;
Frauenemanzipation (L266 Daniel Sanders FWb 1871), vorbereitet im unfesten Ausdruck: Emancipation der Frauen nennt man die Befreiung des weiblichen Geschlechts von den Schranken, mit welchen es Naturverhältnisse und gesellschaftliche Einrichtungen umgeben (L025 Brockhaus 91844);
Frauenfrage Winzige Resultate… im Verhältniß zu den großen Dimensionen der Frauenfrage (1866 L.Otto, Das Recht der Frauen auf Erwerb IV), »Bestreben, dem weiblichen Geschlechte eine berechtigte Stellung einzuräumen« (L344 Wessely-Schmidt 61925);
Frauenhaus mhd. vrouwenhus, ursprünglich ›Bordell‹: gemeine frauenheuser, die doch wider gottes gebot sind (Luther; L059 DWb); seit Anfang der 1980er Jahre »(von Frauen, einer Frauengruppe geleitetes) Haus, in dem Frauen, die von ihren Männern mißhandelt werden, mit ihren Kindern aufgenommen werden, Schutz und Hilfe finden« (L322 UWb1983).
Frauenkrankheit (1531 Paracelsus; L339 Karl-Heinz Weimann);
Frauenrecht »privilegia mulierum« (L308 Kaspar Stieler), dazu Frauenrechtlerin (L269 Daniel Sanders/ L269 J. Ernst Wülfing);
Frauensmensch,
Frauensperson,
Frauensleute »im gemeinen Leben und von geringen Personen« (L004 Johann Christoph Adelung s. v. Frauensleute) im 18. Jahrhundert aus dem ⇓ "S150" Niederdeutschen; das s nach Manns- und Weibs-;
Frauenstimmrecht seit 1919 »Wahlrecht der Frauen« (L344 Wessely-Schmidt 61925).
Frauenzimmer seit dem 15. Jahrhundert belegt, ⇓ "S026" bedeutet zunächst, entsprechend älterem "Kemenate",
1 ›Gemach für die Herrin, Aufenthaltsraum für den weiblichen Hofstaat, Frauengemach‹ (so öfter bei Luther und in räumlicher Bedeutung vereinzelt noch bei A075 Johann Wolfgang von Goethe, 4, 174),
2 dann ⇓ "S030" nach der metonymischen Regel »Bezeichnung eines Raumes wird zur Bezeichnung für das darin Befindliche« (vgl. "Kabinett" usw.) als Kollektivsingular ›die Gesamtheit der darin befindlichen Personen‹ und ohne Bindung an den Raum ›die gesamte weibliche Umgebung einer vornehmen Person‹: das Frauenzimmer stund auf und verfügte sich in sein Gemach (Grimmelshausen); unter dem Beistand ihres Frauenzimmers (Musäus), und so öfters bei ihm.
3 Unter Wegfall des Merkmals ›vornehm‹ erweitert sich die Bedeutung (2) zu ›die Gesamtheit des weiblichen Geschlechts‹ oder ›eine Gruppe von Personen weiblichen Geschlechts‹, beginnend im späten 16. Jahrhundert (öfter bei Fischart) und so noch im 18. Jahrhundert: mit dem sämtlichen Frauenzimmer von Abdera (Wieland); von jungen Herrn und jungem Frauenzimmer, von alten Herrn und altem Frauenzimmer (Herder); daß er sich dem Frauenzimmer und dem Spiel… ergebe (A222 Friedrich Schiller, Der Geisterseher); 1715 erscheint ein Frauenzimmer-Lexikon und 1775 eine Frauenzimmerzeitung.
4 Seit dem frühen 17. Jahrhundert wird Frauenzimmer auch individualisierend für eine einzelne Person gebraucht (häufig bei den schlesischen Dichtern), zunächst meist noch für eine vornehme Dame, dann allgemeiner: also müssen wir in einem schönen frawenzimmer nicht die gestalt, sondern die schönheit des gemütes… hochhalten (Opitz; L059 DWb), so häufig bei Goethe für adelige wie für bürgerliche Personen, nie abschätzig (L092 GoeWb). Die Verwendung als Individuenbezeichnung versucht noch Gottsched aufzuhalten: »Es ist… lächerlich, dieses Wort von einer einzelnen Person zu brauchen« (1758; L360 ZDW 5,73), während sie für L003 Johann Christoph Adelung 1775 schon selbstverständlich ist. Dementsprechend entwickelte Frauenzimmer seit dem späteren 17. Jahrhundert auch einen Plural (vgl. entsprechend "Bursche" usw.). Um 1700 bestehen also die Bedeutungen (1) bis (4) nebeneinander und können in einem Text auftreten (z. B. Lohenstein, Arminius; L360 ZDW 5,61). Das ⇓ "S050" Diminutiv Frauenzimmerchen wird in vertraulichem Ton für Mädchen und junge Frauen gebraucht, auch in der Anrede (Lessing, Goethe). Im Zuge der Verbürgerlichung dehnt sich der Gebrauch von Frauenzimmer auf weite Kreise aus, es verliert damit allmählich und endgültig im 19. Jahrhundert seinen sozialen Unterscheidungs- und Prestigewert.
