Hermann Paul - Deutsches Wörterbuch
Ei
mhd. ei(Genitiv eijes), gemeingermanisch (krimgot. ada, engl. egg aus dem Altnordischen entlehnt), verwandt mit altslaw. ajice, russ. jajcó, auch wohl mit lat. ovum ›Ei‹ und avis ›Vogel‹ sowie griech. aietós ›Adler‹. »Je nach Beurteilung des Ablautverhältnisses im Rahmen der ie. [idg. ] Wortbildung wäre danach Eiursprünglich ›das zum Vogel Gehörige‹ oder der Vogel das ›Eiertier‹« (W.L244 Wolfgang Pfeifer).1 Meistens ist an das eßbare Hühnerei gedacht. Schon althochdeutsch von Ameiseneiern (L060 2DWb), dann auch von anderen Insekten und Reptilien, und erst nach der Erfindung des Mikroskops auf weibliche Keimzellen bei Säugetieren übertragen: auch der Mensch aus einem Eye entspringe (L361 Johann Heinrich Zedler).
2 Übertragen auf Eiförmiges: ›Hoden‹ (15. Jahrhundert; L060 2DWb): Los, jagt sie, tretet sie vor die Eier, die faulen Säcke! (A170 Wolfgang Langhoff, Moorsoldaten 197); für Geld ›Mark‹, nur im Plural: der Frau Zwietusch hat einer dreihundert Eier aus der Kommode geklaut? (A054 Hans Fallada, Blechnapf 370); ⇓ "S202" soldatensprachlich ›Handgranate, Bombe‹ (1916; L347 Helmut Wocke).
⊚⊚ wie ein rohes Ei behandeln (1525 Luther; L060 2DWb); (wie) auf Eiern gehenlavieren, übertrieben vorsichtig sein‹ (1525 Luther; L258 Lutz Röhrich); sich gleichen wie ein Ei dem anderen (1513 Tunnincius; L258 Lutz Röhrich); sich um ungelegte Eier kümmernsich um zukünftige Sachen kümmern‹ (1664; L060 2DWb); das Ei des Kolumbusüberraschend einfache Lösung für ein schwieriges Problem‹ (deutsch 1672; L060 2DWb) geht zurück auf eine Anekdote, die von dem Italiener Benzoni 1565 in seiner ›Historia del mondo nuovo‹ berichtet wird; wie aus dem Ei gepellt/ geschältwie neu, sehr gepflegt‹ (Abraham a Santa Clara; L258 Lutz Röhrich); das ist ja ein dickes Ei!das ist unglaublich/ ungeheuerlich!‹, ähnlich Ach du dickes Ei! (1956; L060 2DWb) nach L177 Heinz Küpper 1920ff.; das Gelbe vom Eidas Beste‹ (L258 Lutz Röhrich); ein Ei legenkoten‹ (16. Jahrhundert; L060 2DWb); jmdm. auf die Eier (wie auf die Nerven) gehen(1945ff.; L177 Heinz Küpper), mit Eier sind hier die empfindlichen Hoden gemeint. Weiter ↑ "Apfel".
Eierkopf zunächst ›eiförmiger Kopf‹, auch als ⇓ "S206" Schimpfwort: am schlimmsten ist der Bürovorsteher, der Eierkopf, der Mergenthal (1934 A054 Hans Fallada, Blechnapf 108). Die Bedeutung ›Intellektueller‹ ist ⇓ "S024" Lehnbedeutung nach engl. egghead (1961; L060 2DWb): Ich hatte… die entsprechenden Eierköpfe zu kidnappen, ehe sie von den Russen gekidnappt wurden (A159 Heinar Kipphardt, Oppenheimer 227).
Eierkuchen spätmhd. eierkuoche; besonders im Ostmitteldeutschen, Ostniederdeutschen für süddeutsch ↑ {{link}}Pfannkuchen{{/link}}; L171 Paul Kretschmer 184ff.,605; L066 Jürgen Eichhoff, Karte 4–24; ↑ "Omelett".
EiertanzTanz zwischen auf dem Boden liegenden Eiern‹ (1617; L258 Lutz Röhrich), vgl. A075 Johann Wolfgang von Goethe, Lehrjahre 21,161,9, dann auch übertragen einen Eiertanz vollführensich sehr umständlich und gewunden aufführen‹ (1833; L060 2DWb).
Eiweiß eierweiß (1537 Paracelsus; L339 Karl-Heinz Weimann), Eiweiß zuerst bei Adelung (L345 Friedrich Karl Ludwig Weigand/ L345 Herman Hirt), dann bei Jean Paul: dasz… ein kleines unglück immer die eierschale und das eiweisz eines groszen war (L059 DWb). Im Österreichischen dafür auch Eiklar und Klar (↑ "klar"; vgl. L066 Jürgen Eichhoff, Karte 4–26). Als Sammelbegriff für Proteine und Proteide in der Chemie seit dem 19. Jahrhundert (z. B. L025 Brockhaus 1898).
eiernbeim Rotieren ausschlagendas Rad eiert, umgangssprachlich 20. Jahrhundert; ⇓ "S105" jugendsprachlich herumeiernherumalbern, herumflachsen‹.
eineiig (L056 Duden 121941), mit der Vererbungsforschung aufgekommen: eineiige Zwillinge.
Sie können einen Link zu dem Wort setzen

Ansicht: Ei