Hermann Paul - Deutsches Wörterbuch
fangen
ahd. fahan, gemeingermanisch, urverwandt lat. pangere ›befestigen‹, ursprüngliche Bedeutung ›durch Greifen in seine Gewalt bekommen‹; mhd. vahen, aber vienc, viengen, gevangen; der Wechsel zwischen h und g wie noch jetzt in "ziehen" (vgl. "hängen"); n ist vor h in allen germanischen Sprachen mit Hinterlassung von Dehnung ausgefallen. Im 16. Jahrhundert überwiegt noch die Form fahenüber fangen, das analog dem Präteritum und Partizip gebildet ist; altertümelnd von neueren Dichtern wiederaufgenommen: so soll man ihn fahen (A075 Johann Wolfgang von Goethe, Reineke Fuchs 4,88). Im Präteritum wird die Schreibung fieng, die der Aussprache in den oberdeutschen Mundarten entspricht (mhd. vienc) von den Vertretern der historischen Richtung verteidigt (so noch L003 Johann Christoph Adelung 1775, doch L033 Joachim Heinrich Campe fing), aber die gemeingültige Aussprache verlangt fing(analog ginggieng, hinghieng).1 Ursprüngliche Bedeutung ›nach etwas greifen‹, mittelhochdeutsch noch häufig intransitiv (vahen ze), so noch mehrmals bei Jean Paul: ich fange mit Recht nach einem bessern Redefaden. Indem es dann die Erreichung des Zieles in sich schließt, wird es transitiv ›ergreifen‹; so allgemein nicht erhalten, sondern namentlich durch "fassen" eingeschränkt; doch vgl. die Zusammensetzungen "anfangen", "empfangen", umfangen, auch ↑ "fähig". Jetzt nur noch in zwei Spezialisierungen:
2 etwas Geworfenes, Fallendes fangenauffangen‹.
3ein lebendes Wesen in seine Gewalt bringen und der Freiheit berauben‹; im konkreten Sinn jetzt, abgesehen von dem Partizip gefangen, gewöhnlich nur in bezug auf Tiere gebraucht, bei Luther auch häufig in bezug auf Menschen, wofür jetzt gefangen nehmen, dazu sich gefangen geben, ferner im Kinderspiel: fangen spielen, ⇓ "S217" besonders nordwestdeutsch und süddeutsch, österreichisch auch abfangen, dafür norddeutsch ↑ "kriegen"(2), ostmitteldeutsch ↑ 1"haschen", westmitteldeutsch nachlaufen, ostniederdeutsch ↑ "greifen", schleswig-holsteinisch ↑ "ticken" (L066 Jürgen Eichhoff, Karte 49); auch bei der Übertragung ›überlisten, für sich gewinnen‹ liegt die Vorstellung vom Fangen eines Tieres durch Netz, Falle u.dgl. zugrunde, vgl. Einen mit glatten Worten fangen (L308 Kaspar Stieler).
4 Mit (3) berührt sich nahe der Wind fängt sich; reflexiv auch auf Menschen bezogen neu im Sinne von ›sich wieder ins seelische Gleichgewicht bringen‹: manchmal wird man weich, aber man fängt sich wieder (Frisch; L337 WdG).
5 Isoliert steht, direkt aus der ursprünglichen Bedeutung stammend,
Feuer fangen, wobei die Vorstellung einer absichtlichen Handlung geschwunden ist, übertragen ›sich begeistern‹, speziell ›sich verlieben‹: seitdem fieng mancher schäfer / aus Chloris augen feuer (Hagedorn; L059 DWb); seltener eine Krankheit fangen (von ihr angesteckt werden); zuweilen absolut ›haften und daher sich wirksam zeigenmeine Rede fehet nicht vnter euch (A180 Martin Luther, Johannes 8,37); hat's gefangen? (Schiller) ↑ "verfangen".
Fang mhd. vanc, hatte ursprünglich die entsprechende allgemeine Bedeutung wie fangen, vgl. "Anfang" (↑ "anfangen"), "Empfang" (↑ "empfangen"), ↑ "Umfang"; jetzt im allgemeinen auf die Entsprechung zu fangen(2) beschränkt: auf die Handlung bezogen auf Fang ausgehen (L004 Johann Christoph Adelung), auf das Ergebnis ›BeuteEr hat einen guten Fang getahn (L308 Kaspar Stieler); in bestimmter Beschränkung ›Mittel zum Fangen‹, so in "Rauchfang", Windfang (ahd. ). ⇓ "S100" Jägersprachlich dem Wild den Fang gebenes mit dem Jagdmesser auffangen und durchstechen‹, dazu Fangstoß, auch Fangschuß (19. Jahrhundert); daneben FängeZähne des vierfüßigen Wildes‹, ›Klauen der Raubtiere‹, wohl noch als das zum Fangen, Greifen Dienende (vgl. Fangzähne); vgl. noch "Wildfang".
Fänger (frühnhd.), zuweilen Fanger,
1Person, die fängt‹, selten außer in Zusammensetzungen (Vogelfänger usw.);
2Werkzeug, womit man dem Wild den Fang gibt‹ (s. Fang), auch meist in Zusammensetzungen: "Hirschfänger", Saufänger;
3 selten im Plural ›Fänge des Wildes‹ (siehe Fang).
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