Hermann Paul - Deutsches Wörterbuch
erst
1 ahd. erist(o), mhd. er(e)ste, Ordnungszahlwort zu (nicht verwandtem) 2"eins", Superlativ zu dem alten Komparativ ahd. eriro, mhd. er, erer, erre (↑ "eher"), zu got. air ›früh‹ (L175 Friedrich Kluge/ L175 Elmar Seebold), frühneuhochdeutsch L327 Voc.Teut.-Lat. (1482), zunächst1.1 Adjektiv ›dasjenige, was in der Zeit allen anderen Gegenständen der gleichen Art vorangeht‹, ›früheste‹: Aber viel die da sind die ersten / werden die letzten / Vnd die letzten / werden die ersten sein (A180 Martin Luther, Matthäus 19,30); Vnd sie gebar jren ersten Son / vnd wickelt jn in Windeln (A180 Martin Luther, Lukas 2,7); Der Erst Monat Jenner (L200 Josua Maaler); mein erster Sohn / meine erste Tochter(L169 Matthias Kramer 1702); Ich kann sie kaum erwarten / Die erste Blum' im Garten, / Die erste Blüt' am Baum (A074 Johann Wolfgang von Goethe, 1,25 LH); der Erste Weltkrieg, Kaiser Karl der Erste; hierher mein erstes war / wird sein (›das nächste, was ich tat bzw. tun werde‹): wenn der blosz kluge mensch sein erstes hätte sein lassen, die lage zu prüfen (Schiller; L059 DWb); häufig in Verbindung mit Mal: Gereth es nicht das erste mal / so gereth es das ander mal / darumb nicht abgelassen (L105 Georg Henisch 1616); ein Ding das erstemal brauchen (L169 Matthias Kramer); dann auch
1.2 für den Gegenstand, mit dem man beim Zählen beginnt, hat in dieser Funktion ältere Ordinalzahlen verdrängt (got. fruma, ahd. furisto, engl. first, ↑ "Fürst"), daher auch auf Rangverhältnisse übertragen im Sinne von ›höchstrangig, wichtigst, von der besten Qualität‹ (in der ersten Reihe, in erster Linie) »Erst / Vorderest oder fürnemst« (L200 Josua Maaler 1561): der erste nach dem Kayser(L169 Matthias Kramer); Sind's [die Richter] nicht die ersten Männer dieses Landes (A222 Friedrich Schiller, Stuart 1,7); Die erste Pflicht des Menschen… erfüllt er die? (A074 Johann Wolfgang von Goethe, 10,222 LH); häufig in Verbindung mit der "letzte": Gönnet mir, o Quiriten! das Glück, und Jedem gewähre / Aller Güter der Welt erstes und letztes der Gott (A074 Johann Wolfgang von Goethe, 1,286 LH); früher auch als prädikatives Attribut anstelle von heutigen "zuerst", als erster: Der erst kompt / der malt erst (L105 Georg Henisch 1616); Der Erste anfangen (L169 Matthias Kramer 1702); hierher der, die, das erste (der, die, das) beste (L105 Georg Henisch 1616) »in der meinung dasz das erst und schnell ohne zaudern herausgegriffene auch das beste sei« (L059 DWb): Ach Lisette, meinen Kummer zu erleichtern, muß ich ihn dem ersten dem besten erzählen (A177 Gotthold Ephraim Lessing, Damon 9. Auftritt); jünger der erste beste (Wieland; L059 DWb); und legte Hut und Degen auf die erste beste steinerne Bank (A074 Johann Wolfgang von Goethe, 24,84 LH); ⇓ "S215" substantivisch das Erste, adverbial in Verbindungen mit Präpositionen: fürs erste ›zunächst‹ (verkürzt aus für das erste): Vnd das solt jr fur das erste wissen / Das keine Weissagung in der Schrifft geschicht aus eigener auslegung (A180 Martin Luther, 2.Petrus 1,20); ↑ "vorerst"; aufs erste ›erstens‹ (bei Aufzählungen): Vnd Gott hat gesetzet in der Gemeine / auffs erst die Apostel / auffs ander die Propheten / auffs dritte die Lerer (A180 