Hermann Paul - Deutsches Wörterbuch
fest
ahd. fasti, festi, mhd. veste, noch jetzt norddeutsch umgangssprachlich feste, auch bei Dichtern, z. B. Goethe, auch neuhochdeutsch noch lange mit v geschrieben; gemeingermanisch (engl. fast, verwandt mit ⇑ "fast", "fasten"). Es bezieht sich auf Zusammenhalt entweder der Teile eines Ganzen (Gegensätze "locker", "flüssig") oder mehrerer Gegenstände untereinander (Gegensatz "los"). Damit können sich die Vorstellungen der Unbeweglichkeit, der Beständigkeit und Widerstandsfähigkeit verbinden, die dann auch zur Hauptsache werden und die jeweilige Bedeutung ausmachen können: Gegensatz zu ›flüssig‹: eine feste Masse, fester Teig, das feste Land »im Gegensatze des Meeres«, auch »den Inseln entgegengesetzt« (L004 Johann Christoph Adelung), s. unten Festland, Gegensatz zu ›locker, lose, beweglich‹: Fest gemauert in der Erden / Steht die Form, aus Lehm gebrannt (A222 Friedrich Schiller, Glocke), festes Gestein, Gewebe, Gebäude; fester Wohnsitz (L320 Trübner); einen Knoten fest zuziehen, festknöpfen, festmachen übertragen z. B. einen Handel festmachen im Sinne von ›abschließen‹ (18. Jahrhundert; L264 Daniel Sanders); festsitzen »so daß es nicht leicht los kann« (L264 Daniel Sanders); festlegen (L308 Kaspar Stieler), reflexiv ›sich verpflichten‹ häufig in der Wendung sich nicht festlegen wollen; feststellen (L265 Daniel Sanders Erg.), zunächst »auch tadelhaft« und reflexiv der sich festgestellte Antrag (ebenda), dann »besonders auch« jemandes Persönlichkeit feststellen (L269 Daniel Sanders/ L269 J. Ernst Wülfing) ›ermitteln, wahrnehmen‹, als sprechaktbezeichnendes Verb ›für wahr annehmen‹: Wer… sagt ›Ich stelle fest, daß er es nicht getan hat‹ trifft genau dieselbe Feststellung wie jemand, der sagt ›Er hat es nicht getan‹ (J.L.Austin nach E. v.Savigny [›Zur Theorie der Sprechakte‹], 1972,151f.); festliegen, festfahren übertragen auf einen Konflikt ›stocken‹, festhalten (L004 Johann Christoph Adelung), festsetzen (L033 Joachim Heinrich Campe) ›genau bestimmen, anordnen‹, reflexiv ›sich niederlassen‹, felsenfest; Gegensatz zu ›leicht‹: fest schlafen »so daß man nicht leicht erwecket werden kann« (L004 Johann Christoph Adelung), festbinden, festnageln (L059 DWb) übertragen umgangssprachlich ›beim Wort nehmen‹: Aber dann hat der Moderator… geglaubt, nun könne er unbesorgt einen der beiden Herren auf die Aussage festnageln(Ch.A286 Christa Wolf, Störfall 112); im Sinne von ›bestimmt, energisch, sicher‹: mit fester Hand hergeleitet aus der Kunstausübung »eine Hand,… welche nicht in Gefahr ist, unwillkührliche Züge zu machen« (L004 Johann Christoph Adelung), festen Schrittes, und ihr behauptet steif und fest (Goethe; L059 DWb), fest bleiben; im Sinne von ›sicher, stark‹: eine feste Meinung haben, fest an etwas glauben, seid feste im glauben (A180 Martin Luther, Kolosser 2,7), im Kirchenlied Ein feste Burg ist unser Gott (Luther), dazu Festung (s. unten);⊚⊚ fest im Sattel sitzen, Ein fester Entschluß (L004 Johann Christoph Adelung), festen Fuß fassen, dazu "bibelfest", sattelfest (↑ "Sattel"), niet- und nagelfest (↑ 1"Niete", bei L308 Kaspar Stieler Erd-, Niet- und Nagelfest), feststehen »sicher vorm Fall« (L264 Daniel Sanders), übertragen der Satz steht fest (ebenda) ›er ist wahr‹; im Sinne von ›intensiv und dauernd‹: ihre Freundschaft ist sehr fest (L004 Johann Christoph Adelung), fester Freund: Susi… hatte schon einen festen Freund (A083 Günter Grass, Blechtrommel 209), feste Anstellung,
feste Formen annehmen, Ich habe es ihm fest versprochen (L004 Johann Christoph Adelung), fest abmachen, fest zusagen; nach dem Volksglauben ›durch Zauberkraft gegen Hieb und Schuß geschützt‹ (mehrmals bei Schiller), daher kugelfest; im Norddeutschen Verstärkung (wie früher Adverb "fast"): jmdn. fest(e) durchhauen.
Festland (⇓ "S071" L032 Joachim Heinrich Campe Erg. s. v. Continent) für älteres festes Land, das vorher "Kontinent" wiedergab (so auch L033 Joachim Heinrich Campe 1801).
Feste Fem. ›fester Ort‹, ahd. festi, auf den Himmel bezogen Himmelsfeste, Sternenfeste (L308 Kaspar Stieler), bei A180 Martin Luther als Übersetzung von firmamentum (2.Mose 1,8), danach auch bei Voß (Veste) für ›Festland‹; jetzt nur noch literarisch für
Festung mhd. vestenunge: Diese Festung, einst uneinnehmbar, ein Steinhaufen jetzt (Ch.A284 Christa Wolf, Kassandra 5);
festigen(frühnhd.) aus älterem festen (ahd. ), häufig übertragen auf geistige Zustände: uf das ware christenliche liebi in im gefestiget werd (15. Jahrhundert; L059 DWb), festigt den stolzen entschlusz (Klopstock; L059 DWb); im Partizip Prät. ›widerstandsfähig, ausgeglichen‹: ein gefestigter Charakter; entsprechend befesten, "befestigen".
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