Hermann Paul - Deutsches Wörterbuch
Elend
ahd. elilenti, mhd. ellende, ursprünglich1anderes Land‹ (el- urverwandt mit lat. alius, liegt auch in Elsaß vor). Die ›Fremde‹ wird als etwas Unangenehmes gedacht, wohin man sich ungern begibt. Diese Bedeutung ist im Anfang des 18. Jahrhunderts noch lebendig, besonders in Verbindungen wie das Elend bauen (Lessing; ↑ "Bau"), ins Elend gehen, schicken, jagen. Sie erscheint bei Goethe, Schiller, Uhland, aber wohl künstlich wiederhergestellt: streifen nicht herrliche Männer von hoher Geburt nun im Elend (Goethe), jedem ist das Elend finster, jedem glänzt sein Vaterland (Uhland). Die gegenwärtige Bedeutung
2Unglück, Notlage‹ wird durch den Gefühlswert von Elend(1) schon mittelhochdeutsch vorbereitet (L320 Trübner), bei A180 Martin Luther sind beide Bedeutungen gleich häufig (L041 Philipp Dietz): Vnd der Herr erhöret vnser schreien / vnd sahe vnser elend / angst vnd not (5.Mose 26,7), Vnd wie er viel Leute aus jrem Vaterland vertrieben hatte / So muste er auch selbs im elend sterben (2.Makkabäer 5,9). Seit dem 18. Jahrhundert dominiert Elend(2). Zu Elend in der Bedeutung ›seelisches Unglück, Gram‹ Redensarten wie trunkenes Elend (1575; L258 Lutz Röhrich), ursprünglich ›Gram, der von übermäßiger Trunkenheit herrührt‹, ähnlich graues/ weinendes/ heulendes Elend (Du hast das heulende Elend, das kommt von dem Schnaps B.Brecht, Im Dickicht); geflügeltes Wort
glänzendes Elend, in ⇓ "S074" A075 Johann Wolfgang von Goethes ›Werther‹ (19,93,14) auf sozialen Dünkel gemünzt, dann auch bei K.Ph.Moritz; umgangssprachlich langes Elend für einen hochaufgeschossenen Menschen.
elend ahd. elilenti, mhd. ellende, ⇓ "S242"
1 ursprünglich ›in fremdem Land befindlich, der Heimat beraubt‹ (vgl. Elend). Die ursprüngliche Bedeutung ist früher geschwunden als beim Substantiv,
2 schon Luther hat nur ›arm, armselig, hilflos‹ (L041 Philipp Dietz), doch wenn Schiller sagt schweift er elend, heimatlos, mag er die alte Bedeutung noch im Sinn gehabt haben. ⇓ "S025""S031" Wie die Synonyme {{link}}jämmerlich{{/link}}, "erbärmlich" nimmt es dann auch den Sinn von ›gering, schlecht, widerwärtig‹ an: Ein elendes Gedicht. Ein elender Schriftsteller, der nichts als schlechte Sachen schreibt (L004 Johann Christoph Adelung), dagegen zuvor C.L.Liscow, Die Vortrefflichkeit und Nothwendigkeit der Elenden Scribenten gründlich erwiesen, 1734; ich hielte sie [die H-Bombe] weiterhin für eine elende Waffe, die es besser nicht geben würde (A159 Heinar Kipphardt, Oppenheimer 247).
verelenden mhd. transitiv verellendenverbannen‹ (zu elend[1]); jung intransitiv ›arm werden‹, dazu
Verelendung, 1867 ⇓ "S032" von ⇓ "S129" K.Marx geprägt für die fortschreitende Verschlechterung der Lebensverhältnisse der Arbeiterklasse, so in Verelendungstheorie.
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