Martin Luther, 1.Korinther 12,28); am ersten ›zuerst, zunächst, früher als irgend etwas (jmd. ) anderes‹ (dafür auch am ehesten): vnd kam am ersten zum grabe (A180 Martin Luther, Johannes 20,4); die Schwachen brechen… am ersten (L169 Matthias Kramer); später im Sinne von ›am besten, am wahrscheinlichsten‹, »auf die leichteste, auf die beste, auf die sicherste Art« (L004 Johann Christoph Adelung) (↑ "eher"): Da ist am ersten durchzukommen (L004 Johann Christoph Adelung); zum ersten ›am Anfang, anfangs‹: Vnd ob sie zum ersten sich anders gegen jm stellet (A180 Martin Luther, Sirach 4,18); zum ersten sind alle Knechte und Magde fleissig (L169 Matthias Kramer); auch in der Bedeutung ›zuerst, als erste(r/ s), früher als irgend etwas (jmd. ) anderes‹, ›als erster‹: den/ der zum ersten die Historien geschrieben hat (A180 Martin Luther, 2. Makkabäer 2,31); frühneuhochdeutsch auch im ersten, von, vom ersten, mit (dem) ersten, auf das erste (L059 DWb); dazu der Komparativ erstere(r/ s) ›der (die, das) zunächst genannte von zwei Gegenständen, Personen usw.‹ (17. Jahrhundert; L320 Trübner), zumeist in Verbindung mit dem gleichgebildeten Gegenbegriff der letztere: Haß und Liebe; erstere, oder die erstere ist eine unangenehme, letztere, die letztere aber eine angenehme Leidenschaft (L004 Johann Christoph Adelung); noch im 18. Jahrhundert ohne strenge Scheidung von der erste (vgl. den Gebrauch von letztere): Saul und David waren zwey Könige, der erste regierte schlecht, der andere löblich (L004 Johann Christoph Adelung).
2 ahd. erist, mhd. erest(e), erst(e), Adverb,
2.1 mit Bezug auf das Subjekt ›früher als irgendetwas / irgendjemand anders‹, ›zuerst, als erste(r/ s)‹ (schon mittelhochdeutsch, Parzival; L059 DWb), »vorderst« (1663 L284 Justus Georg Schottelius): ich will erst sehen ob er zu Hause sey (L169 Matthias Kramer 1702); Adramelech kam erst (Klopstock; L059 DWb); in der Kindersprache Erst komme ich!; noch in Zusammensetzungen erstgenannte, erstgeborene (dazu Erstgeburt Luther); Erstkläßler (synonym "Abc-Schütze", i-Männchen; für umgangssprachliche und landschaftliche Varianten vgl. L066 Jürgen Eichhoff, Karte 3–23; ↑ "Abc", "Männchen" ↑ "Mann");
2.2 ›bevor etwas Bestimmtes anderes geschieht, das sich aus dem Zusammenhang ergibt‹, ›zuvor, vorher, zunächst‹: Laß mich erst essen, hernach wollen wir gehen (L004 Johann Christoph Adelung); Erst hat er es nicht geglaubt (L004 Johann Christoph Adelung); oft in Verbindung mit dann: Ich hatte, sprach er, nicht zum Zeitvertreib zu gaffen, / Erst Kinder und dann Brot für sie zu schaffen (A074 Johann Wolfgang von Goethe, 12,153 LH); verstärkt allererst (schon mittelhochdeutsch); in Verbindung mit abtönendem ↑ "mal": ich stelle es [Gemälde] erst mal hier an mein Stuhlbein, da steht es ja für den Augenblick ganz gut (Th.A183 Thomas Mann, Zauberberg 367f.); Sage mir erst mal, was Freiheit ist(ebenda 541); gelegentlich im Sinne von ›anfangs‹: Erst war gar nicht meine Absicht zu kommen (L033 Joachim Heinrich Campe), ↑ "anfangs";
