Hermann Paul - Deutsches Wörterbuch
fliegen
ahd. fliogan, mhd. fliegen, gemeingermanisch (engl. fly), eventuell verwandt mit ↑ "fließen" (dazu auch ↑ "Vogel"), frühneuhochdeutsch und literarisch du fleugst, er fleugt, fleug (↑ "bieten"); ursprünglich für die Fortbewegung durch Flügel, bereits mittelhochdeutsch auch von Bewegung lebloser Dinge durch die Luft, auch auf Töne, Gerüche, Licht- und Farberscheinungen bezogen; daneben auch von einer Bewegung zu Lande oder zu Wasser, wenn sie in bezug auf Schnelligkeit dem Fliegen gleichgestellt werden soll: und das junge Volk der Schnitter fliegt zum Tanz (A222 Friedrich Schiller, Glocke), übertragen ›sich in der Luft hin- und herbewegen‹: Das Fanlein fliegen lassen (L308 Kaspar Stieler), Haare, Röcke fliegen, dazu mit fliegenden Fahnen (nach militärischem Gebrauch) ›in höchster Eile‹; vor allem im Partizip Präsens auf rasch Kommendes und Vergehendes bezogen: fliegende Röte, Hitze, Brücke(die rasch geschlagen und rasch abgebrochen wird), desgleichen fliegende Händler, Lager usw.; fliegendes Blatt wohl ursprünglich ein einzelnes, nicht mit anderen zu einem Buch zusammengeheftetes, daher ein für den Augenblick bestimmtes; frühzeitig ist aber dabei wohl auch an die rasche Verbreitung gedacht: Furchtbares Gedicht an den König, er sei ein Scheusal, ein Verräther, er müsse sterben! Fliegendes Blatt (R.Varnhagen v. Ense, Tagebücher 7.11.1848), dazu "Flugblatt" (↑ "Flug"), Flugschrift; seit dem frühen 20. Jahrhundert in der Luftfahrt auf Flugzeuge bezogen: ich fliege… reise im Flugzeug (L298 Sprach-Brockhaus 1935), transitiv ein Flugzeug, eine Maschine fliegen(L320 Trübner), vorbereitet 1889: Wir [müssen] uns die Vögel zum Muster nehmen… wenn wir danach streben, die das Fliegen erleichternden Prinzipien zu entdecken, und demzufolge das aktive Fliegen für den Menschen zu erfinden(A304 Otto Lilienthal, Vogelflug, 1889,136); übertragen umgangssprachlich seit dem früheren 20. Jahrhundert »aus einer Stellung sofort hinausgeworfen werden« (L320 Trübner): Wenn Sie die Namen nicht sagen, fliegen Sie von der Schule (Spoerl; L337 WdG); im Sinne von ›hinfallenauf die Nase fliegen, ›geschleudert werden‹: etwas fliegt in den Papierkorb; ⇑ "Flügel", "flügge", "Geflügel".
Fliege ahd. flioga, mhd. fliege (engl. fly), ursprünglich ›Fliegerin‹; dafür süddeutsch auch ↑ "Mücke" (bzw. Mucke); als landschaftliche Zusammensetzungen Fleischfliege, Stubenfliege, "Schmeißfliege" (⇑ "Fleisch", "Stube", "schmeißen"; zu den landschaftlichen Synonymen speziell der Stubenfliege vgl. L066 Jürgen Eichhoff, Karte 4–57). Für eine (sehr) große Fliegedie Bezeichnung "Brummer" (↑ "brummen").
Fliegenpilz (18. Jahrhundert): die mit ihm gekochte Milch wurde seit dem Mittelalter zur Fliegenvertilgung verwandt; älter muckenswam oder Fleugenschwamm (16. Jahrhundert).
Flieger L033 Joachim Heinrich Campe 1808 »Einer, der flieget«, im Sinne von ›Flugzeugführer‹ seit etwa 1908 für älteres Aviatiker (etwa 1905), speziell in der Luftwaffe, sonst "Pilot"; umgangssprachlich neu kurz für ›Flugzeug‹ (L097 GWb): mit dem Flieger in Urlaub.
Sie können einen Link zu dem Wort setzen

Ansicht: fliegen