5 ⇓ "S031" Jacob Grimm konstatiert (L059 DWb 1863): heutzutage heiszen die frauen nicht mehr gern frauenzimmer, auch dies eigentlich vornehme wort hat die zeit wieder herunter gebracht; literarische Belege für ein abschätzig verwendetes Frauenzimmer sind jedoch im ganzen 19. Jahrhundert noch verhältnismäßig rar, dann etwa A149 Franz Kafka: ein zerrauftes, altes Frauenzimmer(Amerika 134). Mit der Pejorisierung (vgl. entsprechend "Dirne", "Weib" usw.) wurde der Gebrauchsradius eingeschränkt, den Rückgang des heute veralteten Wortes beschleunigte besonders auch die Konkurrenz von "Dame" und (sozial indifferentem) Frau. Zur Wort- und Bedeutungsgeschichte E.Seidenadel, in: L360 ZDW5,59ff.; E.Seebold, Etymologie, 1981,15ff.
Fräulein mhd. frouwelin,
1 mit ⇓ "S050" diminutivem Charakter, so noch bei Luther ein Männlein und ein Fräulein.
2 ⇓ "S026" Als Bezeichnung für die unverheiratete Dame hat es sich spät entwickelt, da mhd. frouwe auch diese einschloß, und, wo eine ausdrückliche Hervorhebung des unverheirateten Standes erforderlich war, juncfrouwe zur Verfügung stand. Mit der Bedeutungsverschiebung von "Jungfrau" rückte Fräulein an dessen Stelle.
2.1 Es behielt den Wert einer ehrenden Bezeichnung nicht bloß wie Frau vor Namen und Titeln (abgekürzt Frl.), sondern auch für sich stehend (vgl. das gnädige Fräulein), nur daß es zuletzt, wie Frau, das Merkmal ›vornehm‹ verlor. Bis Anfang des 19. Jahrhunderts war es dem Adel vorbehalten: der Herr dich für ein Fräulein hält (A075 Johann Wolfgang von Goethe, Faust I,2906).
2.2 In den bürgerlichen Kreisen vertrat die Stelle unseres jetzigen Fräulein zuerst "Jungfer" und dann das franz. demoiselle ("Mamsell"), die von Haus aus gleichwertig waren, aber früher herabsanken. Noch Wieland (»Demoiselle oder Fräulein«, 1794; vgl. Th.Matthias, in: L360 ZDW 5,23ff.) plädiert für das »altdeutsche Ehrenwort« Jungfer, nicht für Fräulein in bürgerlichen Kreisen. ⇓ "S011" Um 1970 (besonders als Folge der 68er-Revolution) ist Fräulein rasch durch Frau ersetzt worden, als Zeichen der Emanzipation: Im behördlichen Sprachgebrauch ist… für jede weibliche Erwachsene die Anrede ›Frau‹ zu verwenden… die Anrede ›Fräulein‹ nur… , wenn dies von der Angeredeten gewünscht wird (1972 Gemeinsames Ministerialblatt 7,99). Inzwischen kann Fräulein als veraltet gelten; umgangssprachlich etwa gönnerhaft das kleine Fräulein für ein kleines Mädchen.
3 Wie mhd. juncfrouwe bezeichnet Fräulein auch die zur Dienstleistung bei einer Fürstin bestellte Dame (Hoffräulein). Von da ist es zur Bezeichnung für eine besser gehaltene Dienerin oder kleine Angestellte herabgesunken (Fräulein vom Amt bei der Telefonvermittlung). In der Anrede bezeichnet es vor allem die Serviererin (Fräulein, bitte zahlen !) oder Verkäuferin (vgl. Ladenfräulein). Auch in diesen Funktionen wird es heute kaum noch gebraucht. Der Plural lautet umgangssprachlich nicht selten Fräuleins. –- Der Konflikt zwischen grammatischem und natürlichem Geschlecht zeigt seine Wirkungen: Gewöhnlich heißt es Ihre Fräulein Schwester, Tochter, auch wohl die Fräulein Marie, selbst die Fräulein (L092 GoeWb).
fraulich mhd. vrouwelich, vröuwelich, umgelautet fräulich noch bei L264 Daniel Sanders und im L059 DWb; noch bei L004 Johann Christoph Adelung ohne Unterschied zu »im Hochdeutschen« üblicheren "weiblich", daher allgemein ›was die Frau betrifft‹: ein fräuliches Bad (Wieland; L264 Daniel Sanders), als Schimpfwort fraulicher oder weibischer (man) (1482; L059 DWb) dann nicht mehr möglich (vgl. L059 DWbs. u. Frau), da seit dem 19. Jahrhundert zunehmend im positiven Sinn auf Eigenschaften – Wie erfreulich, wo so fraulich / eine Frau gebärdet sich (Rückert; L264 Daniel Sanders) – und Erscheinung der Frau bezogen: Ein klein wenig voller war sie… fraulich (Feuchtwanger; L337 WdG).