Hermann Paul - Deutsches Wörterbuch
entarten
mhd. entarten, ›seine Art oder Natur verlieren und eine schlechtere annehmen‹ wenn unsere Liebe in einer Vollkommenheit zusammentraf… wie könnten ihre Kinder so entarten? (A222 Friedrich Schiller, Räuber 1,3); die natürliche Stellung der Grazie entartet in eine Beugung (Schiller). Allgemein üblich war nur das im 18. Jahrhundert schon häufige Partizipentartet, während sonst "ausarten" vorgezogen wurde; es wird früh auf einzelne Personen, auf die Menschheit, auf sittliche Zustände, auf Kunst u. a. bezogen, vgl. Man rühmt die feinen Sitten deines Volkes, / Du aber bist entartet und gemein (A084 Franz Grillparzer, Weh dem, der lügt 43); Selbst die Deutschen, einst die Bessern… Diese gleichfalls sind entartet (A118 Heinrich Heine, Atta Troll 34); bei F.Schlegel 1797 auch schon die Verbindung entartete Kunst: Die Rückkehr von entarteter Kunst zur echten, vom verderbten Geschmack zum richtigen scheint nur ein plötzlicher Sprung sein zu können (Über das Studium der griech. Poesie 62; alles A038 Dig.Bib.); gegen realpolitischen Irrsinn und eine entartete Gesellschaftsordnung anzurennen, war nur.. ein kleines Verdienst (A205 Kurt Pinthus, Menschheitsdämmerung [1920/ 1959], Vorrede 29). Im ⇓ "S145" Nationalsozialismus wird entartet zu einem Schlüsselbegriff der Propaganda gegen die moderne Kunst; dazu die Ausstellungen Entartete Kunst (München 1937) und Entartete Musik (Düsseldorf 1938); ⇓ "S207" heute unterliegt entartet einem sprachlichen Tabu und wird nur noch selten gebraucht. (L015 Cornelia Berning 66ff). In entsprechend weitem Gebrauch ist
Entartung schon im 18. Jahrhundert anzutreffen, auch im biologischen Sinn: wie die Entartung des physischen Triebes die Gesetze der Natur beleidigt (1791 G.A061 Georg Forster, Ansichten vom Niederrhein, 9,10); die scheinbaren Unregelmäßigkeiten der Pflanzen.. wie das Mißgebähren oder die Entartung gewisser Organe (A075 Johann Wolfgang von Goethe, Naturwissenschaftliche Schriften 7,157,13 für franz. dégénérescence); daß die Griechische Poesie von dem höchsten Gipfel der Vollendung in die tiefste Entartung versank(F.Schlegel, Über das Studium der griech. Poesie 143; A038 Dig.Bib.); häufig in der Kulturkritik des 19. Jahrhunderts, bei Riehl, Nietzsche u. a., vgl. auch den Titel von B.Goltz: Deutsche Entartung in der lichtfreundlichen und modernen Lebensart (1847); aufgegriffen vom Nationalsozialismus.
mhd. entarten, ›seine Art oder Natur verlieren und eine schlechtere annehmen‹ wenn unsere Liebe in einer Vollkommenheit zusammentraf… wie könnten ihre Kinder so entarten? (A222 Friedrich Schiller, Räuber 1,3); die natürliche Stellung der Grazie entartet in eine Beugung (Schiller). Allgemein üblich war nur das im 18. Jahrhundert schon häufige Partizipentartet, während sonst "ausarten" vorgezogen wurde; es wird früh auf einzelne Personen, auf die Menschheit, auf sittliche Zustände, auf Kunst u. a. bezogen, vgl. Man rühmt die feinen Sitten deines Volkes, / Du aber bist entartet und gemein (A084 Franz Grillparzer, Weh dem, der lügt 43); Selbst die Deutschen, einst die Bessern… Diese gleichfalls sind entartet (A118 Heinrich Heine, Atta Troll 34); bei F.Schlegel 1797 auch schon die Verbindung entartete Kunst: Die Rückkehr von entarteter Kunst zur echten, vom verderbten Geschmack zum richtigen scheint nur ein plötzlicher Sprung sein zu können (Über das Studium der griech. Poesie 62; alles A038 Dig.Bib.); gegen realpolitischen Irrsinn und eine entartete Gesellschaftsordnung anzurennen, war nur.. ein kleines Verdienst (A205 Kurt Pinthus, Menschheitsdämmerung [1920/ 1959], Vorrede 29). Im ⇓ "S145" Nationalsozialismus wird entartet zu einem Schlüsselbegriff der Propaganda gegen die moderne Kunst; dazu die Ausstellungen Entartete Kunst (München 1937) und Entartete Musik (Düsseldorf 1938); ⇓ "S207" heute unterliegt entartet einem sprachlichen Tabu und wird nur noch selten gebraucht. (L015 Cornelia Berning 66ff). In entsprechend weitem Gebrauch ist
Entartung schon im 18. Jahrhundert anzutreffen, auch im biologischen Sinn: wie die Entartung des physischen Triebes die Gesetze der Natur beleidigt (1791 G.A061 Georg Forster, Ansichten vom Niederrhein, 9,10); die scheinbaren Unregelmäßigkeiten der Pflanzen.. wie das Mißgebähren oder die Entartung gewisser Organe (A075 Johann Wolfgang von Goethe, Naturwissenschaftliche Schriften 7,157,13 für franz. dégénérescence); daß die Griechische Poesie von dem höchsten Gipfel der Vollendung in die tiefste Entartung versank(F.Schlegel, Über das Studium der griech. Poesie 143; A038 Dig.Bib.); häufig in der Kulturkritik des 19. Jahrhunderts, bei Riehl, Nietzsche u. a., vgl. auch den Titel von B.Goltz: Deutsche Entartung in der lichtfreundlichen und modernen Lebensart (1847); aufgegriffen vom Nationalsozialismus.