2.3 ›nicht früher als zu einem bestimmten Zeitpunkt‹, ›endlich‹, häufig in Verbindung mit Zeitbestimmungen: Er wird erst auffs Fest wider heim komen (A180 Martin Luther, Sprüche Salomos 7,20); Erst yetz / als ob einer sprach / Fast spat (L200 Josua Maaler 1561); Jetzt merke ich es erst, oder jetzt erst merke ich es, oder erst jetzt merke ich es (L004 Johann Christoph Adelung); früher zuweilen mit Verstärkung allererst (schon mittelhochdeutsch): Diese Spiral=Tendenz, als Grundgesetz des Lebens, muß daher allererst bei der Entwickelung aus dem Samen sich hervorthun (A074 Johann Wolfgang von Goethe, 55,103 LH); daraus
2.4 ›nicht vor längerer Zeit als angegeben‹: Wir habend Erst kurtzlich kundtschafft zesamen gemacht (L200 Josua Maaler 1561); Du warest eben erst hinweg gegangen(L105 Georg Henisch 1616); nur erst vorigen sonnabend bekomme ich einen brief von ihm (Lessing; L059 DWb); auch im Sinne von ›vor kurzer Zeit‹: ich hab ihm erst geschrieben (L169 Matthias Kramer 1702); Es war ein Knabe frech genung, / War erst aus Frankreich kommen (A074 Johann Wolfgang von Goethe, 1,181 LH);
2.5 ›im ersten Moment, in dem das betreffende Ereignis eingetreten ist‹, ›erst einmal‹, in Temporal- und Konditionalsätzen: Es kan keiner zu Rom sterben / er komme dann erst dahin (L105 Georg Henisch 1616); sie rühmen Frankreich, aber du solltest erst Italien erblickt haben (L059 DWb); in Wunschsätzen ›schon‹: Möchte ich doch erst zu Hause seyn! (L004 Johann Christoph Adelung); Ach, was hilft das Klagen, und doch– ich wollte der Morgen dämmerte erst (A210 Wilhelm Raabe 3,452); häufig in Verbindung mit abtönendem ↑ "nur": Wenn ich nur erst da bin, so findet sich das Übrige (L033 Joachim Heinrich Campe);
2.6 ›nicht früher als zum angegebenen Zeitpunkt, nun erst‹: Hab ich denn heute erst angefangen Gott für jn zu fragen? (A180 Martin Luther, 1. Samuel 22,15); Jetzt erst erkenn' ich was der Weise spricht (A074 Johann Wolfgang von Goethe, 12,32 LH); Als alle am Boden lagen, begann die Sache erst richtig (R.A289 Ror Wolf, Männer 39), hierher erst recht ›noch mehr als vorher‹: Nun ging es erst recht hitzig (L004 Johann Christoph Adelung), wobei der vorangegangene Zustand noch nicht als der richtige angesehen wird; dafür mittelhochdeutsch noch bloßes erste, aber auch noch frühneuhochdeutsch und bis ins 19. Jahrhundert: Wenn ich Jsrael heilen wil / so findet sich erst die sünde Ephraim / vnd die bosheit Samarie / wie sie Abgötterey treiben (A180 Martin Luther, Hosea 7,1); Wer sich seiner [Amos] schämt, der muß erst leiden (A074 Johann Wolfgang von Goethe, 1,290 LH); meist verstärkt allererst, so noch bei A180 Martin Luther: Da wird sich allererst die Not anheben (Matthäus 24,8); d. h. ›die Not, die schon früher vorhanden war, ist im Vergleich zu der, die jetzt kommt, gar nicht Not zu nennen‹; davon verschieden jetzt (tue ich es) erst recht (nicht)mit starkem Ton auf recht ›den Umständen/ einer Person zum Trotz‹;
2.7 ›erstens‹: erst ist sie seiner Frauen Mutter. – Nur dann? (Lessing); Hat Allah zu gemeinem Heil / der Gnaden vier verliehen. Den Turban erst, der besser schmückt / Als alle Kaiserkronen (A074 Johann Wolfgang von Goethe, 5,10 LH);
2.8 in der Verbindung nicht erst ›bereits früher‹, ›nicht so spät, wie man annehmen oder befürchten könnte‹: Denn wenn Gott einmal etwas beschleusset / So bedenkt ers nicht erst hernach(A180 Martin Luther, Hiob 33,14); vom Temporalen auf das Quantitative übertragen.
