Hermann Paul - Deutsches Wörterbuch
Ende
Neutr. , ahd. anti, mhd. ende auch noch Maskulinum wie im Urgermanischen (got. andeis), verwandt mit lat. antiae ›Stirnhaare‹, griech. ánta ›gegenüber‹, anti ›gegen‹, ferner auch ant- ("Antlitz", "Antwort") und ↑ {{link}}ent{{/link}}-, vgl. L249 Julius Pokorny 48/ 50. Ursprünglich vom Raum gebraucht, wird es schon früh auf die Zeit übertragen. Gegensatz zu "Anfang". Ein Plural wird nur für den räumlichen Sinn gebildet.1 Es bezeichnet den Punkt, bis zu dem sich etwas erstreckt; als Ende stellt sich dieser nur dar, wenn man die Richtung von dem Innern des betreffenden Gegenstandes aus im Auge hat, daher gibt es im zeitlichen Sinn nur ein Ende, weil die Bewegung der Zeit immer nach einer Richtung geht, im räumlichen dagegen bei einer Linie zwei, bei einer Fläche beliebig viele, weil man mit der Richtung wechseln kann. In der ⇓ "S100" Jägersprache ist EndeZacken des Geweihs‹, daher Zwölfender usw.
1.1 Schon althochdeutsch und mittelhochdeutsch (L059 DWb) wird Ende im zeitlichen Sinn zu ›Tod‹, dann auch allgemeiner ›Schicksal‹; im religiösen Sinn bedeutet es auch ›Ende der Welt‹: ⇓ "S046" Das Ende ist nahe! (Losung der Zeugen Jehovas).
1.2 Eigentlich ist Ende ein Punkt ohne Ausdehnung, sehr gewöhnlich aber wird das an diesen Punkt Angrenzende mit einbegriffen. Es nähert sich so der Bedeutung von "Stück", und es kann daher auch ein Diminutiv gebildet werden, umgangssprachlich ein Endchen Lichtu.dgl., er ist ein ziemliches Ende mit mir gegangen, ich gedenke noch mein Endchen zu leben (Sturz).
1.3
⊚⊚ An allen Enden (seltener aller Enden) ist mitunter schlechthin ›überall‹; häufig verbunden an allen Ecken und Enden, an allen Orten und Enden; vgl. die Bedeutungsentwicklung von "Ort". Neben ist (wird) ein Ende steht ein Genitiv, der eigentlich von Ende abhängig ist, aber nach der logischen Gliederung als Subjekt der Wendung erscheint: seines Konigreichs wird kein Ende sein (A180 Martin Luther, Lukas 1,33), Das des brennens vnd reissens ein ende werde (A180 Martin Luther, Psalm 80,17), heute zuweilen noch in negativen Sätzen (des Lärmens ist kein Ende); A180 Martin Luther gebraucht auch statt des Genitivs mit, setzt aber noch ein es daneben, welches aus genitivischem mhd. eshervorgegangen ist: Wenn wils denn ein ende sein / mit solchen Wundern? (Daniel 12,6). Entsprechend steht ursprünglich ein Genitiv neben ein Ende machen, der logisch von der ganzen Wendung abhängig ist: Wenn wolt jr der rede ein ende machen? (A180 Martin Luther, Hiob 18,2); dafür frühzeitig mit, bei A180 Martin Luther aber wieder verbunden mit eigentlich genitivischem es: Denn ich wils mit allen Heiden ein ende machen (Jeremia 30,11). Am Ende steht wie "schließlich" neben Urteilen, zu denen man nach längerer Überlegung, eventuell nach Erwägung entgegenstehender Umstände gelangt ist: am Ende ist es doch wahr, was Karl vorausgesagt hat. Sehr häufig ist die floskelhafte Verwendung von letzten Endes im Sinne von ›schließlich‹: ein von allen andern letzten Endes völlig unabhängiges Individuum(N.A048 Norbert Elias, Prozeß, Einleitung LIII) oder auch Th.A011 Thomas Bernhard, Auslöschung 617; das Ende vom Liedder (meist unerfreuliche) Ausgang einer Sache‹, vielleicht durch den häufig traurigen Schluß alter Volksweisen motiviert, schon bei Luther (L041 Philipp Dietz).
