Hermann Paul - Deutsches Wörterbuch
fließen
ahd. fliozan, mhd. fliezen, gemeingermanisches starkes Verb (engl. fleet), verwandt mit litauisch pludau ›fließen‹ und entfernter mit ↑ "fliegen"; frühneuhochdeutsch und literarisch du fleußt, er fleußt, fleuß (↑ "bieten"). Im eigentlichen Sinn von der den flüssigen Körpern vermöge ihres Aggregatzustandes eigentümlichen Bewegung, aber auch von gasförmigen Nebel umfloß ihn, von Lichterscheinungen, Gerüchen und Tönen wenn in nächt'ger Stunde süßer Lampe Dämmerung fließt (Goethe), meine Rede fließe wie Tau(Luther); von festen Körpern, die wellenartige Formen annehmen: Haare fließen, Gewänder fließen um den Leib; fließende Umrisse (Schiller) ›sanftgerundet‹; anders das Buch fließt aus der Feder, wobei an die Tinte gedacht ist, zum Ausdruck flüssigen mühelosen Schreibens; für gleichmäßige, ohne Stocken vor sich gehende Bewegung: fließender Vortrag, fließende Verse, er spricht fließend englisch, spielt fließend Klavier; für das Unfeste, stetig sich Verändernde: die Grenzen zwischen diesen Gebieten fließen ineinander über, fließende Grenzen; verhaßt sei mir das Bleibende, erwünscht, was fließt und schwankt(Goethe); wie "Quelle" mit Rücksicht auf Herkunft, Ursache: woher dieses Geld floß (Schiller), weil die Tat aus den Umständen, die ihr vorhergingen, so natürlich fließt (Schiller), die Conclusion, die aus den Vordersätzen fließt (I.Kant), in Rücksicht auf die Richtung, nach der sich etwas bewegt, die Wirkung, ↑ "einfließen" ("Einfluß"); übertragen auf die Zeit: sein Leben fließt angenehm hin; so besonders ↑ "verfließen". Mit anderen Verben wie "laufen", "rinnen", "triefen", "liegen", "sitzen" teilt fließen die Eigentümlichkeit, daß auch der Gegenstand, an oder in welchem die Tätigkeit sich vollzieht, als Subjekt gesetzt werden kann: die Nase fließt (beim Schnupfen), Papier fließt (die Tinte zerfließt auf ihm), daher Fließpapier (s. unten); was sonst als Subjekt steht, frühneuhochdeutsch durch mit angeknüpft: meine Augen fließen mit Wasser(Luther), bis ins 18. Jahrhundert mit von: gerötet floß die Erde von Blut(Voß); mittelhochdeutsch auch von Gegenständen, die auf oder in einer Flüssigkeit sich bewegen, schwimmen von Fischen, Schiffen usw., was noch nachwirkt in den Ableitungen ⇑ "Floß", "Flosse", "flott", "Flotte"; außerdem ⇑ "Fleet", "Fluß".Fließband (L116 Peter Friedrich Ludwig Hoffmann/ L116 Martin Block 121943) ⇓ "S220" im früheren 20. Jahrhundert über Fließarbeit (L056 Duden 101929) »Arbeit am laufenden Band« (L056 Duden 111934) zu »mechanisch bewegtes Band, auf dem bei der Fließarbeit die Werkstücke von einem Arbeitsplatz zum anderen befördert werden« (L097 GWb), zum Ausdruck eintöniger Tätigkeit
wie am Fließband.
Fließpapier 1541 ›Papier, das Flüssigkeiten leicht aufsaugt und durchläßt‹, süddeutsch auch entsprechend norddt. "Löschpapier".
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