Hermann Paul - Deutsches Wörterbuch
einbilden
als Prägung der ⇓ "S142" Mystik (Meister Eckhart u. a.) ursprünglich ›in die Seele hineinbilden‹ (und ›die Seele in Gott hineinbilden‹); "bilden", "Bildung" (↑ "Bild"), ⇑ "Einblick", "Eindruck", "einleuchten". Zuweilen mit Erinnerung an die ursprüngliche Bedeutung: du bilde deinem Geist das Urbild selber ein (Rückert). Gewöhnlich1eine Vorstellung einprägen‹, frühneuhochdeutsch häufig im Sinne von ›eine falsche Vorstellung beibringen‹ auch noch bis ins 19. Jahrhundert: ich will Ihnen nicht einbilden, daß alle beibehaltenen Stücke von gleichem Werte sind (Lessing), wer bildete dir ein, daß ich der verhaßte Prinz sei? (Immermann), jetzt selten; mit prädikativem Adjektiv: Ihnen etwas elender einzubilden, als es in der Tat ist (Lessing). Besser erhält es sich mit reflexivem Dativ, jetzt nur noch für falsche Vorstellungen gebraucht
2wähnen‹: Die sollen sich nicht einbilden, daß wir die alten Tricks nicht kennen (A296 Carl Zuckmayer, General 561), während es früher noch einfach ›sich vorstellen‹ bedeutet: bildet euch mein Schrecken ein(Lessing), das habe ich mir gleich eingebildet (›gedacht‹) (Schiller), ich hatte vor, Sie diesen Abend zu besuchen. Sie bilden sich schon ein, in welcher Angelegenheit (Mörike); sich etwas einbilden ist dann speziell
3eine hohe Meinung von sich haben‹ (1643 Moscherosch; L060 2DWb). Das Partizip
eingebildet hat außer dem normalen passivischen auch aktiven Sinn: der eingebildete Kranke (nach Molières Malade imaginaire: so zuerst Baudissin 1865, vorher in der Einbildung), ein eingebildeter (sich etwas einbildender, daher hochmütiger) Mensch (vgl. gelernt,studiert, ⇑ "lernen", "studieren"). Gleichen Sinn hatte noch im 18. Jahrhundert einbildisch: auf sich und die Ihrigen etwas eingebildet (A075 Johann Wolfgang von Goethe, Dichtung und Wahrheit 27,344,15).
Einbildung mhd. inbildunge, heute v. a. ›Wahn, Hochmut‹ (1633 Czepko; L060 2DWb), Einbildung ist schlimmer als das dreitägige Fieber (L333 Karl Friedrich Wilhelm Wander), aber auch noch, wie seit dem 14. Jahrhundert ›Phantasie‹, in ⇓ "S168" philosophischem Sinn (lat. imaginatio) ›Vorstellung von Dingen, die nicht zugegen sind‹ C.Wolff (vgl. L247 Paul Piur); dazu
Einbildungskraft 1640 Comenius (L345 Friedrich Karl Ludwig Weigand/ L345 Herman Hirt) ⇓ "S124" Lehnübersetzung von mittellat. vis imaginationis; in der Ästhetik des 18. Jahrhunderts ein zentraler Begriff, häufiger als "Imagination" und "Phantasie", wobei besonders die Freiheit und Produktivität der Einbildungskraft betont werden, vgl. A075 Johann Wolfgang von Goethe: zur Anschauung gesellt sich die Einbildungskraft,… Sodann ist sie productiv, indem sie das Angefaßte belebt, entwickelt, erweitert, verwandelt (Briefe 34,136,20).
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