Hermann Paul - Deutsches Wörterbuch
Emigrant
(1. Hälfte des 17. Jahrhunderts) < lat. Partizip Präsens emigrans, Genitiv emigrantis (zu lat. emigrare, schon mittellat. ›auswandern, vertreiben‹), ›Auswanderer‹, besonders ›wer seine Heimat aus politischen oder religiösen Gründen verläßt‹, emigranten und uncath. personen (1663), zunächst synonym mit dem älteren Exulant (1598), das im 17. Jahrhundert v. a. die »Böhmischen« Exulanten bezeichnete. Diese Festlegung begünstigte die Bezeichnung Emigrant; vgl. hierzu auch die Diskussionen über das ius emigrandi (z. B. im Augsburger Religionsfrieden von 1555), das Recht auf Auswanderung, wenn die Ausübung der eigenen Religion in der Heimat eingeschränkt ist. In den 1790er Jahren besonders auf die französischen Emigrierten bezogen. L032 Joachim Heinrich Campe Erg. 1801 bucht sowohl Emigrant wie Exulant, wie er auch Emigré mit »ein Ausgewanderter« erklärt, was auf A075 Johann Wolfgang von Goethes Unterhaltungen deutscher Ausgewandertenverweist. Im 20. Jahrhundert wurde Emigrant zur Zeit des Nationalsozialismus aktualisiert, vgl. A010 Gottfried Benn, Antwort an die literarischen Emigranten(1933); es ist mir nicht an der Wiege gesungen worden, daß ich meine höheren Tage als Emigrant… verbringen würde (Th.Mann; L337 WdG); Immer fand ich den Namen falsch, den man uns gab: Emigranten. / Das heißt doch Auswanderer. Aber wir / Wanderten doch nicht aus, nach freiem Entschluß (B.A024 Bertolt Brecht, Über die Bezeichnung Emigranten); dazu galt Emigrant in der Nazi-Propaganda als Schimpfwort, in den Konzentrationslagern waren Emigranten eine eigene Häftlingskategorie (L021 Karl-Heinz Brackmann/ L021 Renate Birkenhauer);Emigrantenliteratur (1871; L256 2RL) von G.Brandes im 19. Jahrhundert zunächst auf französische Literatur (u. a. Frau v.Staël) bezogen, im 20. Jahrhundert im Deutschen v. a. auf die Literatur gegen den Nationalsozialismus;
emigrierenauswandernund denjenigen gleichsamb unmüglich falle, welche mit einem geringen vermügen und herentwegen vihlen kindern emigriret (1633; F.Eppert, Der politische und religiöse Flüchtling in seiner sprachlichen Bezeichnung im Deutschen 1963); auch substantivisch Emigrierter: Gedränge der Emigrirten, die nun, jenseits entschieden vertrieben, diesseits nach Deutschland strömten (A075 Johann Wolfgang von Goethe, Campagne 33,206,3);
Emigration < lat. emigratio(Mitte des 18. Jahrhunderts; Goethe, Campagne) »die Auswanderung« (L032 Joachim Heinrich Campe Erg.), auch im Sinne von ›Fremdein der Emigration leben, auch als Kollektivbezeichnung Die Emigration traf Vorbereitungen zur Feier von A.Döblins 65.Geburtstag (Th.Mann; L337 WdG); fester Begriff
innere Emigration (1933 Th.A183 Thomas Mann, Tagebuch; vgl. F.A.Z., 2.6.95), wohl durch Frank Thieß geprägt (L257 3RL), ⇓ "S144" seit 1945 rechtfertigend ›kritische bzw. regimefeindliche Einstellung der Nicht-Emigranten zum NS-StaatMan soll den Widerstand sogar verinnerlichen können, das nennt man dann: Innere Emigration (A083 Günter Grass, Blechtrommel 145).
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