3 ⇓ "S080" Gradpartikel, Ausdruck des Enttäuschtseins einer höheren Erwartung ›nicht weiter, nicht mehr als, nur‹: Er ist erst in Leipzig (L004 Johann Christoph Adelung); Sie ist erst sechzehen Jahr alt (L004 Johann Christoph Adelung); Ich habe erst zwei Briefe von ihr bekommen (L033 Joachim Heinrich Campe); was zuerst und an erstrangiger Stelle zu erwähnen ist, mag später im Sinne einer Hervorhebung verstanden worden sein, daher der Gebrauch als
4 ⇓ "S002" Abtönungspartikel, in Aussagesätzen und Ausrufen, ›Sprecher zeigt an, daß er den genannten Gegenstand oder Sachverhalt über eine schon recht hohe Grunderwartung hinaus für bemerkenswert hält‹: Du solltest ihn erst singen hören, da würde er dir erst recht gefallen (L004 Johann Christoph Adelung); Und erst die Schlafzimmer! Zwei mörderische Bettgestelle, überladen mit zementgrauem Bettzeug(M.Walser; L337 WdG).
erstens Adverb (L169 Matthias Kramer 1702), ursprünglich Genitiv, bei Aufzählungen üblich wie die entsprechenden Bildungen zweitens, "drittens" usw., für früheres am, zu ersten: Erstens müssen wir seinen Stand erwähnen, zweytens seine Verdienste (L004 Johann Christoph Adelung);
erstlich Adverb, bis ins 19. Jahrhundert ›zuerst, zunächst‹, »anfengklich / vom ersten / zum ersten« (L105 Georg Henisch): Dis Volck ist aus Chaldea her komen / vnd hat erstlich in Mesopotamien gewonet (A180 Martin Luther, Judith 5,6); Erstlich angreiffen, anfangen (L105 Georg Henisch); was jammer erstlich war, wird endlich herlichkeit (Logau; L059 DWb); Erstlich noch ein Glaschen Wein (A074 Johann Wolfgang von Goethe, 11,208 LH); heute nur noch im Sinne von ›erstens‹: Meine Grunde sind folgende: erstlich ist es schon spat, zweitens ist der Weg zu schlecht (L033 Joachim Heinrich Campe).
Erstling ›das zuerst Hervorgebrachte, Entstandene, Geborene‹ (L308 Kaspar Stieler 1691), Substantiv zu erste(r/ s) (vgl. "Neuling", "Spätling"), frühneuhochdeutsch
1 ›erstgeborenes Kind‹, aber auch vom Vieh: die erstlinge vnser Söne vnd vnsers Viehs (A180 Martin Luther, Nehemia 10,36); übertragen auf die Erntefrüchte (dann zumeist Neutrum): Vnd das Erstling deines korns / deines mosts / vnd deines öles (A180 Martin Luther, 5.Mose 18,4); dann allgemein
2 ›der erste (seiner Art)‹: Nv aber ist Christus aufferstanden von den Todten / vnd der Erstling worden vnter denen, die da schlaffen (A180 Martin Luther, 1.Korinther 15,20); Sie seien die Erstlinge meiner Tyrannei (A222 Friedrich Schiller, Fiesko 5,16); heute zumeist nur noch
3 ›erstes literarisches Werk eines Schriftstellers, Künstlers‹: Den Erstling seiner Kunst gehorsamst dar zu bringen (Günther; L305 Christoph Ernst Steinbach); Die Erstlinge meiner Poesie, meine ersten Gedichte (L004 Johann Christoph Adelung); dazu Erstlingswerk.
