Hermann Paul - Deutsches Wörterbuch
Faschismus
Anfang der 1920er Jahre < ⇓ "S098" ital. fascismo (1922 Machtergreifung Mussolinis), nach lat. fascis›Rutenbündel mit Beil‹ als dem Symbol altrömischer Herrschergewalt, ital. fascio ›Bund‹ (seit ca. 1870 verbreitet); anfangs auch -sc- bzw. -sz-Schreibung; ⇓ "S175" zunächst auf die italienischen Verhältnisse bezogen: Faschismus »rücksichtsloser Nationalismus [in Italien]« (L056 Duden 101929), »schärfste nationale Erneuerungsbewegung [in Italien]« (L056 Duden 111934, bearb. v. O.Basler), frühzeitig als nationalistische, antikommunistische und diktatorische Herrschaftsform allgemein verstanden: Das Proletariat hat im Faszismus einen… gefährlichen und furchtbaren Feind… Und der Träger des Faszismus… sind breite soziale Schichten, große Massen (1923 C.Zetkin, zitiert in: E.Nolte, Theorien über den Faschismus, 41976,88ff.); vom "Nationalsozialismus" zunächst nur nominell abgegrenzt: die politische Richtung, die wir heute in Italien mit dem Namen ›Faschismus‹ und… in Deutschland mit dem Namen ›Nationalsozialismus‹… belegen(1934 J.Goebbels, zitiert in E.Nolte, Theorien über den Faschismus, 41976,88ff. 314ff.). Nach 1945 ideologisch-polysemes Wort im politischen Vokabular der beiden deutschen Staaten: In der DDR und von BRD-Linken wurde Faschismus synonym mit Nationalsozialismus und dessen Fortleben gebraucht, sodann auch allgemein für national-konservative Richtungen der bürgerlichen Demokratie der BRD, in den 60er Jahren des 20. Jahrhunderts Kampfwort der Linken gegen das politische System der BRD (L315 Georg Stötzel/ L315 Martin Wengeler, 398); in der politischen Sprache der BRD hingegen erscheint Faschismus neben ↑ "Kommunismus" als Bezeichnung für verschiedene nationalistische Spielarten des "Totalitarismus" (wie z. B. den Nationalsozialismus in Deutschland) (vgl. L086 GG 2,235; M.W.Hellmann: Wörter und Wortgebrauch in Ost und West, Bd. 1,1992,388ff.). Mit dem ⇓ "S192" Schlagwort Sozialfaschismus agitierten die Kommunisten seit Anfang 1929 gegen die Sozialdemokraten; diese nutzten Faschismus seit ca. 1930 in ihrer Propaganda gegen den ab dann auch klarer benannten Nationalfaschismus bzw. Hitlerfaschismus (L285 Christian Schottmann 175ff.); Kommunisten und Sozialdemokraten fanden sich im Antifaschismus zusammen. Ebenfalls nach italienischem Vorbild (Partito Nazionale Fascista 1921)Faschist (gebucht L056 Duden 1929) und
faschistisch, in den Bedeutungen Faschismus folgend; mit neofaschistisch: Auch in Frankreich gibt es so etwas wie eine neofaschistische Literatur (1925 A266 Kurt Tucholsky, Gesammelte Werke 2,63); bekannt der antifaschistische Schutzwall in der DDR; jünger ⇓ "S175" faschistoid. Vgl. L086 GG2,329ff.; L362 Christian Zentner/ L362 Friedemann Bedürftig.
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