2 Endehat unter Einfluß von lat. finis auch die Bedeutung ›Zweck, Absicht‹ angenommen (mhd. ), in welcher es noch jetzt vorkommt, vgl. Endzweck.
endgültig (1819; L060 2DWb) laut L059 DWb 1862 in der »Geschäftssprache« beliebt, ›in einer letzten Entscheidung geklärt, dauerhaft gültigwar man sich… des endgültigen sieges der arbeiterklasse sicher(Sontheimer; L060 2DWb), umgangssprachlich adverbial auch ›absolut, unbedingtich will jetzt endgültig nach Hause. Der ⇓ "S145" Nazi-Propaganda entstammt der verhüllende Begriff
Endlösung: Endlösung der Judenfrage nennt Göring in einem Brief (31.7.41) an Heydrich die geplante endgültige Vernichtung der europäischen Juden (L015 Cornelia Berning), danach ist im Protokoll der sogenannten »Wannsee-Konferenz« der Verschleierungsterminus schon so selbstverständlich, daß das Wort Endlösung ohne verdeutlichende Zusätze gebraucht werden kann (ebenda);
Endsieg wurde von der ⇓ "S145" Nazi-Propaganda gegen Kriegsende bei zunehmender Wahrscheinlichkeit der deutschen Niederlage beschworen. Endsieg war schon im 1.Weltkrieg gebräuchlich: wer von uns zweifelt heute noch am schließlichen Endsieg? (1918/ 19 K.A168 Karl Kraus, Die letzten Tage, entstanden 1915/ 17, zitiert nach L015 Cornelia Berning; vgl. auch L060 2DWb); auch in Hitlers ›Mein Kampf‹.
Endspiel
1letzte Phase in einem Schachspiel‹ (1890: L060 2DWb),
2 im ⇓ "S205" Sport ›letztes Entscheidungsspiel eines Turniers, einer Qualifikationsrunde‹, zuerst im Fußball (1914: L060 2DWb).
Endursache 17. Jahrhundert, in ⇓ "S168" philosophischer Sprache ›Zweck, durch den etwas veranlaßt, hervorgebracht wird‹, ⇓ "S124" Lehnübersetzung von lat. causa finalis: jede Veränderung hat ihre wirkende Ursache [für lat. causa] und ihre Endursache (Mendelssohn). Desgleichen
Endzweck 1609, ⇓ "S124" Lehnübersetzung von lat. causa finalis.
enden ahd. enton, mhd. enden; jüngerere Nebenform endigen, zuerst ⇓ "S150" mittelniederdeutsch (1269; L060 2DWb), überwiegt bei Goethe. Früher auch transitiv: doch ende bald, Thalia, den Gesang (Hagedorn; L059 DWb), dafür heute nur noch beenden und beendigen (beide 17. Jahrhundert; W.L244 Wolfgang Pfeifer). Heute ist enden nur noch intransitiv
1aufhören‹: Wie gut will dieser Tag enden, der so schlimm und schwer begann! (1885 A200 Friedrich Nietzsche, Zarathustra 387) und
2sterben‹ in bestimmten Verwendungsweisen z. B. er endete als Bettler; ↑ "sterben".
endlich mhd. / frühnhd. endelich;
1endgültig‹, noch bei Schiller: keinen endlichen Schluß fassen.
2 Frühneuhochdeutsch von Personen ›endgültig entschlossen‹, daher ›beharrlich, eifrig‹: die anschlege eins Endelichen bringen vberflus (A180 Martin Luther, Sprüche Salomos 21,5), adverbial vnd gieng auff das Gebirge endelich (A180 Martin Luther, Lukas 1,39), noch bei Wieland trabt euch mein Ritter endelich.
3am Ende kommend‹, selten adjektivisch: die endelichen letzten Zeilen (Lessing), zum endlichen Gelingen (Pertz); sehr gewöhnlich adverbial ›schließlich‹; dazu seit Mitte des 20. Jahrhunderts (1969; IdS-Corpus) letztendlich (wohl nach gleichbedeutend letzten Endes, dies im Zusammenhang mit letztes EndeTod‹, vgl. L059 DWb12,817); zuweilen rührt endlich an die unter Ende besprochene Verwendung von am Ende: denn endlich ist es doch nur eine sinnliche Kraft(Schiller).
4 Seit etwa 1700 zunächst in ⇓ "S130" mathematisch-philosophischer Sprache ›räumlich oder zeitlich begrenzt‹, als Gegensatz zu dem häufigeren unendlich.
Endung als grammatischer Ausdruck ⇓ "S032" L283 Justus Georg Schottelius 1641.
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