Hermann Paul - Deutsches Wörterbuch
finden
ahd. findan, gemeingermanisches starkes Verb; kann entweder das Resultat eines Suchens ausdrücken oder das zufällige Stoßen auf einen Gegenstand; Vnd giengen in das Haus / vnd funden das Kindlin mit Maria seiner mutter (A180 Martin Luther, Matthäus 2,11), auf abstrakte Objekte bezogen Gnade, Beifall, den Tod, Ruhe finden usw., Freude, Vergnügen an etwas finden, so seit dem 19. Jahrhundert zunehmend im ⇓ "S073" Funktionsverbgefüge: Ausdruck, Erklärung, Gefallen, Aufnahme, Beachtung, Verwendung finden (vgl. Persson, L036 DaF18,25ff.); auch ›in der Betrachtung, Überlegung auf etwas geraten‹: ich fand, daß er mich getäuscht hatte, ich kann das nicht finden – abgeblaßt zu ›halten für‹: einen gnädig finden (L105 Georg Henisch) –, bin doch ein arm unwissend Kind, / Begreife nicht was er an mir find't (A075 Johann Wolfgang von Goethe, Faust I,3216), ich finde nichts dabei, darin, daran. Häufig tritt zu dem Objekt von finden ein prädikativer Begriff: er fand ihn tot, schlafendich finde das nicht schön(›komme zu dem Urteil, daß es nicht schön ist‹). Prädikativ stehen auch präpositionale Verbindungen: ich fand ihn zu Hause, bei Tisch, ich finde es in (der) Ordnung; literarisch so mit Substantiv oder substantivischem Adjektiv: ich habe deine Tochter nicht Jungfrau gefunden (Luther), ich finde es eine übermäßige Gutmütigkeit und gar nicht am Platze (Goethe), ich aber find Euch noch den nämlichen (Lessing), bzw. Konstruktion mit alsoder für: diejenigen, welche Wilhelm als die Verständigsten gefunden hatte (Goethe); doch allgemein er fand für gut (dies zu tun). Wesentlich den gleichen Sinn wie die Verbindung mit doppeltem Akkusativ gibt eine Konstruktion wie er fand in (an) ihm einen Gegner; unüblich die bis ins 19. Jahrhundert häufige Verbindung mit Akkusativ und Infinitiv: fand er den König von Assyrien streiten (Luther), herausgetreten fand ich den völlig aufgehellten Himmel von Sternen blinken (Goethe); reflexiv mit verblaßter Vorstellung von einer Tätigkeit des Subjekts, daher in passivischer Funktion: da fand sich der Becher in Benjamins Sack (Luther), es fand sich, daß er unschuldig war, das wird sich finden. Ungewöhnlich wie sich "befinden" ›an einem Ort sein‹: und meinten sich im lieben Vaterland zu finden (Schiller), und findest dich vor einem Gewölbe (A075 Johann Wolfgang von Goethe Werther 19,9,8); ›in einem bestimmten Zustand sein‹: ich weiß nicht, wie ich mich heute finde (Schiller). Mit dem Gebrauch in sich einfinden zu vergleichen ist diesen lud der Herr Puf ein, sich um 5 Uhr am Tor zu finden (Hermes), ob sich das Herz zum Herzen findet(A222 Friedrich Schiller, Glocke); auch ohne ein solches Verblassen der Subjektstätigkeit er fand sich bewogen; kein Jahr ists noch, daß ich mich selbst gefunden, denn bis dahin lebt ich mir selbst verborgen (Schiller); ein anderes Objektverhältnis in Verbindung mit einer Richtungsbezeichnung (sich) nach Hause finden, sich zurechtfinden, sich in die Welt, die Umstände, einen Menschen finden, Man muß sich in das Unglück endlich finden (L308 Kaspar Stieler). Goethe gebraucht öfters absolutes sich findenauf den rechten Weg kommen‹: oftmals habe ich geirrt und habe mich wieder gefunden; auch bei Schiller ich will mich findenzurechtfinden‹. In sich finden lassen besteht Reflexivverhältnis zu dem Subjekt von lassen (wie in sich gehen lassen), nicht zu dem, welches man zu finden hinzudenken kann: er ließ sich bereit finden, Ball… zu dem ich mich denn auch ganz willig finden ließ (A075 Johann Wolfgang von Goethe, Werther 19,25,16); Zusammensetzungen ⇑ "abfinden", "befinden", "empfinden", "erfinden". findig aus älterem mhd. vündec (↑ "fündig" ⇓ "S235" bis ins 18. Jahrhundert), Ableitung von ↑ "Fund", im 16. Jahrhundert direkt an findenangelehnt und in heutiger Form; ›einfallsreich‹: so findig künstlich, mit reiszen, mahlen, stechen (1539; L059 DWb), ein findiger Kopf (L320 Trübner), dazu ⇑ "ausfindig", "spitzfindig" (↑ "spitz").
Findling (15. Jahrhundert; L345 Friedrich Karl Ludwig Weigand/ L345 Herman Hirt) für mhd. vundelinc, Fündling (so noch bis 19. Jahrhundert); ⇓ "S157" für das ausgesetzte Kind, »das Findelkind« (L004 Johann Christoph Adelung), dann auch ›vereinzelter Felsblock‹ (A075 Johann Wolfgang von Goethe, Tagebücher 5,36,22);
Findelkindvon Fremden gefundenes (und aufgenommenes) Kind‹, mhd. vuntkint, frühnhd. vündelkint (Fündelkind, Fündelhaus auch noch im 18. Jahrhundert), ursprünglich Diminutiv zu "Fund"; L308 Kaspar Stieler hat noch synonym Findel und Findling.
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