Hermann Paul - Deutsches Wörterbuch
Erbe
Neutr. , ahd. arbi, erbi, altgermanisch, verwandt mit lat. orbus, griech. orphanós ›verwaist‹. In der Bedeutung ›Hinterlassenschaft‹ ist es jetzt nur noch in gehobener Sprache üblich (s. unten Erbschaft) und in übertragenem Sinn, v. a. in den Begriffen kulturelles Erbe (vgl. die SED-Publikation Die SED und das kulturelle Erbe, 1986; zur Erbetheorie vgl. L257 3RL1,488ff. und Erbin, s. unten), Erbe der Menschheit (für schützenswerte Kulturdenkmäler). Abgeleitet ist schon altgermanisch das schwache MaskulinumErbe, ahd. arbeo, erbower eine Hinterlassenschaft zu erwarten hat bzw. bekommt‹. Heute spricht man wegen des angehäuften Vermögens von einer Erbengesellschaft. In der älteren Rechtssprache wird der Angehörige einer Markgenossenschaft als Erbe bezeichnet, ähnlich bei A180 Martin Luther im Buch Ruth 2,20. Vgl. L046 DRWb3,40ff. Auf ein weibliches Wesen bezogen erscheint es bei A180 Martin Luther: eine Magd / wenn sie jrer Frauen Erbe wird (Sprüche Salomos 30,23); dazu
Erbin (1690; L345 Friedrich Karl Ludwig Weigand/ L345 Herman Hirt), auch übertragen: Die deutsche Arbeiterbewegung ist die Erbin der deutschen klassischen Philosophie (1888 Engels; L257 3RL1,489).
Erbfeind mhd. erbevint ist der Teufel, im 15. Jahrhundert wird es ⇓ "S192" schlagwortartige Bezeichnung für die Türken. 1513 spricht Kaiser Maximilian von den Franzosen als dem Erbfeind. Populäres Propagandawort wird Erbfeind in dieser Bedeutung in den Kriegen gegen Napoleon und danach in den Weltkriegen.
Erbgut (mhd. ) ursprünglich ›ererbtes Gut, Erbschaft‹: Wenn jemand ein stück Ackers von seinem Erbgut dem Herrn heiliget (A180 Martin Luther, 3.Mose 27,16), altertümelnd noch bei A200 Friedrich Nietzsche: Ihr selber seid Die nicht, welchen mein Erbgut und Name zugehört (Zarathustra 351); auch im Plural: das er sein testament mach und sein erbgüter verschaffe (Franck; L059 DWb). Seit dem 19. Jahrhundert bezeichnet es in der Genetik und v. a. in der pseudowissenschaftlichen Rassenlehre die Gesamtheit der Erbanlagen (L320 Trübner).
Erblasser (1573; L046 DRWb) nach mhd. daz erbe landas Erbe hinterlassen‹.
Erbschleicherwer ein Erbe auf unrechte Weise erlangt‹ (1696 Thomasius; L164 Friedrich Kluge), ⇓ "S125" Lehnübertragung von lat. heredipeta.
Erbsünde mhd. erbesünde, ⇓ "S124" Lehnübersetzung von lat. peccatum hereditarium, nach christlicher Lehre ›erebte Ursünde der Menschheit‹, im Nationalsozialismus ›Sünde wider das Gebot der Rassenreinheit‹, vorbereitet in rassistischen Zirkeln Anfang des 20. Jahrhunderts (L281 Cornelia Schmitz-Berning).
Erbschaft (mhd. ) ›hinterlassenes bzw. zugefallenes Erbeeine hübsche Erbschaft machen. In übertragener Bedeutung ist Erbenach wie vor üblicher als Erbschaft.
erben (ahd. ) Ableitung aus Erbe Neutr. Als Subjekt steht
1 der Erbe, was jetzt allein noch üblich ist, daneben als Objekt das Erbe, früher zuweilen auch der Beerbte: dein Same wird die Heiden erben (A180 Martin Luther, Jesaja 54,3), der ihn einst zu erben gedenkt(Wieland), die nicht erbet ein Sohn (Voß); dafür jetzt beerben (s. unten); früher konnte auch
2 das Erbe Subjekt sein: sein teil sol allein auff seine Söne erben (A180 Martin Luther, Hesekiel 46,17), der erste Bourbon, auf welchen deine Krone erbte (Wieland), daß künftig diese gute Pfründe auf mich erben möchte (A075 Johann Wolfgang von Goethe, Wanderjahre 24,21,14), Es erbt der Eltern Segen, nicht ihr Fluch (A075 Johann Wolfgang von Goethe, Iphigenie 717). Ebenfalls heute nicht mehr üblich ist die Konstruktion
3 mit dem Erblasser als Subjekt, wobei das Erbe als Objekt stand: sondern soll sein eigen Gut auf seine Kinder erben(Luther), ebenso forterben: seiner Tat, die Glück oder Unglück forterbt späten Enkeln (Grillparzer). Reflexiv sich erben entspricht erben(2): der Aussatz riß unter ihnen ein und erbte sich durch viele Generationen hinunter (Schiller), auch sich forterben: Es erben sich Gesetz und Rechte Wie eine ew'ge Krankheit fort (A075 Johann Wolfgang von Goethe, Faust I,1972). Das heute Übliche für Bedeutung (3) ist ↑ "vererben", für Bedeutung (2) sich vererben.
beerben (mhd. ), frühneuhochdeutsch steht auch das Erbe als Objekt: wenn einer ein Gut nicht beerben (die Erbschaft nicht antreten) wollte (Luther), daß ihr den Segen beerbet (Luther). Ferner erscheint als Subjekt der Erblasser wie bei vererben: das jr besitzt das gute Land / vnd beerbet auff ewre Kinder (A180 Martin Luther, 1.Chronik 28,8). Heute ausschließlich mit dem Empfänger der Hinterlassenschaft als Subjekt: Wer beerbt »die Moderne«? (A259 Klaus Theweleit, Könige I,11).
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