1.2 für den Gegenstand, mit dem man beim Zählen beginnt, hat in dieser Funktion ältere Ordinalzahlen verdrängt (got. fruma, ahd. furisto, engl. first, ↑ "Fürst"), daher auch auf Rangverhältnisse übertragen im Sinne von ›höchstrangig, wichtigst, von der besten Qualität‹ (in der ersten Reihe, in erster Linie) »Erst / Vorderest oder fürnemst« (L200 Josua Maaler 1561): der erste nach dem Kayser(L169 Matthias Kramer); Sind's [die Richter] nicht die ersten Männer dieses Landes (A222 Friedrich Schiller, Stuart 1,7); Die erste Pflicht des Menschen… erfüllt er die? (A074 Johann Wolfgang von Goethe, 10,222 LH); häufig in Verbindung mit der "letzte": Gönnet mir, o Quiriten! das Glück, und Jedem gewähre / Aller Güter der Welt erstes und letztes der Gott (A074 Johann Wolfgang von Goethe, 1,286 LH); früher auch als prädikatives Attribut anstelle von heutigen "zuerst", als erster: Der erst kompt / der malt erst (L105 Georg Henisch 1616); Der Erste anfangen (L169 Matthias Kramer 1702); hierher der, die, das erste (der, die, das) beste (L105 Georg Henisch 1616) »in der meinung dasz das erst und schnell ohne zaudern herausgegriffene auch das beste sei« (L059 DWb): Ach Lisette, meinen Kummer zu erleichtern, muß ich ihn dem ersten dem besten erzählen (A177 Gotthold Ephraim Lessing, Damon 9. Auftritt); jünger der erste beste (Wieland; L059 DWb); und legte Hut und Degen auf die erste beste steinerne Bank (A074 Johann Wolfgang von Goethe, 24,84 LH); ⇓ "S215" substantivisch das Erste, adverbial in Verbindungen mit Präpositionen: fürs erste ›zunächst‹ (verkürzt aus für das erste): Vnd das solt jr fur das erste wissen / Das keine Weissagung in der Schrifft geschicht aus eigener auslegung (A180 Martin Luther, 2.Petrus 1,20); ↑ "vorerst"; aufs erste ›erstens‹ (bei Aufzählungen): Vnd Gott hat gesetzet in der Gemeine / auffs erst die Apostel / auffs ander die Propheten / auffs dritte die Lerer (A180 Martin Luther, 1.Korinther 12,28); am ersten ›zuerst, zunächst, früher als irgend etwas (jmd. ) anderes‹ (dafür auch am ehesten): vnd kam am ersten zum grabe (A180 Martin Luther, Johannes 20,4); die Schwachen brechen… am ersten (L169 Matthias Kramer); später im Sinne von ›am besten, am wahrscheinlichsten‹, »auf die leichteste, auf die beste, auf die sicherste Art« (L004 Johann Christoph Adelung) (↑ "eher"): Da ist am ersten durchzukommen (L004 Johann Christoph Adelung); zum ersten ›am Anfang, anfangs‹: Vnd ob sie zum ersten sich anders gegen jm stellet (A180 Martin Luther, Sirach 4,18); zum ersten sind alle Knechte und Magde fleissig (L169 Matthias Kramer); auch in der Bedeutung ›zuerst, als erste(r/ s), früher als irgend etwas (jmd. ) anderes‹, ›als erster‹: den/ der zum ersten die Historien geschrieben hat (A180 Martin Luther, 2. Makkabäer 2,31); frühneuhochdeutsch auch im ersten, von, vom ersten, mit (dem) ersten, auf das erste (L059 DWb); dazu der Komparativ erstere(r/ s) ›der (die, das) zunächst genannte von zwei Gegenständen, Personen usw.‹ (17. Jahrhundert; L320 Trübner), zumeist in Verbindung mit dem gleichgebildeten Gegenbegriff der letztere: Haß und Liebe; erstere, oder die erstere ist eine unangenehme, letztere, die letztere aber eine angenehme Leidenschaft (L004 Johann Christoph Adelung); noch im 18. Jahrhundert ohne strenge Scheidung von der erste (vgl. den Gebrauch von letztere): Saul und David waren zwey Könige, der erste regierte schlecht, der andere löblich (L004 Johann Christoph Adelung).
2 ahd. erist, mhd. erest(e), erst(e), Adverb,
2.1 mit Bezug auf das Subjekt ›früher als irgendetwas / irgendjemand anders‹, ›zuerst, als erste(r/ s)‹ (schon mittelhochdeutsch, Parzival; L059 DWb), »vorderst« (1663 L284 Justus Georg Schottelius): ich will erst sehen ob er zu Hause sey (L169 Matthias Kramer 1702); Adramelech kam erst (Klopstock; L059 DWb); in der Kindersprache Erst komme ich!; noch in Zusammensetzungen erstgenannte, erstgeborene (dazu Erstgeburt Luther); Erstkläßler (synonym "Abc-Schütze", i-Männchen; für umgangssprachliche und landschaftliche Varianten vgl. L066 Jürgen Eichhoff, Karte 3–23; ↑ "Abc", "Männchen" ↑ "Mann");
2.2 ›bevor etwas Bestimmtes anderes geschieht, das sich aus dem Zusammenhang ergibt‹, ›zuvor, vorher, zunächst‹: Laß mich erst essen, hernach wollen wir gehen (L004 Johann Christoph Adelung); Erst hat er es nicht geglaubt (L004 Johann Christoph Adelung); oft in Verbindung mit dann: Ich hatte, sprach er, nicht zum Zeitvertreib zu gaffen, / Erst Kinder und dann Brot für sie zu schaffen (A074 Johann Wolfgang von Goethe, 12,153 LH); verstärkt allererst (schon mittelhochdeutsch); in Verbindung mit abtönendem ↑ "mal": ich stelle es [Gemälde] erst mal hier an mein Stuhlbein, da steht es ja für den Augenblick ganz gut (Th.A183 Thomas Mann, Zauberberg 367f.); Sage mir erst mal, was Freiheit ist(ebenda 541); gelegentlich im Sinne von ›anfangs‹: Erst war gar nicht meine Absicht zu kommen (L033 Joachim Heinrich Campe), ↑ "anfangs";
2.3 ›nicht früher als zu einem bestimmten Zeitpunkt‹, ›endlich‹, häufig in Verbindung mit Zeitbestimmungen: Er wird erst auffs Fest wider heim komen (A180 Martin Luther, Sprüche Salomos 7,20); Erst yetz / als ob einer sprach / Fast spat (L200 Josua Maaler 1561); Jetzt merke ich es erst, oder jetzt erst merke ich es, oder erst jetzt merke ich es (L004 Johann Christoph Adelung); früher zuweilen mit Verstärkung allererst (schon mittelhochdeutsch): Diese Spiral=Tendenz, als Grundgesetz des Lebens, muß daher allererst bei der Entwickelung aus dem Samen sich hervorthun (A074 Johann Wolfgang von Goethe, 55,103 LH); daraus
2.4 ›nicht vor längerer Zeit als angegeben‹: Wir habend Erst kurtzlich kundtschafft zesamen gemacht (L200 Josua Maaler 1561); Du warest eben erst hinweg gegangen(L105 Georg Henisch 1616); nur erst vorigen sonnabend bekomme ich einen brief von ihm (Lessing; L059 DWb); auch im Sinne von ›vor kurzer Zeit‹: ich hab ihm erst geschrieben (L169 Matthias Kramer 1702); Es war ein Knabe frech genung, / War erst aus Frankreich kommen (A074 Johann Wolfgang von Goethe, 1,181 LH);
2.5 ›im ersten Moment, in dem das betreffende Ereignis eingetreten ist‹, ›erst einmal‹, in Temporal- und Konditionalsätzen: Es kan keiner zu Rom sterben / er komme dann erst dahin (L105 Georg Henisch 1616); sie rühmen Frankreich, aber du solltest erst Italien erblickt haben (L059 DWb); in Wunschsätzen ›schon‹: Möchte ich doch erst zu Hause seyn! (L004 Johann Christoph Adelung); Ach, was hilft das Klagen, und doch– ich wollte der Morgen dämmerte erst (A210 Wilhelm Raabe 3,452); häufig in Verbindung mit abtönendem ↑ "nur": Wenn ich nur erst da bin, so findet sich das Übrige (L033 Joachim Heinrich Campe);
2.6 ›nicht früher als zum angegebenen Zeitpunkt, nun erst‹: Hab ich denn heute erst angefangen Gott für jn zu fragen? (A180 Martin Luther, 1. Samuel 22,15); Jetzt erst erkenn' ich was der Weise spricht (A074 Johann Wolfgang von Goethe, 12,32 LH); Als alle am Boden lagen, begann die Sache erst richtig (R.A289 Ror Wolf, Männer 39), hierher erst recht ›noch mehr als vorher‹: Nun ging es erst recht hitzig (L004 Johann Christoph Adelung), wobei der vorangegangene Zustand noch nicht als der richtige angesehen wird; dafür mittelhochdeutsch noch bloßes erste, aber auch noch frühneuhochdeutsch und bis ins 19. Jahrhundert: Wenn ich Jsrael heilen wil / so findet sich erst die sünde Ephraim / vnd die bosheit Samarie / wie sie Abgötterey treiben (A180 Martin Luther, Hosea 7,1); Wer sich seiner [Amos] schämt, der muß erst leiden (A074 Johann Wolfgang von Goethe, 1,290 LH); meist verstärkt allererst, so noch bei A180 Martin Luther: Da wird sich allererst die Not anheben (Matthäus 24,8); d. h. ›die Not, die schon früher vorhanden war, ist im Vergleich zu der, die jetzt kommt, gar nicht Not zu nennen‹; davon verschieden jetzt (tue ich es) erst recht (nicht)mit starkem Ton auf recht ›den Umständen/ einer Person zum Trotz‹;
2.7 ›erstens‹: erst ist sie seiner Frauen Mutter. – Nur dann? (Lessing); Hat Allah zu gemeinem Heil / der Gnaden vier verliehen. Den Turban erst, der besser schmückt / Als alle Kaiserkronen (A074 Johann Wolfgang von Goethe, 5,10 LH);
2.8 in der Verbindung nicht erst ›bereits früher‹, ›nicht so spät, wie man annehmen oder befürchten könnte‹: Denn wenn Gott einmal etwas beschleusset / So bedenkt ers nicht erst hernach(A180 Martin Luther, Hiob 33,14); vom Temporalen auf das Quantitative übertragen.
3 ⇓ "S080" Gradpartikel, Ausdruck des Enttäuschtseins einer höheren Erwartung ›nicht weiter, nicht mehr als, nur‹: Er ist erst in Leipzig (L004 Johann Christoph Adelung); Sie ist erst sechzehen Jahr alt (L004 Johann Christoph Adelung); Ich habe erst zwei Briefe von ihr bekommen (L033 Joachim Heinrich Campe); was zuerst und an erstrangiger Stelle zu erwähnen ist, mag später im Sinne einer Hervorhebung verstanden worden sein, daher der Gebrauch als
4 ⇓ "S002" Abtönungspartikel, in Aussagesätzen und Ausrufen, ›Sprecher zeigt an, daß er den genannten Gegenstand oder Sachverhalt über eine schon recht hohe Grunderwartung hinaus für bemerkenswert hält‹: Du solltest ihn erst singen hören, da würde er dir erst recht gefallen (L004 Johann Christoph Adelung); Und erst die Schlafzimmer! Zwei mörderische Bettgestelle, überladen mit zementgrauem Bettzeug(M.Walser; L337 WdG).
erstens Adverb (L169 Matthias Kramer 1702), ursprünglich Genitiv, bei Aufzählungen üblich wie die entsprechenden Bildungen zweitens, "drittens" usw., für früheres am, zu ersten: Erstens müssen wir seinen Stand erwähnen, zweytens seine Verdienste (L004 Johann Christoph Adelung);
erstlich Adverb, bis ins 19. Jahrhundert ›zuerst, zunächst‹, »anfengklich / vom ersten / zum ersten« (L105 Georg Henisch): Dis Volck ist aus Chaldea her komen / vnd hat erstlich in Mesopotamien gewonet (A180 Martin Luther, Judith 5,6); Erstlich angreiffen, anfangen (L105 Georg Henisch); was jammer erstlich war, wird endlich herlichkeit (Logau; L059 DWb); Erstlich noch ein Glaschen Wein (A074 Johann Wolfgang von Goethe, 11,208 LH); heute nur noch im Sinne von ›erstens‹: Meine Grunde sind folgende: erstlich ist es schon spat, zweitens ist der Weg zu schlecht (L033 Joachim Heinrich Campe).
Erstling ›das zuerst Hervorgebrachte, Entstandene, Geborene‹ (L308 Kaspar Stieler 1691), Substantiv zu erste(r/ s) (vgl. "Neuling", "Spätling"), frühneuhochdeutsch
1 ›erstgeborenes Kind‹, aber auch vom Vieh: die erstlinge vnser Söne vnd vnsers Viehs (A180 Martin Luther, Nehemia 10,36); übertragen auf die Erntefrüchte (dann zumeist Neutrum): Vnd das Erstling deines korns / deines mosts / vnd deines öles (A180 Martin Luther, 5.Mose 18,4); dann allgemein
2 ›der erste (seiner Art)‹: Nv aber ist Christus aufferstanden von den Todten / vnd der Erstling worden vnter denen, die da schlaffen (A180 Martin Luther, 1.Korinther 15,20); Sie seien die Erstlinge meiner Tyrannei (A222 Friedrich Schiller, Fiesko 5,16); heute zumeist nur noch
3 ›erstes literarisches Werk eines Schriftstellers, Künstlers‹: Den Erstling seiner Kunst gehorsamst dar zu bringen (Günther; L305 Christoph Ernst Steinbach); Die Erstlinge meiner Poesie, meine ersten Gedichte (L004 Johann Christoph Adelung); dazu Erstlingswerk.